Das Herner Heimatmuseum im neuen Heim (1928)
Am 19. Juli 1928 wurde im "Herner Anzeiger" folgender Artikel zur Eröffnung des Natur- und Heimatmuseums veröffentlicht, welchen wir hier mit einigen Hinweisen gerne wiedergeben. [1]
Das Herner Heimatmuseum im neuen Heim.
Zur heutigen Eröffnungsfeier.
Wie das städtische Museum für Natur= und Heimatkunde wurde.
Von Stadtoberinspektor Honnert.
Eine Industriearbeiterstadt wie Herne muss darauf bedacht sein, den Bildungsbestrebungen ihrer Bevölkerung Rechnung zu tragen. Städte mit alter Kultur können den Bildungshunger der Massen eher stillen als Städte, denen das Tempo amerikanischer Entwicklung den Stempel aufgedrückt hat und die noch an der Schwelle des Jahrhunderts ein kleinstädtisches, wenn nicht dörfliches Gepräge zeigten, wie unsere Stadt Herne.
In der Nachkriegszeit, die überall allen Verwaltungsgebieten den starken Impuls einer neuen Zeit mitgab, tauchte der Gedanke auf, in der Stadt Herne für die Heimatkunde ein städtisches Heimatmuseum zu schaffen.
Im Mai des Jahres 1925 regte der verstorbene Bürgermeister Dr. Sudkamp, Sohn einer alteingesessenen Herner Familie, ein Heimatmuseum für Herne erstmalig an. In der Stadtverordnetenversammlung vom 22. Juni 1925 war es ein Verdienst der Verordneten Dr. Hoischen, Ingmanns, Weil, Stratesteffen und Weiß, außerhalb der Tagesordnung einen Antrag eingebracht zu haben, der die Einrichtung eines Heimatmuseums im „Bergelmann'schen Hause auf dem Grundstück neben dem Rathause" forderte. Bereits am 26. Juni 1926 befasste sich der Magistrat mit diesem Antrage, und er beschloss, den „Bergelmann'schen Kotten als nicht geeignet abzulehnen und in erster Linie zu versuchen, das Schloss Strünkede für Museumszwecke freizubekommen“. Überhaupt sollte zunächst einmal festgestellt werden, „ob und in welchem Umfange in Herne noch Material vorhanden sei, das in einem Museum untergebracht werden könnte".
Wenn damit auch der Gedanke für die Schaffung eines Heimatmuseums zunächst einmal durch die städtischen Körperschaften aufgegriffen war, so ist doch festzustellen, dass die Gefahr bestand, dass die nunmehr in Fluss gekommene Angelegenheit im Strom der Zeit versandete, wenn nicht versackte. Aber da brachte am 27. Juni 1925 der „Herner Anzeiger“ einen sachverständigen Artikel, der weite Kreise der Bürgerschaft auf ein Museum für Herne aufmerksam machte. Am 14. Juli 1925 berief Bürgermeister Dr. Sudkamp einen engeren Kreis von Sachverständigen und heimatliebenden Personen zu einer unverbindlichen Besprechung zusammen. Er wollte herausfühlen, inwieweit die Bürgerschaft an der Errichtung eines Museums ein Interesse habe. Gleichzeitig schrieb die „Herner Zeitung“ in einer Veröffentlichung, dass „der Heimatgedanke nun auch in Herne marschiert". Die von Bürgermeister Dr. Sudkamp zusammengebetenen Herren schlossen sich unter seinem Vorsitz zunächst zu einem Arbeitsausschuss zusammen, nachdem sie der Durchführung des Planes für ein Museum „freudig“ zugestimmt hatten, „wobei man die großen Schwierigkeiten, die der Schaffung entgegenstehen, nicht verkennt und weshalb man das Interesse der alten, eingesessenen Bürger angeregt wissen will“.
Nun verstreicht ein ganzes Jahr, ohne dass dem Gedanken irgendeine Förderung zuteilwurde, bis am 15. Juni 1926 der arbeitslose Anstreicher Karl Brandt mit einer schriftlichen Eingabe, die an die Stadtverwaltung gerichtet war, im Amtszimmer des Verfassers erschien, in der er seine vor- und frühgeschichtlichen Sammlungen der Stadtverwaltung kostenlos als Grundstock für ein Heimatmuseum zur Verfügung stellt. Es ist ein Verdienst des damals erst wenige Monate in Herne tätigen Oberbürgermeisters Täger, dass er der Anregung des Bürgermeisters Dr. Sudkampf entsprechend, dieses Angebot annahm und mit klarem Blick die Initiative für die Schaffung der Anfänge eines Heimatmuseums ergriff. Zunächst wurden zwei Kellerräume im Neubau des städtischen Oberlyzeums von ihm in entgegenkommender Weise für die Brandt'sche Sammlung verfügbar gemacht.
So kann Anstreicher Karl Brandt für sich in Anspruch nehmen, dass die Stadt Herne seinem Entschluss die Schaffung des Heimatmuseums verdankt.
Mit großem Fleiß hat Brandt dank der verständnisvollen Unterstützung des Oberbürgermeisters, des Magistratsrates Dr. Cludius[2] und der städtischen Körperschaften seine Sammlungen zusammengetragen und durch Stiftungen aus allen Kreisen der Bevölkerung ständig erweitert. Der Umfang, den das Heimatmuseum allmählich annahm, ließ es späterhin nicht mehr zu, dass Herr Brandt die Betreuung der Sammlungen ohne jegliche Entschädigung zugemutet werden konnte, und es ist ein Verdienst der städtischen Körperschaften, ihn in Ansehung seiner Verdienste um das Museum zum Verwalter vertraglich bestellt zu haben, und man konnte ihn bewegen, seine wertvollen Sammlungen zu einem für die Stadt und für Brandt günstigen Preise zu veräußern.
Erneut bekundeten die städtischen Körperschaften ihr großes Interesse an der Neuschaffung, indem sie, beeindruckt durch die Fülle des Materials, das Brandt bei der Eröffnung des Museumskellers im Oberlyzeum vorweisen konnte, in den Haushaltsplan für 1927 einen zunächst bescheidenen Geldbefrag für Museumszwecke einsetzten. Diese äußerst beschränkten Mittel wurden in erster Linie dazu verwandt, der inneren Ausgestaltung des Museums durch Beschaffung geeigneter Vitrinen usw. Rechnung zu tragen.
Die von Brandt hereingebrachte Vor- und frühgeschichtliche Abteilung bildet heute das Kernstück des Museums überhaupt. Auf diesem Gebiete kann sich das städtische Museum heute schon als für die engere Heimat führend bezeichnen. Dieses Urteil stützt auf die Gutachten anerkannter Wissenschaftler, von denen zu nennen sind Dr. Hauser (Weimar), Dr. Andree (Münster), Dr. Kuckuck (Bochum) und Dr. Spannuth (Hameln). Diese Herren stehen in engster Verbindung mit dem Museum. Sie sind bereit, ihr reiches Wissen und Können der jungen Einrichtung, von uns dankbar begrüßt, auch in Zukunft zur Verfügung zu stellen.
Um die Wende des Jahres 1927 übernahm in dankenswerter Weise Studienrat Dr. Dißmann aus Herne die wissenschaftliche Leitung des Heimatmuseums. Er betreut außerdem die im Ausbau begriffene geologische Abteilung. Sein Verdienst ist es, zusammen mit dem Museumsverwalter Brandt die Notwendigkeiten für das Heimatmuseum mit klarem Blick erkannt und in engstem Zusammenarbeiten mit dem Oberbürgermeister Täger den Ausbau des Museums nach Kräften gefördert zu haben.
Durch Ankauf einer großartigen Sammlung des Schneidermeisters [Hermann] Cornelsen (Herne)[3] konnte eine entomologische Abteilung dem Museum angegliedert werden. Diese Abteilung bildet mit ihren prächtigen Schaustücken in- und ausländischer Schmetterlinge eine Zierde für das Museum.
Ferner nennt das Heimatmuseum ein hervorragendes Herbarium einheimischer und ausländischer Heimatpflanzen sein Eigen, und es ist an dieser Stelle zu danken, dass der erst seit etwa 5 Jahren in Herne tätige Lehrer Krüger seine ganze Arbeitskraft und sein hervorragendes Wissen auf diesem Gebiete dem Museum restlos verfügbar macht. Das Herbarium dient als wertvolle Bereicherung des Museums vorzüglich dem Zweck, der in erster Linie unserem Heimatmuseum zukommen soll, der heranwachsenden Jugend ein Stück Heimat systemvoll geordnet zu veranschaulichen.
Zwei Sammlungsgebiete, die sonst in Städten mit kultureller Vergangenheit den Grundstock eines Museums bilden, liegen in unserer Industriearbeiterstadt leider noch im Argen. Es sind dies die kulturhistorische Abteilung, die Knappschaftsbürovorsteher [Anton] Rieke sachverständig betreut, und die Abteilung für Archivalien, der Studienrat Dr. Hoischen, Herne, seine sachverständige Aufmerksamkeit in dankenswerter Weise widmet. Es erscheint ohne weiteres klar, dass in einer Stadt, die noch vor vier Jahrzehnten einfaches dörfliches Gepräge trug, für auswärtige Museen ein fruchtbares Feld für die Bereicherung eigener Sammlungen von altem Hausrat usw. gefunden wurde. Wir nennen heute in den Museen von Witten, Bochum und Dortmund manches Stück Herner Eigentum, das verloren ging, weil frühere Verwaltungsorgane für ein Herner Museum im Gegenteil zu anderen Städten kein Interesse auszubringen vermochten. Auch in den Archiven benachbarter Städte befinden sich Dokumente aus längst vergangenen Tagen alter Herner Edelsitze und Bauernhöfe, die unserem Museum für alle Zeit verlorengegangen sind. So heißt es auch in diesen beiden Abteilungen, in kluger und zäher Arbeit nachzuholen, was Interesselosigkeit fortzunehmen zuließ.
Das am 19. Juli der Öffentlichkeit im neuen Gewande zugänglich zu machende Museum für Natur- und Heimatkunde stellt sich der Bürgerschaft als kulturelle Tat der städtischen Verwaltung vor. Spät, fast zu spät geschaffen, hat es dank der Initiative und der begeisterten Mitarbeit sachverständiger und interessierter Kreise dennoch von Beginn an unter einem glücklichen Stern gestanden.
Möge es immer so bleiben, dass Wissenschaftler und Autodidakt sowie Verwaltung und Bürgerschaft sich wie bisher zu einer glücklichen Synthese zusammenfinden, um auch kommenden Geschlechtern zu zeigen, dass in einer Stadt hartschaffender Arbeit, wenn auch spät, von wenigen Männern die Wege aufgezeigt wurden, auf denen geschritten werden kann zur wahren Volksgemeinschaft, durch Heimatliebe und Heimatkunde, wo das Gestrige nicht vergessen wurde und wo, fest in der Gegenwart wurzelnd, das Kommende bewusst und zuversichtlich entgegengenommen wird.
Deshalb gebührt allen Männern, die ihre Arbeit, ihr Wissen und ihr Können in den Dienst des Museums gestellt haben, unser herzliches
- „Glück auf“.
[...] Stifter und Gönner des Museums.
- Malermeister Adolphen, Herne
- Dr. Julius Andree, Münster
- Klempnermeister Bade, Herne
- C. Brandt sen., Baukau
- Gutsbesitzer Budde, Horsthausen
- Rektor Decker, Baukau
- J. Domhof, Herne
- Düngelmann, Herne
- Fabrikant Geßmann, Herne
- Dr. Otto Hauser, Weimar
- Schreinermeister Hilbring, Herne, Wilhelmstr.
- Lehrer Hollenbeck, Herne
- Kaufmann Wilh. Kampert, Herne
- Stadtschulrat Kastner, Herne
- Malermeister Kempmann, Herne
- Markscheider Lübbers, Herne
- Rektor Michel, Herne
- Bürobeamter Ostwinkel
- Landwirt Jos. Pantring, Horsthausen
- Eduard Peter, Herne
- Landwirt Trimbusch, Horsthausen
- Oberbürgermeister a. D. Hermann Schaefer
- Schulte=Kulkmann, Baukau
- Rentner Sichtermann, Baukau
- Studiendirektor Spannuth, Hameln
- Markscheider Striebeck, Herne
- Kaufmann Franz Wehling, Herne
- Arbeitersekretär Weiß, Herne
- E. Wenzel, Herne
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- Die einzelnen Abteilungen des Heimatmuseums - Die vorgeschichtliche Abteilung (1928),
- Die einzelnen Abteilungen des Heimatmuseums - Das Herbarium (1928),
- Die einzelnen Abteilungen des Heimatmuseums - Die entomologische Abteilung (1928) und
- Die einzelnen Abteilungen des Heimatmuseums - Die kultur=historische Abteilung des Heimatmuseums (1928)
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Quellen
- ↑ Vgl. Onlineausgabe auf Zeitpunkt.nrw
- ↑ Dr. jur. Rudolf Cludius wirkte nur vom 1. April 1927 bis zum 5. September 1928 als Stadtsyndikus. Er heiratete 1927 Erika von Beyer. Ging anschließend als Beigeordneter nach Ratibor in Oberschlesien, wurde dort Stadtkämmerer und starb bereits 1934 in Frankfurt/Oder. Sein Vater war der Münsteraner Oberregierungsrat Heinard Cludius (1857-1927)
- ↑ Grabenstraße 5