Die einzelnen Abteilungen des Heimatmuseums - Die Geologie (1928)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 19. Juli 1928 wurde im "Herner Anzeiger" folgender Artikel zur Eröffnung des Natur- und Heimatmuseums veröffentlicht, welchen wir hier mit einigen Hinweisen gerne wiedergeben. [1]

Die einzelnen Abteilungen des Heimatmuseums.
Die Geologie.
Von Studienrat Dr. Dißmann.
Der Teil unserer Umwelt, der wohl am engsten mit dem Begriff Heimat verknüpft ist, ist der heimatliche Grund und Boden. Gilt das schon allgemein für jede Landschaft, in der die heimatliche Erde den sie bewohnenden Menschen Nahrung für ihn und seine Haustiere liefert und ihm Raum und Wasser für seine Siedlungen stellt, so trifft das in erhöhtem Maße zu in einer Gegend, in der Bodenschätze in reicher Fülle einen ausschlaggebenden Einfluß ausüben auf das Wirtschafts= und Erwerbsleben des ganzen Gebietes.
Mit Recht nimmt daher in einem Heimatmuseum unseres rheinisch=westfälischen Bergbau= und Industriebezirkes die Darstellung der Geologie der Heimat einen breiten Raum ein. Denn die Geologie ist es, die uns mit ihren vielfachen Hilfsmitteln Aufschluß gibt über den heimatlichen Boden, seine Beschaffenheit und Form, seine Entstehung und sein Werden, über die Kräfte, die ihn umgestalten und umlagern vom rinnenden Wassertropfen bis zum emsig schaffenden Menschen.
Alles das erzählt draußen in der Natur dem aufmerksamen Beobachter die Erdgeschichte. Aber nicht immer ist es leicht, aus den Dokumenten und Pergamenten des scheinbar toten Bodens das Richtige herauszulesen, all das Lebendige und Ruhe= und Rastlose, das diesen Boden von jeher bewegt hat und ihn immer wieder umgestalten wird, zu immer neuen Leben tragenden Bildern und Formen.
Da nun soll das Heimatmuseum helfen. Mit Gesteins= und Erdproben, mit Fundstücken von Versteinerungen und Mineralien, mit Erläuterung durch Wort und Schrift und schließlich durch Abbildungen und Modelle mancherlei Art wird dem Beschauer die uralte, lebendige Geschichte des Heimatbodens näher gebracht.
Zunächst muß da gezeigt werden, wie außerordentlich mannigfache Kräfte ständig an der Arbeit sind, die Erdoberfläche umzugestalten und zu verändern; wie einerseits selbst die härtesten Gesteine im Laufe der Zeiten dem Verfall und der Zersetzung anheimfallen, anderseits sich aus den Trümmern zerfallener und gelöster Gesteine wieder neue bilden; wie der Vulkanismus seinerseits ganz andere neue Gesteinsarten schafft, und wie gebirgsbildende Kräfte hohe Gebirge emportürmen. die wiederum der Abtragung anheimfallen. Das Leben früherer Zeiträume blieb uns erhalten in den versteinerten Resten der Lebewsen, die als sogenannte Versteinerungen in der mannigfachsten Bildungs= und Erhaltungsart uns Kunde geben davon, ob die sie einhüllenden Gesteine in einem Meer oder einem See, als Fluß= oder gar als Landablagerung entstanden sind.
Im Mittelpunkt vieler derartig entstandener Gesteinsschichten steht natürlich hier für uns die Steinkohle, und daher muß ihre Darstellung und die des Karbons, als der Erdzeit, in der sie entstand, in der geologischen Abteilung einen breiten Raum einnehmen. Ausgedehnte Wallmoore auf einem sich senkenden und sich hebenden Tiefland betteten ihre Ablagerungen von Torf und Faulschlamm zwischen mächtige Ton= und Sandmassen des Meeres und des Landes. Alles verfestigte sich im Laufe von Jahrmillionen zu Steinkohle, Tonschiefer und Sandstein. Ganz besondere Pflanzengattungen, die in der heutigen Vegetation bei uns kaum eine Rolle spielen, standen damals in ungeheuerer Ueppigkeit auf dem feuchten Boden und wurden uns in Abdrücken in den weichen Schlammmassen in schönster Deutlichkeit erhalten.
Da aber von Bochum ab nordwärts die Schichten des Steinkohlengebirges von den im Meere der Kreidezeit entstandenen Gesteinen des sogenannten Deckgebirges und noch jüngeren Ablagerungen überdeckt sind, so bieten dem für die geologische Geschichte der Heimat Interessierten auch diese Schichten eine Fülle von anziehenden und belehrenden Tatsachen und Erscheinungen. Besonders fällt uns an ihnen stellenweise ein außerordentlich großer Reichtum an Versteinerungen auf, der auf eine mannigfache, zahlreiche Lebewelt in dem damals hier flutenden Meere schließen lässt. Viele Jahrtausende später wiederum, nach der Landwerdung unseres Gebietes, überzogen gewaltige, aus Skandinavien kommende Eismassen unsere heimische Landschaft und hinterließen nach ihrem Zurückweichen gewissermaßen als Gastgeschenk mächtige Moränenablagerungen mit großen nordischen Geschieben und mannigfachem anderen Material. Die Tierwelt, die damals das wieder eisfrei gewordene Gebiet besiedelte, war eine von unserer heutigen noch stark abweichende, wie uns ihre gewaltigen Überreste aus Emscher= und Lippeablagerungen erzählen.
Während so in unserer Heimat nach Norden hin das Steinkohlengebirge von Kreideschichten und noch jüngeren Ablagerungen überdeckt ist, treten dem Wanderer, der von hier südwärts das Sauerland aufmerkenden Sinnes durchquert, hinwiederum ältere Gesteinsschichten entgegen. Sandsteine, Schiefer und Kalke bilden starkgefaltet die waldreichen Berge und Plateaus des Sauerlandes und zeigen stellenweise durch großen Fossilienreichtum ihre Entstehung in einem uralten Meere an.
Alle diese erwähnten Epochen sind eingegliedert in eine geschlossene Uebersicht der Jahrmillionen alten Erdgeschichte, wie sie uns besonders in der Entwicklung der Lebewelt in ihren interessanten Resten entgegentritt.
Eine außerordentliche Fülle von Lebewesen teils abenteuerlichster Gestalten tritt uns in diesen langen Entwicklungsreihen entgegen, von den eigentümlichen, uralten Graptolithen des Silur bis zum Auftreten der Säuger in Tertiär. Nach ihnen kam dann im Diluvium auch der Mensch in unsere Gegend, und sein erstes Auftreten leitet hinüber zum Abschluß der Geologie und zugleich zum ältesten Kapitel der Menschheitsgeschichte, der sogenannten Vorgeschichte oder Prähistorie.


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Quellen