Synagoge (Herne)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Synagoge Herne
Synagoge Herne.jpg
Erbaut: 1911
Letze Änderung: 01.12.2020
Geändert von: Andreas Janik
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Zu Beginn des 19.Jahrhunderts ließen sich die ersten jüdischen Familien dauerhaft auf dem Gebiet der heutigen Stadt Herne nieder.

Geschichte

Vorübergehende Anwesenheit jüdischer Kaufleute lässt sich bis in die Mitte des 18.Jahrhunderts zurückverfolgen. So stammt der an einem Torbalken in Alt-Crange angebrachter Segensspruch „Gesegnet sei bei Deinem Eingang, gesegnet sei bei Deinem Ausgang“ (5. Mose 28,6) aus dieser Zeit; er war an die jüdischen Händler gerichtet, die damals am Kirmes-Pferdemarkt teilnahmen. Die wenigen jüdischen Familien in Herne gehörten zunächst zur Synagogengemeinde Bochum; ab 1889 bildeten sie eine eigenständige Synagogengemeinde und hielten eigene Gottesdienste ab. Zunächst diente eine Wohnung in einem Privathaus als Betraum, später nutzte man einen Raum im neuen Schulgebäude für diese Zwecke.[1] Am 16. Juli 1911 wurde der repräsentative Synagogenneubau fertiggestellt, bei dessen feierlicher Einweihung auch die Prominenz der Stadt Herne teilnahm. Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Herne war damals Moritz Ganz.

"Ein Freudentag ist heute angebrochen für unsere israelitischen Mitbürger, ein Tag, der mit goldenen Lettern auch eingetragen sein wird in die Geschichte der Stadt Herne. Findet doch heute die Einweihung der von der israelitischen Gemeinde ... errichteten Synagoge statt. Um ein hervorragendes und herrliches Bauwerk ist unsere Stadt dadurch bereichert und mit Stolz kann die israelitische Gemeinde jetzt auf das Werk schauen, das ihre Mitglieder unter großen, freudig gebrachten Opfern ... haben entstehen lassen. Herzlichen Anteil nahmen auch die Angehörigen anderer Konfessionen an der Feier ihrer israelitischen Mitbürger und dokumentierten diese Anteilnahme dadurch, daß sie teilnehmen an der Feier der Einweihung, die heute nachmittag stattfindet. Bereits bei der Grundsteinlegung des Baus, am 17.Juni des vergangenen Jahres, haben wir einen Rückblick geworfen auf die Geschichte der israelitischen Gemeinde in Herne, die mit der der Stadt eng verknüpft ist. Wenn damals die Grundsteinlegung im engen Kreise der Gemeinde festlich begangen wurde, so soll die heutige Feier der Einweihung einen öffentlichen Charakter tragen von ganz besonderem Gepräge, in dem sich die Freude der israelitischen Gemeinde und die Anteilnahme der Verwaltung und der Bürgerschaft widerspiegelt. ..."[2]

Während des Novemberpogroms setzten Nationalsozialisten die Synagoge in Brand; Dachstuhl und Innenräume brannten völlig aus; einem Gemeindemitglied gelang es noch, in der brennenden Synagoge die Thora-Rolle zu retten. [...] Umgehend wurde der jüdischen Gemeinde aufgetragen, die Synagogenruine innerhalb kürzester Frist niederzulegen. Das teilzerstörte Synagogengebäude wurde dann im Frühjahr 1939 abgerissen und das Gelände von der Stadt an eine Bergwerksgesellschaft veräußert. Seit 1941 bestanden in der Bahnhofstraße mehrere „Ghettohäuser“, in denen jüdische Familien bis zu ihrer Deportation leben mussten. Die Deportationen von 1942/1943 besiegelten dann im Frühjahr 1943 das Ende der jüdischen Gemeinde. Insgesamt sind 248 Juden aus Herne Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden.

Nach Kriegsende kamen Überlebende des Holocaust nach Herne; einige zogen bald wieder in andere Städte oder emigrierten. Auf Grund der geringen Mitgliederzahl schlossen sich 1953 die Gemeinden Herne, Bochum und Recklinghausen zu einer Kultusgemeinde zusammen; der überwiegende Teil des Gemeindelebens fand von nun an in Recklinghausen statt, wo 1955 eine Synagoge eingeweiht wurde. Nach 1975 gehörten auch die sehr wenigen Juden aus Wanne-Eickel zur Kultusgemeinde.

1949 wurde am Neumarkt - unweit der ehemaligen Synagoge - ein Gedenkstein mit -tafel für die verfolgten und ermordeten Bürger jüdischen Glaubens aufgestellt. Zehn Jahre später wurde dieses Mahnmal auf Wunsch der jüdischen Gemeinde auf den Friedhof am Hoverskamp in Herne-Baukau gebracht, wo es sich auch heute noch befindet. [...] 1963 wurde auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge in der Schaeferstraße eine Gedenktafel enthüllt.

Mit der in den 1990er Jahren erfolgten Zuwanderung aus Gebieten der ehemaligen UdSSR vergrößerte sich die Zahl der Gemeindeangehörigen derart, dass sich die „Jüdische Kultusgemeinde Bochum - Herne- Recklinghausen“ im Jahre 1999 teilte. Die neu gebildete „Gemeinde Bochum - Herne - Hattingen“ zählte 2005 mehr als 1.000 Angehörige. [3]

Literatur

  • Unsere Stadt unter dem Nationalsozialismus - Die Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung in Herne und Wanne-Eickel - Ausstellung der Stadt Herne zum 30.Jan. 1933, Hrg. Oberstadtdirektor der Stadt Herne, Herne 1983
  • Christiane Schulte, Synagogengemeinde Wanne-Eickel und Herne 1887 - 1933, Examensarbeit für das Lehramt für die Sekundarstufe II, Ruhruniversität Bochum, 1984
  • B.Dorn/M.Zimmermann, Bewährungsprobe - Herne und Wanne-Eickel 1933 - 1945. Alltag, Widerstand und Verfolgung unter dem Nationalsozialismus, Bochum 1987
  • Sie werden nicht vergessen sein - Geschichte der Juden in Herne und Wanne-Eickel, Hrg. Der Oberstadtdirektor der Stadt Herne, Herne 1987
  • F.Braßel/M.Clarke/C.Objartel-Balliet (Hrg.), “ Nichts ist so schön wie ...” Geschichten und Geschichte aus Herne und Wanne-Eickel, Essen 1991
  • Ludger Heid, Maloche - nicht Mildtätigkeit . Ostjüdische Arbeiter in Deutschland 1914 - 1923, Hildesheim 1995
  • Ralf Piorr (Hrg.), Eine Reise ins Unbekannte - Ein Lesebuch zur Migrationsgeschichte in Herne und Wanne-Eickel, Essen 1998
  • Ludger Heid, Arbeit und Alltag ostjüdischer Arbeiter im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, in: Kirsten Menneken/Andrea Zupancic (Hrg.), Jüdisches Leben in Westfalen, Klartext Verlag, Essen 1998, S. 132 - 142
  • G. Birkmann/H. Stratmann, Bedenke vor wem du stehst - 300 Synagogen und ihre Geschichte in Westfalen u. Lippe, Klartext Verlag, Essen 1998, S. 71/72
  • Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 in Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 241 - 243
  • Ralf Piorr (Hrg.), “Nahtstellen, fühlbar, hier ...” - Zur Geschichte der Juden in Herne und Wanne-Eickel, Klartext-Verlag, Essen 2002
  • Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen - Regierungsbezirk Arnsberg, J.P.Bachem Verlag, Köln 2005, S. 178 - 187

Weblinks

Lesen Sie auch

Einzelnachweise