Katholische Schulgeschichte

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Lageplan der Notkirche bzw. der Schule 1862
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Zustandsplan 1882
Anbau 1882
Schule-Neustraße-1964.jpg

Die katholische Schulgemeinde Herne[1]

Die Wellen der Reformation erreichten auch die Bauernschaft Herne und löschten alles katholische kirchlich-religiöse Leben in der Gemeinde. Herne blieb auch in den Jahren der Religionskriege evangelisch. Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts kamen durch die sich stürmisch aufwärts entwickelnde Industrie auch Familien katholischen Glaubens zunächst aus dem Münsterland, später aus den Ostdeutschen Gebieten und auch aus Polen nach Herne und siedelten sich hier an. 1855 gab es in Herne schon 94, in Hiltrop 84 und in Baukau 11 katholische Familien.

Ende 1858 fand nach etwa 300 Jahren wieder der erste katholische Gottesdienst in einem gemieteten Raum im Hause des Maurermeisters Wagner an der heutigen von-der-Heydt-Straße (früher Juchweg) statt.
Die nächstgelegene katholische Schule stand in Crange. Der Weg dorthin war weit und bei schlechtem Wetter unbegehbar. Es blieb daher vielfach keine andere Wahl, als sich der evangelischen Schulge¬meinde anzuschließen und die Kinder zu einer der beiden Dorfschulen zu schicken.
Im Mai 1859 kam der Missionsvikar Gustav Schmelzer aus Oberhundem Krs. Olpe als Missions- und Schulvikar nach Herne. Er erhielt von der Regierung in Arnsberg die Konzession zur Errichtung einer Privat-Elementarschule für Kinder katholischen Glaubens und richtete auch sofort eine Klasse ein. 40 Schulkinder aus Herne, Baukau, Horsthausen, Holsterhausen, Crange, Pöppinghausen, Sodingen, Hiltrop und Bergen, erhielten an Werktagen in dem für kirchliche Zwecke gemieteten Raum den ersten Unterricht. Als im September 1859 die Notkirche an der von-der-Heydt-Straße (hinter dem später erbauten Hause der Gastwirtschaft Flake und angrenzend an das Kartenberg' sche Grundstück) eingeweiht wurde, konnte auch die Schule einen separaten Anbau beziehen. Dieser Anbau stand etwa dort, wo sich heute die Druckerei der Herner Zeitung befindet. Die leichte Bauart und die Feuchtigkeit, hervorgerufen durch ungleiche Höhenverhältnisse des Klassenraumes, machten jedoch die unterrichtliche Arbeit denkbar schwierig. Schon 1861 war der kleine Raum wegen der auf 71 angewachsenen Kinderzahl viel zu eng. An Stelle des Geistlichen, der wegen seiner vielen Amtsverrichtungen und auch aus gesundheitlichen Gründen den Schulunterricht nicht mehr bewältigen konnte, kam der Schulamts-kandidat Johann Padberg.
Festumrissene Schulgemeindegrenzen oder Schulbezirksgrenzen gab es 1861 noch nicht. Wer näher zur Herner Schule wohnte, schickte seine Kinder dorthin. Eine heute noch vorhandene Liste der damals eingeschulten Kinder zeigt, dass nur 29 aus Herne kamen und die übrigen aus anderen Gemeinden.

Die Liste enthält folgende Namen:

HERNE
Antonia Lobek, Louis Lobek, Louis Jansen, Pauline Jansen, Wilhelmina Luck, Theodor Krause, Johann Krause, Anna Loxenburg, Bertha Loxenburg, Christina Tölle, Friederica Hücker, Anton Nachbarschulte, Caecilia Mourphy, Louis Mourphy, Rudolph Schick, Carl Schick, Maria Metzing, Johann Grundlage, Anna Nohlen, Wilhelmina Plückebaum, Elisabeth Wienkötter, Maria Dickhoff, Anna Dickhoff, Heinrich Richter, Wilhelm Lucke, Wilhelm Risse, Friederica Wengeler, Jonas Cosmann, Christina Jansen
HILTROP
Heinrich Möller, Christina Möller
ALTENHÖFEN
August Husmann, Heinrich Husmann, , Bernard Vehring
SODINGEN
Emma Hano, Ida Hano, Heinrich Niermann, Heinrich Stegmann, Josephina Stegmann
HOLSTERHAUSEN
Theodor Hemmelmann, Gustav Hemmelmann, Elise Hemmelmann, Heinrich Bilk (oder Bick), Friedrich Bredenbröcker, Theodor Bredenbröcker, Heinrich Enwens, Josephina Hettkens, Gustav Gerard, Jacob Gerard, Sophia Macht
HORSTHAUSEN
Wilhelm Pleuger, August Kreiling, Lisette Kreiling, Wilhelm Kreiling, Wilhelm Köhler, Heinrich Köhler, Lisette Teherhöner, Josephina Teherhöner, Wilhelm Teherhöner, Lisette Köhler, Wilhelm Brauckhoff
BICKERN
Wilhelm Dudel
CRANGE
Heinrich Tewes, Heinrich Schulte, Wilhelm Schulte
RIEMKE
Georg Heinrich, Kreuz Christina Kreuz
GIESENBERG
Wilhelm Möller, Anna Tollkamp, Anna Wetterkamp
GRUMME
Friedrich Schallenberg

Die erste katholische Schule war eine kirchliche Privatanstalt und als solche auf die Opferwilligkeit der Kirchengemeinde und die Unterstützung des Bonifatiusvereins angewiesen, Es fiel der Kirchengemeinde damals schwer, die Geldmittel für die Bezahlung des Lehrers und für die Unterhaltung der Klasse aufzubringen; gehörten ihr doch außer 2 wirklichen Alt-Eingesessenen nur zugezogene Arbeiter an, die kaum etwas beisteuern konnten. Die Erhebung der Privatschule zu einer öffentlichen Elementarschule war daher nur ein zu verständlicher Wunsch der katholischen Einwohner.
Im Hinblick auf die Zahl der schulpflichtigen Kinder erkannte die Regierung in Arnsberg auch die Notwendigkeit der Errichtung einer öffentlichen Schule an und bestimmte, zunächst Repräsentanten zu wählen, welche über den künftigen Schulbezirk, sowie über Schulhaus und Lehrerbesoldung Beschlüsse fassen sollten, Vikar Schmelzer und Ehrenamtmann v. Forell stellten nunmehr eine Liste mit den Namen der katholischen Hausväter aus den Gemeinden Herne, Baukau und Hiltrop für die Wahl zusammen. Diese Liste enthielt folgende Namen:
Katholische Hausväter Herne (1871)
Sie beschlossen in der ersten Sitzung, bei der Regierung in Arnsberg die Erhebung der Privatschule zu einer öffentlichen katholischen Elementarschule zu erwirken, einen ordentlichen Lehrer anzustellen, eine besondere Schulsteuer von allen katholischen Einwohnern und darüber hinaus von allen schulpflichtigen Kindern ein Schulgeld in Höhe von 1 Taler 10 Silbergroschen pro Jahr zu erheben und als Schulbezirk die politischen Gemeinden Herne, Baukau, Horsthausen, Pöppinghausen und Hiltrop zusammenzufassen. Hiergegen erhob jedoch der Amtmann von Castrop Protest. Er willigte nicht in die Abgabe der Katholiken von Horsthausen, Pöppinghausen und Hiltrop ein, weil diese zur katholischen Kirchengemeinde Castrop gehörten und in der katholischen Schule zu Börnig eingeschult waren. Der kath. Schulvorstand von Eickel, wozu Herne gehörte, machte dagegen keine Schwierigkeiten.
Am 3. 7. 1862 kam das langersehnte Dekret. Die Gemeinden Herne und Baukau sowie die Ortschaft Hiltrop mit Ausnahme der Hiltroper Landwehr bildeten nunmehr den neuen Schulbezirk. Der Einspruch des Amtmannes von Castrop hatte Gehör gefunden.
Es war für die katholische Schulgemeinschaft ein glücklicher Tag; denn nur mit den größten finanziellen Opfern hatte man den Schulbetrieb aufrechthalten können. Die weitere Entwicklung aber zeigte, dass neue Opfer notwendig waren,
Nach dem Fortgang des Lehrers Padberg amtierte für kurze Zeit Lehrer Berglar. Dann kam am 1. 12. 1861 der Schulamtskandidat Johannes Tigges aus Selbecke bei Oberhundem nach Herne. Er blieb 44 Jahre im Amt und hatte wesentlichen Anteil an der weiteren Entwicklung des katholischen Schulwesens. Sein Wirken in Herne sollte unvergessen bleiben. Mit ihm setzte erst der pädagogische Aufbau der Schule ein, und mit ihm beginnt erst eigentlich die "Geschichte der katholischen Schulen in Herne". Wachsende Sorgen bereitete den Schulrepräsentanten die Unterbringung der Schulklasse. Der bisherige Raum an der Notkirche fasste schon lange nicht mehr alle Schüler. Zwar lagen schon Baupläne für ein neues Schulhaus bereit, doch woher sollten die Geldmittel kommen? Der Staat leistete zu den Aufwendungen für die Lehrerbesoldung gewisse Zuschüsse, aber für die Unterbringung der Klassen mussten die Schulgemeinden selbst aufkommen.
Da eigene Geldmittel nicht vorhanden waren und die katholischen Einwohner kaum in so hohem Maße mit Schulbauabgaben belegt werden konnten, entschloss sich der inzwischen gewählte Schulvorstand, bestehend aus den Mitgliedern
Peter Wienert, Partikulier, Florenz Wiegelmann, Postexpedient, von Berneck, Kaufmann, Heinrich Jansen, Bahnmeister, Hermann Manger, Restaurateur,
eine Hauskollekte in den Regierungsbezirken Arnsberg und Münster durchzuführen.

Katholische-Schule-Sauerl-Volksblatt-1863-04-1.jpg

2.500 Bittbriefe mit nachfolgendem Inhalt wurden von zahlreichen Helfern ins Land hinaus getragen. Sie gingen von Haus zu Haus, von Gemeinde zu Gemeinde, klopften an alle Türen, hinter denen katholische Familien wohnten, und baten um eine Geldspende. Es kam die ansehnliche Summe von 3.457 Talern, 19 Silbergroschen und 9 Pfennigen zusammen. Ein schönes Ergebnis für eine gute Sache und ein Zeichen von Solidarität weit über die Grenzen Hernes hinaus.
Dem Ankauf eines 75 Quadratruten großen Grundstückes von dem Landwirt Friedrich Cremer, gelegen an der östlichen Seite der Bahnhofstraße, stand nichts mehr im Wege.

Auch Lehrer Tigges, der schon für damalige Verhältnisse ein zu geringes Gehalt von 150 Talern im Jahr bezog, bekam die längst fällige Zulage, außerdem eine Entschädigung von 24 Talern im Jahr für das Reinigen und Beheizen des Schulraumes.
Baumeister Fischer aus Gladbeck erhielt sogleich den Auftrag, für 2.040 Taler ein Schulgebäude mit einem Klassenraum und einer Lehrerwohnung zu errichten. Im Jahre 1865 begannen die Bau-arbeiten und im Sommer 1866 fand die feierliche Einweihung statt. Das erste katholische Schulgebäude in Herne als Repräsentation des neuerwachten katholischen Lebens war ein sichtbares Zeichen der enormen Willenskraft der zahlenmäßig noch kleinen katholischen Kirchen- und Schulgemeinde.
An Schulinventar und Lehrmitteln waren vorhanden;
16 Schultische mit Bänken, 1 Pult mit Bank, 1 Schulschrank, 1 Büchergestell, 2 Tafeln, 1 Ofen mit Kohlenbecken u. Ofenprockler, 1 Feuerschippe, 22 Tintenfässer, 1 Karte von Deutschland, 1 Karte von Palästina, 8 Zeichentafeln, 12 Lesetafeln, 1 Ermahnung zum Schutze nützlicher Tiere, 1 Leitfaden für den Turnunterricht, 1 biblische Geschichte, 1 Arnsberger Lesebuch.
Die Lehrerwohnung war so angelegt, dass ohne große Veränderungen daraus ein zweiter Klassenraum hergerichtet werden konnte.
Die neuen Raumverhältnisse wirkten sich günstig auf den Unterricht aus. So konnte der schon lange von der Regierung geforderte sogenannte Industrie-Unterricht für Mädchen eingeführt werden, wofür die Näherin Lisette Küppers eingestellt wurde.
Sie erteilte wöchentlich 1 1/2 Stunden Unterricht in Stricken, Nähen und Häkeln.
Infolge der angestiegenen Schülerzahl erschien im Jahr 1869 eine Teilung der Klasse dringend erforderlich. Die Mittel der Schulkasse reichten jedoch nicht aus, eine zweite Lehrkraft zu bezahlen. Erst als auf ein Bittgesuch hin der Bischof von Paderborn sich bereit erklärte, mit Rücksicht auf die geringe Leistungskraft der Schulgemeinde drei Jahre lang jeweils 100 Taler zu den Besoldungskosten zuzulegen, wurde gegen Ende des Jahres 1869 die Lehrerin Berta Meimberg eingestellt und die Teilung der Klasse in eine Knabenklasse und eine Mädchenklasse vorgenommen. Lehrer Tigges räumte sein größtes Wohnzimmer aus, damit die neue Mädchenklasse ein Unterkommen fand.
Ein Jahr später stieg die Zahl der Mädchen von 70 auf 100 an. Die Schule erhielt daraufhin im Winter 1871 einen Aufbau mit zwei Lehrerwohnungen, während die Lehrerwohnung im Erdgeschoß durch Umbau den beiden Klassenräumen zugeschlagen wurde. Lehrer Tigges und Lehrerin Meimberg aber sollten nicht lange Freude an der neuen Wohnung haben. Mit Errichtung der 3. Klasse im Jahre 1873 und der 4. Klasse im Jahre 1874 entstanden aus den beiden Wohnungen abermals Klassenräume.
Ein weiterer Ausbau der Schule an der Bahnhofstraße war nicht mehr möglich. Zur Unterbringung neuer Klassen musste ein Schulneubau errichtet werden. Da nach Ansicht des Schulvorstandes sich die Gemeinde Herne auf der östlichen Seite der Bahnhofstraße stärker entwickeln würde und dort auch schon zahlreiche öffentliche Gebäude vorhanden waren, bemühte man sich um ein Schulgrund-stück in dieser Gegend. Die Suche blieb leider erfolglos, weil die Grundstückseigentümer die gleiche Meinung vertraten und gesalzene Preise forderten.
Der Schulvorstand erwarb nunmehr das von dem Oekonomen L. Rensinghoff gt. Schlenkhoff angebotene Grundstück an der heutigen Neustraße zu einem annehmbaren Preis und beauftragte den Maurermeister Kraus aus Herne mit dem Neubau einer zweiklassigen Schule. Die im Saale der Gastwirtschaft Rolof untergebrachte 5, Klasse zog am 22. Mai 1878 ein. Ihr folgte zu Ostern 1879 die neue 6. Klasse.
Der erste Anbau an der Neustraße mit zwei weiteren Klassenräumen entstand im Herbst 1881.
Nunmehr besaß die katholische Schulgemeinde zwei Schulen mit jeweils 4 Klassenräumen, und zwar die Schule Bahnhofstraße mit den Mädchenklassen und dem Lehrer Tigges als Leiter, so-wie die Schule Neustraße mit den Jungenklassen und dem Lehrer Thies als Leiter. Beide Schulen hießen zukünftig "Mädchenschule" und "Knabenschule". Herne wuchs weiter und die Klassenraumnot nahm kein Ende. Die Teilung übergroßer Klassen erforderte einen weiteren Anbau mit zwei Räumen an das Gebäude der Knabenschule Neustraße, der ab Mai 1883 der Schule zur Verfügung stand.
Im Januar 1883 befanden sich bereits 805 Kinder in beiden Schulen, davon
627 aus Herne 130 aus Baukau 28 aus Horsthausen (gastweise) 18 aus Hiltrop 2 aus Holsterhausen (gastweise)

Ostern 1883 zählten zur katholischen Schulgemeinde

Seelen Hausväter Schulkinder
Herne 3281 528 638
Baukau 979 170 134
Hiltrop (Haus.Nr. 1-41 und 92-Ende) 75 12 12
zusammen 4335 710 784

Weitere 126 Kinder kamen als Gastschüler aus den Nachbargemeinden.
Im Juli 1883 erließ der Schulvorstand folgende Schulordnung:
Katholische Schulordnung 1883
Man sieht, welch strenge und gewissenhafte Ordnung damals herrschte und welche nicht gerade angenehme Pflichten das Lehrpersonal in Bezug auf die Kontrolle der Sauberkeit zu erfüllen hatte. Wer aber sollte sich auch sonst wohl darum kümmern? Schulhausmeister gab es damals noch nicht.
Trotz ständiger Erweiterung der Schulhäuser waren die Klassen durch den Neuzugang immer wieder überfüllt. Um nicht schon 1884 wieder anbauen zu müssen, kam der Schulvorstand auf den Gedanken, die auswärtigen Kinder, und zwar 28 aus Horsthausen und 3 Judenkinder, auszuweisen. Eine wesentliche Entlastung trat dennoch nicht ein, so dass die Knabenschule an der Neustraße Ende des Jahres 1884 abermals um weitere 2 Klassenräume erweitert werden musste. Sie konnte jetzt über 8 Räume gegenüber 4 ip der Mädchenschule verfügen.

Weblinks

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Quellen

  1. Vgl.: Stache 1964, S. 95ff.