Jüdischer Friedhof am Hoverskamp in Baukau

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Jüdischer Friedhof
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Bildinfo: Lage auf der Karte des Landkreises Bochum aus dem Jahre 1888
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Der Friedhof hat eine Größe von 932 qm. Ursprünglich war er ein privater Begräbnisplatz von 12 jüdischen Familien aus Herne. Dokumentiert wird dies durch eine auffällige Häufung bestimmter Familiennamen. Das Alter des Friedhofs kann nicht genau bestimmt werden. Vermutlich wurde der Friedhof 1879 eingerichtet. Diese Datierung stammt vom ehemaligen Herner Oberbürgermeister Hermann Schaefer. Der Friedhof kann aber auch älter sein, da es durchaus üblich war, abgelegene Friedhöfe viele Jahre nach der Anlegung nachträglich eintragen und genehmigen zu lassen. Gesichert ist aber, dass die alte Friedhofsmauer zwischen 1900 und 1914 angelegt wurde. Innerhalb der Einfriedung befinden sich um die 120 Grabsteine. Außerhalb der Friedhofsmauer der nordwestlichen Seite gehören drei kleine Flurstücke ebenfalls zum Friedhofsareal. Möglich, dass hier einmal eine Trauerhalle errichtet werden sollte. Die Gesamtgröße der zum Friedhof gehörenden Grundstücke beträgt 1.170 qm. Bei einer ungestörten Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Herne hätte diese Fläche den Bedarf an Grabstellen bis 1960 gedeckt. Der Friedhof ist weitgehend chronologisch angelegt, beginnend mit dem ältesten Gräberfeld am Eingang links. Die Grabinschriften verdeutlichen auf beeindruckende Weise, wie sehr die Herner Juden mit der Gesellschaft, in der sie lebten, verschmolzen waren. Selbst die ältesten erhaltenen Steine sind zweisprachig deutsch und hebräisch beschriftet. Nach der Kaiserzeit erkennt man, dass die hebräische Sprache weiter zurückgedrängt und sich häufig auf die Abkürzung für „Hier ist begraben“ und „Er/Sie sei aufgenommen in das Bündel des Lebens“ beschränkt wurde. Bei einigen Grabsteinen wurde fast gänzlich auf die hebräische Sprache verzichtet. Betrachtet man diese Steine einzeln, sind diese kaum mehr als jüdisch erkennbar.

Ähnliches lässt sich aus der Gestaltung der Grabmale mit Symbolen und Ornamenten erkennen, die spezifisch für jüdische Grabstätten sind. So wurden nur von Ostjuden die ‚zum aronitischem Segen erhobenen Hände’ verwendet, die auf die Priesterschaft der „Kohanim“ und der levitischen Herkunft verweisen; bei den übrigen Gemeindemitgliedern traten dafür Ehrenkränze und Palmwedel in den Vordergrund, die auch bei christlichen Gräbern Verwendung fanden.

Doch nicht nur die positiven Momente der deutsch-jüdischen Geschichte macht der Friedhof deutlich. Durch seine abgelegene Lage gingen Täter ein geringes Risiko ein, wenn sie diesen verwüsteten. Die erste bekanntgewordene antisemitische Schändung datiert aus dem Jahr 1898. Während der nationalsozialistischen Zeit wurden Beerdigungen von Juden auf kommunalen Friedhöfen verboten. Anfang 1942 fand für 12 Jahre die letzte Beisetzung auf den Friehof statt. Bis zum Ende des Jahres waren die letzten Juden zur Ermordung aus der Stadt deportiert worden. Kupferverzierungen und Eisenteile wurden für die Rüstungsindustrie herausgerissen.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war der Friedhof in einem desolaten Zustand. Durch die langwierige Klärung von Zuständigkeiten zur Instandsetzung und Finanzierung verging einige Zeit. Nur wenige der überlebenden Juden kehrten nach Herne zurück. Aus diesem Grund wurden die jüdischen Kultusgemeinden Bochum, Herne und Recklinghausen zusammengelegt. Der Friedhof wurde schließlich restauriert. Einige Grabsteine wurden erneuert. Der Friedhof wurde wieder zur Nutzung freigegeben und bis 1959 fanden einige Bestattungen statt. Die Mehrzahl der Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinde benutzte allerdings den Friedhof in Recklinghausen, wo auch der Sitz der neuen Synagogengemeinde war. Heute gehören die Herner Juden zur Jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen. Es finden keine Bestattungen mehr statt. Ausnahmen sind Begräbnisse in Familiengruften, die nach wie vor vorgenommen werden könnten.

Zur Ruhe kam der Friedhof leider nicht. Zwischen dem 18. April und 18. Mai 1974 drangen unbekannte Personen über die Friedhofsmauer ein und warfen 38 Grabsteine um. Einige wurden dabei irreparabel zerstört, bei anderen wurde die Inschrift für immer unkenntlich gemacht. Im Juli 1975, März 1979 und November 2007 erfolgten weitere antisemitische Friedhofsschändungen.

Trotz aller Angriffe hat der jüdische Friedhof am Hoverskamp das Bild eines Begräbnisplatzes einer jüdischen Gemeinde der Emanzipationszeit bewahren können. Um diesen Charakter zu erhalten und der Nachwelt erlebbar zu machen, wurde der Friedhof am 09.06.2008 auf die Denkmalliste gesetzt.

Objektbeschreibung:

Der Friedhof, der am nördlichen Rand der Stadt Herne gelegen ist, war ursprünglich ein privater Begräbnisplatz von 12 jüdischen Familien aus Herne. Das Grundstück wurde 1878 erworben und ging 1893 in den Besitz der mittlerweile gegründeten jüdischen Gemeinde über.

Es handelt sich um einen kleinen Friedhof auf unregelmäßigem, spitzwinkelig zulaufendem Grundriss. Die Grundstücksgröße beträgt 932 qm. Er ist zum Teil durch eine geschlossene, hohe Backsteinmauer und in Teilbereichen durch einen Maschendrahtzaun eingefasst. An der nordwestlichen Seite gehören drei kleine Flurstücke außerhalb der Friedhofsmauer ebenfalls zu der Friedhofsanlage. Möglicherweise sollte hier einmal eine Trauerhalle errichtet werden.

Die verschiedenen gestalteten Grabsteine, der älteste stammt aus dem Jahr 1881, sind entlang zentraler Wegeführungen aufgestellt. Die Grabsteine sind zum größten Teil auf der Rückseite mit Grabinschriften beschriftet. Teilweise sind auch die ältesten erhaltenen Grabsteine (zweisprachig) in hebräisch und deutsch beschriftet.

In der Nähe des Einganges befindet sich ein Gedenkstein für die während des Nationalsozialismus 1933 – 1945 getöteten Juden. Bei dem Gedenkstein handelt es sich um einen hochgestellten rechteckigen Block aus Sandsteinquadern mit einer Inschrifttafel und einer aufgesetzten Steinplatte, die eine flache Steinschale trägt.

Auf dem jüdischen Friedhof fanden bis 1942 und vereinzelt wieder 1945 – 1959 Bestattungen statt. Viele Grabsteine tragen zum Teil irreparable Spuren der Zerstörung. 1974, 1975, 1979 und 2007 wurde der Friedhof geschändet.

Die auf dem Friedhof vorhandenen 114 Gräber sind mit niedrigen Steinen eingefasst. Ca. 91 Grabsteine sind noch erhalten.

Die gesamte Friedhofsanlage mit einem alten Bestand von Büschen ist gärtnerisch von hoher Qualität.

Denkmalwert ist der gesamte Friedhof mit den Grabsteinen, Stelen, Einfassungen und den Bepflanzungen.

Begründung des Denkmalwertes:

Die frühen jüdischen Friedhöfe lagen – wie andere Friedhöfe nach dem Mittelalter auch- außerhalb der Stadt. Diese Lage lässt sich mit der Weisung erklären, dass sich die Lebenden nicht mit den Toten innerhalb der Stadtmauern aufhalten dürfen.

Insbesondere wurden Grabsteine (Mazewa) nicht nur in hebräischer Sprache beschriftet, sondern auch in der jeweiligen Landessprache. Die Beschriftung erfolgte in der Regel auf der Rückseite des Grabsteins. Eine weitere Besonderheit bestand darin, dass auf der hebräisch beschrifteten Seite des Grabsteins nicht nur der Name des Toten selbst genannt wurde, sondern auch der Name seines Vaters. Dies stellt heute für die genealogische Forschung einen unschätzbaren Wert dar. Wie der Ausdruck „Haus der Ewigkeit“ schon andeutet, ist ein jüdisches Grab für die Ewigkeit gedacht. Er wird nicht eingeebnet und der Stein bleibt bestehen. Bei Platzmangel legt man eine Schicht Erde über ein Grab und bestattet einen Toten über dem anderen. Dies hängt mit dem jüdischen Glauben an die Auferstehung der Toten zusammen.

Weil im Tode alle Menschen gleich sind, finden sich bis Mitte des 18. Jahrhunderts gleichförmige Grabsteine. Erst mit den zunehmenden Rechten jüdischer Bürgerinnen und Bürger und der Angleichung der Kulturen beginnen die Juden ebenso prunkvolle Grabstätten zu errichten, wie es auch von christlichen Friedhöfen dieser Zeit bekannt ist. Die Ausschmückung der Grabstätten hat nach 1945 allerdings wieder abgenommen.

Zwei eingravierte Hände auf dem Grabstein zeigen, dass hier ein Kohen, ein Nachfahre der Tempelpriester begraben ist. Eine Kanne zeigt das Grab des Nachfahrens eines Leviten, eines Tempeldieners, an.

Da die Toten nicht mit gärenden, säuernden oder sonstigen Nebenprodukten der Zersetzung verunreinigt werden sollen, verzichtet man auf Blumenschmuck, statt dessen werden kleine Steine auf die Grabplatten gelegt. Die Gräber lässt man mit Efeu und Gras überwachsen. Nach dem Besuch des Friedhofes wäscht man sich die Hände, weil die Nähe der Toten kultisch unrein macht. Auch für nichtjüdische Männer ist es Pflicht, auf einem jüdischen Friedhof ebenso wie in einer Synagoge eine Kopfbedeckung zu tragen (Kippa oder Hut).

Die zahlreichen Verfolgungen und Vertreibungen des Mittelalters, die unsichere Lage in der Zeit vor den Napoleonischen Kriegen, als Juden in erster Linie Objekte fiskalischer Ausbeutung durch den jeweiligen Landesherren waren, vor allem aber die unmenschliche Barbarei während der nationalsozialistischen Herrschaft haben die jüdische Sachkultur in Deutschland und in Europa zum großen Teil vernichtet. Zudem führten der wirtschaftliche Aufschwung und die kulturelle Orientierungslosigkeit in der Zeit nach 1945 zur weiteren Vernichtung zahlreicher Objekte.

Als die am häufigsten erhaltenen Selbstzeugnisse jüdischen Lebens in Deutschland können die Friedhöfe gelten, von denen in NRW noch gut 2200 vorhanden sind. Der Friedhof ist eine der wichtigsten jüdischen Gemeindeeinrichtungen. In erster Linie vermitteln jüdische Friedhöfe einen Eindruck von der jahrhundertelangen Verwurzelung jüdischer Menschen in Deutschland und von den Schwierigkeiten jüdischen Lebens. Der lange Weg zur Emanzipation und Integration ist auch an der Grabkunst, an den Texten der Inschriften, an der Lage und Größe der Friedhöfe ablesbar. Schließlich ist auch das Ende der Gemeinden, die Ermordung der Menschen in der Shoah stets präsent; unbelegte und reduzierte Friedhofsflächen, zerschlagene und zerkratzte Steine, fehlende Inschriften, gestohlene Inschriftentafeln. Auch Erinnerungstafeln und Mahnmale für die in den Konzentrationslagern und Ghettos ermordeten Familienangehörigen halten das Andenken an die vielen Menschen wach, die kein würdiges Grab gefunden haben.

Jüdische Friedhöfe sind Orte, die in religiöser, kultur- und sozialgeschichtlicher sowie genealogischer Hinsicht wertvollste Informationen bergen. Sie sind immer auch wichtige Dokumente der örtlichen Geschichte. Von daher ist der hier zur Rede stehende jüdische Friedhof bedeutend für die Gemeinde Herne und die Geschichte des Menschen. Für ihre Erhaltung liegen wissenschaftliche Gründe in religions-, kultur- und sozialgeschichtlicher sowie in genealogischer Hinsicht vor. Auch volkskundliche Gründe sprechen für den Denkmalwert. [1]

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Veröffentlichung im Wiki der Herner Stadtgeschichte mit freundlicher Genehmigung der Stadt Herne, Untere Denkmalbehörde.


Weblinks

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Quellen

Stadtarchiv Herne:

Bestand Jüdisches Leben in Herne und Wanne-Eickel, III./1.1. "Jüdische Begräbnisplätze in Herne und Wanne-Eickel", III./2.1. Friedhofskartei Hoverskamp

Archivbibliothek: "Zeichen der Assimilierung - der Jüdische Friedhof am Hoverskamp", Kurt Tohermes, in: Sie werden nicht vergessen sein - Geschichte der Juden in Herne und Wanne-Eickel (Ausstellungsdokumentation), Seiten 66 - 68, Herausgeber: Der Oberstadtdirektor der Stadt Herne, 1987

Fotosammlung

  1. Eintragung des jüdischen Friedhofes am Hoverskamp und der ehem. Direktorenvilla der Hibernia & Shamrock-Bergwerksgesellschaft Shamrockring 3, Stadtbezirk Herne-Mitte, in die Liste der Baudenkmäler der Stadt Herne gemäß § 3 Denkmalschutzgesetz. 5. Juni 2008 http://herne.ratsportal.net/bi2/vo020.asp?VOLFDNR=4049#allrisBV