Herner Friedhöfe aus vier Jahrtausende
Leo Reiners widmete am 3. November 1934 im Herner Anzeiger einen besonderen Artikel über die alten Herner Friedhöfe.[1]
Herner Friedhöfe aus vier Jahrtausenden
Wenn in diesen Novembertagen, wo die Natur ihr Sterbekleid anlegt, die Gedanken und Wege der Menschen zu den Ruhestätten der Toten, den Friedhöfen, gehen, dann denken wir meist nur an die Gottesäcker, die gegenwärtig unsere Toten bergen. Aber in der langen Geschichte unserer Herner Heimat, die weit, weit in graue Vorzeit zurückgeht— sind doch bei der Aushebung der Schleuse 6 in den Jahren des Kanalbaues sieben Faustschneider aus der Altsteinzeit gefunden worden, Werkzeuge von Menschen, die mindestens um 15.000 vor Christi Geburt hier im Emschertal wohnten—, sind manche Völker auf Hernes Boden heimisch gewesen, ihre Menschen haben hier gelebt, gesorgt, sind geboren worden und gestorben.
Der älteste von ihnen zeugende Friedhof, den wir haben, liegt bei Schloss Strünkede.
Er ist vor Jahren zum Teil ausgegraben worden, ein weiterer Teil liegt noch unter dem Spielfeld des neuen Westfalia=Sportplatzes. Auf diesem Friedhof fand man das Palisaden=Hügelgrab eines Menschen, der um 2000 v. Chr. Geb., also vor rd. 4000 Jahren, hier in Herne seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Er gehörte noch zur Jungsteinzeit, während von der darauffolgenden Bronzezeit der zweite Friedhof zeugt, den wir haben,
der Friedhof der zwölf bronzezeitlichen Grabhügel auf dem Gysenberg.
Diese Gräber konnten leider noch nicht untersucht werden, aber höchstwahrscheinlich sind es Urnenhügel aus der Zeit von 2000—800 v. Chr. Geb. Für die sich anschließende Eisenzeit müssen wir zum Strünkeder Friedhof zurückkehren. Hier fand man bei den Ausgrabungen die Urnen jenes aus Süddeutschland heraufgekommenen Volkes, das die Wissenschaft als
Urnenfelderleute
bezeichnet, wobei man die Vermutung hegt, dass es sich vielleicht um die Kelten gehandelt hat. Sie verbrannten ihre Toten, lasen nachher die weiße Knochenasche vom Scheiterhaufen und füllten sie in eine schön verzierte Urne, in die man oben ein kleines
Eine Urne vom Strünkeder Friedhof aus der Urnenfelderstufe.
(Die Aufnahme wurde bei den Ausgrabungen gemacht)
Beigefäß mit Nahrungsmitteln stellte, damit die Toten auf ihrer Reise ins Jenseits eine „Wegzehrung“ hatten. Über die Urne wölbte man einen kleinen Erdhügel. (Solche Friedhöfe der Urnenfelderstufe fand man auch in Pöppinghausen, Habinghorst und in der Mengeder Heide, der Siepenheide in Hochlarmark und der Lusheide in Erkenschwick.) Von den
Germanen,
die um 700 v. Chr. Geb. in unser Gebiet von Norden her einrückten, stammen wahrscheinlich die anderen Urnen, die auf dem Strünkeder Friedhof gefunden wurden. Für die späteren germanischen Jahrhunderte haben wir leider erst aus der Zeit von Christ Geburt ab sichere Siedlungsspuren. Der Strünkeder Friedhof ist auch hier wieder als Begräbnisstätte von Bedeutung. Charakteristisch für diese Zeit, die etwa bis zur Völkerwanderung (375 v. Chr. Geb.) reicht, sind die Brandgrubengräber. Man schüttete den Scheiterhaufenrest (Holzkohle und Knochenasche) zusammen in eine Grube, die dann mit Erde zugedeckt wurde. Diese Gräber wurden bei den Ausgrabungen sofort an der tiefschwarzen Färbung des Bodens sowie an den weißen Knochenaschestippchen erkannt.
So ist uns der Strünkeder Friedhof ein denkwürdiges und pietätheischendes Dokument jener Menschen, die um 2000 und um 800 vor Christi Geburt und in den ersten vier Jahrhunderten nach Christi Geburt hier lebten.
Wie es in den folgenden Jahrhunderten um die Begräbnisstätten unserer Herner Vorfahren bestellt war, wissen wir nicht, erste Kunde gibt uns erst wieder jenes
fränkische Grab aus karolingischer Zeit,
das an der Gysenbergstraße gefunden wurde. Es war, nach den zahlreichen ähnlichen Gräbern, die in Soest ausgegraben wurden, zu urteilen, ein sog. Holzkistengrab. Es war rechteckig ausgehoben, und in die vier Ecken war je ein Pfahl gesenkt, der mit Nuten versehen war. In diese ließ man Holzplanken ein, die die Längs= und Schmalwände des Grabes bildeten. Hier wurde dann der Sarg mit dem Toten beigesetzt. Wir haben es also mit dem ersten Grab christlicher Bestattungsart auf heimischem Boden zu tun. In ihm fand man auch eine Goldmünze Pipins des Kleinen (752—768), so dass das Alter des Grabes ziemlich gut feststeht.
Für die Folgezeit ist die alte Dionysiuskirche der Siedlungsmittelpunkt des Dorfes Herne. Um sie herum wurden die Toten bestattet. Jahrhundertelang nahm der
Friedhof auf dem jetzigen Alten Mark
im Schatten der Kirche unsere heimischen Vorfahren am Ende ihres Lebens auf. Noch heute zeugen Grabsteine im Heimatmuseum, die ins 17.—18. Jahrhundert zurückreichen und deren schönsten wir hier wiedergegeben, von dieser Begräbnisstätte.
Die Sodinger, Börniger, Holthauser und ein Teil der Horsthauser gehörten indes zum Kirchspiel Castrop, wohin ihre Toten bestattet wurden. Bevor wir auf ihre neuen heimischen Friedhöfe zu sprechen kommen, wollen wir die Entwicklung des Friedhofswesens im Dorf Herne weiterverfolgen, Bis fast in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der „Kirchhof“ auf dem Alten Markt benutzt. Im Lause der Zeit war immer wieder übereinander beerdigt worden. Schließlich war kein Platz mehr zu finden, und man sah sich gezwungen, eine neue Begräbnisstätte außerhalb des Dorfes zu suchen. Diese fand man
an der jetzigen Kirchhofstraße,
Ein reichverzierter Grabstein vom Kirchhof auf dem Alten Markt.
Die Inschrift dieses interessanten Grabsteines, der aus dem Jahre 1658 stammt und oben die Hausmarke der Familie des Verstorbenen trägt, lautet:
- Links: Anno 1658 d. 3. July ist der Erbar und Bescheidene Johan Grüter im He(rrn) entschlafen.
- rechts: Anno 16.. ist die tugendsame Catarine Nollen sein Ehehaußfrau im H(errn) entschlafen.
- unten: Ich lige und schlafe gantz mit Friden da du Her hilfst mir, das ich sicher wohne Psalm 4.
Von den Erben Schulte gen. Bergelmann kaufte man am 13. Oktober 1839 ein Grundstück auf dem sog. Dennenkamp, 2 Morgen 56 Ruten groß, für 600 Taler. Es wurde mit einer lebenden Hecke umgeben, ringsum mit Pappeln bepflanzt und mit einem an steinernen Pfeilern befestigten eisernen Gittertore versehen. Am 22. Januar 1841 erfolgte die Einweihung zum Friedhof. Die erste Leiche, die hier bestattet wurde, war das siebenjährige Söhnchen des Papiermachergesellen Dietrich Heinrich Lanfermann.
Rings um den Friedhof, an der Hecke entlang, wurden die Begräbnisstellen als Erbgruften verkauft. Der Preis für die Kölnische Rute wurde auf 25 Taler festgesetzt. Im Laufe der Zeit haben diese Gruften mehr als den ganzen Kaufpreis des Grundstückes eingebracht. Heute noch berichten die Grabmäler eines Pfarrers Saatmann, der Familien Rensinghoff, Schlenkhoff, Düngelmann, Sengenhof, Overkannp, Cremer, Koppenberg, Rembert, Lechtape, Trimbusch, Schulte=Hiltrop usw. an das alte Herne. Aber auch von den Anfängen des Bergbaus zeugt dieser Friedhof. Da ist das Denkmal „in Mermory of Isabella Griffith“, jener Irenfrau, die zu Mulvanys Zeit mit ihrem Manne aus der fernen Heimat hierherkam und in dem Lande, wo ihre Landsleute neue Zechen abteuften, starb. Da ist das Sarkophag artige Grabmal, das die Zeche Shamrock sechs braven Knappen setzte, die am 27. September 1880 „in Erfüllung ihres Berufes" bei einer Grubenkatastrophe ihr Leben lassen mussten.
Während auf diesem Friedhof die alten Herner zur letzten Ruhe bestattet wurden, blieb der Kirchhof auf dem Alten Markt noch längere Zeit bestehen. Erst im Jahre 1862 wurde er angehöht, planiert und zum Marktplatz gemacht.
Auch der neue Begräbnisplatz an der Kirchhofstraße war im Jahre 1874 schon gefüllt. Man erweiterte ihn daher durch Zukauf eines 1 Morgen 16 Ruten 42 Fuß großen Geländes nach der jetzigen Behrensstraße hin. Für dieses Stück mussten an Bergelmanns 1148 Taler gezahlt werden, während man 35 Jahre vorher für die mehr als doppelt so große Fläche nur 600 Taler gezahlt hatte, ein Beweis dafür, wie stark unter dem Einfluss der Industrie die Grundstückspreise gestiegen waren.
Dieser neue Teil war schon im Jahre 1883 belegt. Man musste sich erneut nach einem Platz für einen Friedhof umsehen, und so entstand
der zweite Friedhof an der Kirchhofstraße,
der heute noch für Erbbegräbnisse benutzt wird, während der andere Friedhof, der jetzt am meisten von der Behrensstraße aus betreten wird, eine Parkanlage geworden ist. Der zweite Friedhof an der Kirchhofstraße ist im Jahre 1905 bereits wieder belegt gewesen und musste für die allgemeine Benutzung geschlossen worden.
Inzwischen hatte auch der katholische Teil der Bevölkerung einen erheblichen Zuwachs erfahren. Nachdem die Katholiken von Herne und Baukau zuerst in Eickel, zu dem sie pfarramtlich gehörten, bestattet worden waren, wurde im Jahre 1865
an der Marienstraße
ein eigener Friedhof geweiht und in Benutzung genommen. Er mußte im Jahre 1870 nach Westen erweitert werden, war aber bereits 1891 voll belegt. Auch er ist heute Parkanlage, aber noch mehrere Grabsteine berichten von den ältesten katholischen Familien Hernes wie auch von irischen Beamten und Arbeitern, die die Zeche Shamrock mit abteufen und in Betrieb nehmen halfen.
Von 1891 ab hatten die Katholiken ihre Begräbnisstätte
an der Mont-Cenis-Straße.
Noch heute wird dieser Friedhof, auf dem Pfarrer Strickmann und manche andere verdiente Persönlichkeiten des Herner katholischen Lebens ruhen, für Erbbegräbnisse benutzt. Schon seit 1907 sind die übrigen Begräbnisplätze belegt.
Der erste kommunale Friedhof entstand in Jahre 1898
in Baukau.
Nachdem vorher die Gemeindemitglieder auf der Friedhöfen ihrer Kirchengemeinde bestattet worden waren, wurde damals ein 2½ Hektar großes Gelände, der jetzige Nordfriedhof, gekauft und im gleichen Jahre der Benutzung übergeben. Die Konfessionen erhielten gesonderte Abteilungen.
Den zweiten kommunalen Friedhof legte man 1900
in Horsthausen
in einer Größe von knapp 2 Hektar an. Es ist der jetzige Ostfriedhof an der Horsthauser Straße. Auch hier erhielten die Katholiken und Evangelischen je einen Teil des Friedhofes zugewiesen.
In Herne selbst wurde im gleichen Jahre für den
großen Kommunalfriedhof an der Wiescherstraße
ein Grundstück von 12 Hektar Größe erworben, nachdem die Stadtverwaltung mit den Kirchengemeinden ein Übereinkommen erzielt hatte. Das schnelle Anwachsen der Bevölkerung, die Kleinheit der kirchengemeindlichen Friedhöfe, ihre Lage im Innern der Stadt machten es erforderlich, einen auf weite Sicht berechneten großstädtischen Friedhof weit draußen zu schaffen. Im Jahre 1905 wurde der „Südfriedhof", von dem zunächst 3 Hektar eingefriedigt waren, in Benutzung genommen. Die erste Beerdigung fand am 1. August statt. Die Religionsgemeinschaften erhielten durch das Los bestimmte Abteilungen. Seit dieser Zeit ist der Südfriedhof mehrfach erweitert und zu einer vorbildlichen Anlage ausgestattet worden.
Im Stadtteil Sodingen
gehörten Katholiken und Protestanten zum Kirchspiel Castrop, wohin auch die Beerdigungen erfolgten. Erst im Jahre 1900, als die Gemeinden Sodingen, Börnig und Holthausen bereits hohe Einwohnerziffern hatten, wurden ein katholischer Friedhof an der Widumer Straße und ein evangelischer an der Straße „An der Linde“ angelegt. Der letztere musste aber um 1921/22 aufgelöst werden, weil er in das Gelände der sich erweiternden Mont Cenis fiel. Der katholische Friedhof wird noch heute benutzt. In Holthausen war inzwischen in den Jahren 1912/13 ein Kommunalfriedhof angelegt worden, der vor einigen Jahren erheblich erweitert wurde. Im Eingemeindungsvertrag hatte sich die Stadt Herne verpflichtet, eine Straße von Sodingen zum Herner Südfriedhof anzulegen, um Beerdigungen von den näher gelegenen Teilen Sodingens nach dort zu ermöglichen. Bis heute ist dieser Vertragspunkt allerdings noch nicht erfüllt.
Zum Schluss muss der Vollständigkeit halber noch der 1804 angelegte, aber längst nicht mehr benutzte verwahrloste kleine Friedhof der Familie von Forell an der Forellstraße und
der israelitische Friedhof in Baukau
östlich der Strünkeder Straße in der Nähe des Kanals erwähnt werden, der schon recht alt ist. Er wurde nämlich bereits 1879 angelegt. Zuerst war er in Privatbesitz, seit Jahren gehört er aber fast vollständig der Synagogengemeinde. Er wird auch gegenwärtig noch benutzt, sofern die Herner Israeliten es nicht vorziehen, ihre verstorbenen Angehörigen auf den kommunalen Friedhöfen bestatten zu lassen.
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