Künstlerzeche Unser Fritz 2/3

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Künstlerzeche Unser Fritz 2/3
Stadtbezirk: Herne-Wanne
Ortsteil: Unser Fritz
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Letzte Änderung: 11.05.2025
Geändert von: Andreas Janik

Künstlerzeche Unser Fritz

Die Künstlerzeche Unser Fritz in Herne-Wanne gilt als Pionierprojekt der Industriekultur im Ruhrgebiet und wird vielfach als die „Mutter aller Kulturzechen“ (s.u.) bezeichnet. Auf dem Gelände der ehemaligen Schachtanlage Unser Fritz 2/3 entstand ab den 1960er Jahren ein einzigartiger Ort für bildende Kunst, Musik, Literatur und kulturelle Begegnung – lange bevor sich die Umnutzung von Zechenstandorten zu kulturellen Zwecken im Ruhrgebiet etablierte.

Historie des Ortes

Die ursprüngliche Zeche Unser Fritz wurde 1871 gegründet und förderte bis 1925 aktiv Steinkohle. Auch nach dem Ende des Förderbetriebs blieb die Anlage als Bewetterungs- und Wasserhaltungsstandort sowie als Reparaturbetrieb unter Tage aktiv. Bis in die 1960er Jahre arbeiteten hier noch Bergleute, auch wenn der eigentliche Bergbaubetrieb längst eingestellt war. Im Laufe der Jahre wurden viele Gebäude umgenutzt, z. B. als Holzlager oder Werkstätten – andere standen leer.

Anfang der 1960er Jahre entdeckte der städtische Verwaltungsangestellte Helmut Bettenhausen die leerstehenden Räume für sich. Seine Idee, ein Atelier in einem ehemaligen Kauengebäude einzurichten, war damals ebenso unkonventionell wie visionär. 1964 zog er als erster Künstler auf das Gelände der Zeche Unser Fritz – und legte damit den Grundstein für das, was später zu einer der bedeutendsten Künstlerkolonien des Ruhrgebiets werden sollte.

Die Initiatoren

Helmut Bettenhausen blieb zunächst acht Jahre allein inmitten von Gewerbetreibenden und Handwerkern. Erst ab 1972 kamen weitere Künstler hinzu – darunter Peter Grzan, HD Gölzenleuchter, Karsten Knierim, Angelika Voss, Barbara Schulz-Labus und Hans Menne. Zu den langjährigen Mitgliedern der Künstlergemeinschaft zählen u. a. Werner Köntopp, Winfried Labus, Ulla Potthoff und natürlich Bettenhausen selbst. Auch Musiker wie Jens Blome (Schlagzeug) und Georg Fritz (Saxophon) fanden in den Siebziger Jahren ein künstlerisches Zuhause auf Unser Fritz.

Durch diese vielseitige Besetzung entwickelte sich die Zeche früh zu einem Ort, an dem bildende Kunst, Musik und politisches Engagement Hand in Hand gingen – oft zur Freude der jungen Kunstszene, nicht immer zur Begeisterung der Anwohner oder der Stadtverwaltung.

Entwicklung zur Kulturzeche

In den 1970er und 1980er Jahren entstanden zahlreiche spontane Ausstellungen, Lesungen, Theaterperformances und Konzerte, darunter Auftritte von Herbert Grönemeyer oder der Band Grobschnitt, die hier sogar einen TV-Clip drehte. Künstler wie Rolf Glasmeier, Heinrich Brockmeier, Kai Wunderlich oder PEATC Vossmann prägten das künstlerische Profil der Künstlerzeche.

Der erste Versuch, das Verhältnis zur Nachbarschaft zu entspannen, gelang 1978 mit dem heute legendären Heringsessen am Aschermittwoch. Dieses wuchs über die Jahre zu einer regional bekannten Tradition mit bis zu 500 Gästen – darunter Künstler, Anwohner, Politiker und Förderer.

Da sich die gewerbliche Nutzung auf dem Gelände allmählich zurückzog, wurde die Künstlerzeche immer mehr zur dominierenden Nutzung. Die Stadt Herne erkannte schließlich den kulturellen Wert der Anlage und kaufte das Gelände. Die endgültige Etablierung als geförderte Kulturinstitution erfolgte in den späten 1980er Jahren, unterstützt durch die Jusos und ihre Initiative zur Integration in die Internationale Bauausstellung Emscherpark (IBA).

Ein eigens gegründeter Förderverein Künstlerzeche Unser Fritz e. V. übernahm die Verantwortung für Organisation und Entwicklung. Mit 2,5 Millionen D-Mark Fördermitteln konnte das Areal umfassend saniert und modernisiert werden.

Gegenwärtige Nutzung

Heute beherbergt die Künstlerzeche über 20 Ateliers und mehrere öffentliche Ausstellungsräume. Künstler aller Disziplinen – von klassischer Malerei bis zu experimentellen Medien – arbeiten hier. Die Künstlerzeche versteht sich nicht als Eventlocation, sondern als Gastgeber für kulturelle Begegnungen. Neben Ausstellungen finden Lesungen, Konzerte, Workshops, Theateraufführungen und Schulprojekte statt. Die Zeche ist ein wichtiger Bestandteil des Netzwerks Industriekultur Ruhr und außerschulischer Lernort.

Zwischen Künstlerzeche und dem Rhein-Herne-Kanal etablierte sich in den letzten Jahren eine passende Gastronomie mit "Steinmeister’s Biergarten – Oskar am Kanal". Diese Gastronomie wurde in den Zeiten von Corona gegründet, um dem Unternehmen das Überleben zu sichern.

Traditionelle Termine

  • Heringsessen am Aschermittwoch (seit 1978): Gesellschaftliches Treffen mit Kultstatus
  • Offene Ateliers (Frühjahr): Einblicke in die künstlerische Arbeit vor Ort
  • Herner Kunstmarkt (Herbst): Markt für zeitgenössische Kunst und Handwerk
  • Kunst-Weihnachtsmarkt (Dezember): Kunstvolle Geschenke, Glühwein und Begegnungen
  • Sommerfeste & Konzerte: Musik, Performance und Ausstellungen bei freiem Eintritt

Ausblick in die Zukunft

Die Künstlerzeche Unser Fritz bleibt ein Ort des kulturellen Experiments und der nachhaltigen Stadtentwicklung. Geplant sind:

  • Ausbau digitaler Formate (Online-Ausstellungen, hybride Veranstaltungen)
  • Weiterentwicklung des Geländes zur künstlerischen Begegnungsstätte mit Gastronomie
  • Förderung internationaler Künstlerresidenzen
  • Intensivierung der Bildungsarbeit mit Schulen und Hochschulen
  • Pflege des historischen Erbes im Spannungsfeld zwischen Bergbauvergangenheit und Gegenwartskunst

Quellenangabe: Überlieferte Zeitzeugnisse und Recherchen zur Geschichte der Künstlerzeche Unser Fritz, ergänzt durch Informationen des Fördervereins und langjähriger Mitglieder.

Weblinks/Quellen

Litertatur

  • „Von der Kohle zur Kunst - 50 Jahre Künstlerzeche Unser Fritz 2/3“ - Eine Chronik der Jahre 2003 bis 2014.[1]

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Wolfgang Berke

Die Mutter aller Kulturzechen

Immer, wenn Helmut Bettenhausen zur Bushaltestelle ging, kam er an der Zeche Unser Fritz 2/3 vorbei. Als Angestellter der Stadtverwaltung Wanne-Eickel tat er das mindestens fünfmal die Woche. Damals, Anfang der Sechziger Jahre, wurde noch kräftig gewerkelt auf der kleinen Zechenanlage nördlich des Kanals.

Kohle wurde zwar seit 1925 nicht mehr gefördert, aber die Schachtanlage war weiterhin in Betrieb – zur Bewetterung, für die Wasserwirtschaft und den Reparaturbetrieb unter Tage.

In den nicht mehr von der Zeche genutzten Gebäuden hatten sich inzwischen andere Firmen angesiedelt. Die Kaue war längst ein Holzlager, daneben wurde an Kisten gewerkelt – und einige Räume standen leer. Die hatten es Helmut Bettenhausen angetan. Weil sich seine Neugier mit Hartnäckigkeit paarte, gelang es ihm, im ehemaligen Kauengebäude einige Räume anzumieten. Als Atelier, nicht als Werkstatt. Was die Gewerbetreibenden in einer Zeche noch nicht kannten, es aber doch ziemlich o.k. fanden.

Heute, wo etwa jede vierte ehemalige Schachtanlage eine Kultur-, Kunst- oder Künstlerzeche ist, erscheint Unser Fritz 3/4 als nichts Besonderes. Historisch be- trachtet steht man im Dannekamp aber vor der Mutter aller Kultur-Zechen. Schließlich setzte der Boom der Industriekultur erst Anfang der Achtziger ein. Helmut Bettenhausen war sich seiner Pioniertat wahrscheinlich gar nicht so recht bewusst, als er 1964 hier einzog und endlich so arbeiten konnte, wie er es sich schon lange gewünscht hatte.

Acht Jahre lang blieb er allein unter Händlern und Handwerkern. Als dann 1972 weitere Räume frei wurden, fand Bettenhausen schnell Künstlerkollegen, die gerne neue Nachbarn werden wollten. Und es waren nicht wenige, die sich in den Siebziger Jahren auf Unser Fritz ein Stelldichein gaben: Peter Grzan, HD Gölzenleuchter, Karsten Knierim, Angelika Voss, Barbara Schulz-Labus oder Hans Menne gingen irgendwann wieder, andere kamen hinzu und einige blieben (fast) die ganze Zeit auf Unser Fritz: Werner Köntopp, Winfried Labus, Ulla Potthoff zum Beispiel. Und natürlich Helmut Bettenhausen.

Neben Grzan hatten in den Siebziger Jahren noch andere „Bildende“, die nebenbei Musik machten, ihr künstlerisches Zuhause auf Unser Fritz: der Schlagzeuger Jens Blome z.B. oder der Saxophonist Georg Fritz. Klar, dass es in der Künstlerzeche bald nicht nur Bilder, sondern auch Musik gab. Zu den ersten, noch ziemlich spontanen Kunstausstellungen und Aktionen gesellten sich bald Rock- und Jazz-Konzerte. Mit sehr unterschiedlichen Reaktionen. Begeisterung bei den jungen Leuten, die nicht nur aus Downtown-Wanne-Eickel sondern bald aus dem gesamten Ruhrgebiet zum Dannekamp pilgerten. Und mit deutlich weniger Begeisterung bei den Anwohnern, in deren friedliche Enklave nördlich des Kanals plötzlich ziemlich viele Autos und ziemlich laute Rhythmen eindrangen.

Schnell machte sich die Künstlerzeche einen überregionalen Namen als Top-Adresse für alle Arten von Kunst und Kultur. Hier sah man Bilder, Skulpturen und Installationen von Künstlern wie Rolf Glasmeier, Heinrich Brockmeier, Kai Wunderlich oder PEATC Vossmann, hier lasen Autoren und hier spielten Mitglieder renommierter Theaterensembles. Hier saß ein Herbert Grönemeyer am Piano und die Band Grobschnitt drehte auf Unser Fritz einen TV-Clip. Dazwischen immer wieder Ausstellungen und Auftritte talentierter Wanne-Eickeler und Künstler aus den Nachbarstädten. Dabei hatte sich die Zeche Unser Fritz nie als Veranstaltungszentrum gesehen. Eher als Gastgeber.

Und in dieser Funktion hatten die Künstler vonne Zeche auch eine gute Idee, was die Anwohner betraf: Am Aschermittwoch 1978 bekamen die Dannekämper eine Einladung zum Heringsessen in den Räumen der Künstlergemeinschaft. Da man sich beim gemeinsamen Futtern besser kennen lernen und manche Vorbehalte ausräumen konnte, gab’s dann jedes Jahr Hering für alle. Und so kamen nicht nur Anwohner, sondern bald auch Freunde und Kollegen, Politiker und Beamte: Kaum zu glauben, aber mittlerweile gibt es 500 davon. Scheinen also zu schmecken, die Heringe auf Unser Fritz.

Weil in den Siebzigern und Achtzigern immer weniger Zechenbetrieb auf der Zeche herrschte und auch das Kleingewerbe fortzog, waren die Künstler bald allein auf dem Gelände, auf dem immer noch die zwei Fördertürme standen. Das, was die Bergwerksleitung von den Künstlern an Miete bekam, deckte keinen großen Erhaltungsaufwand, und so verschwanden dann irgendwann die Fördertürme und andere Zechenbauten. Aber bevor die Bergwerksleitung auf weitere dumme Pläne kommen konnte, kaufte die Stadt Herne die Künstlerzeche.

So ganz selbstverständlich war dieser Schritt allerdings nicht. Schließlich hatten anfangs weder die Stadt Wanne-Eickel noch die Stadt Herne (nach 1975) es verstanden, die Künstlerzeche zu einem kulturellen Aushängeschild zu machen. Nein, so manches Mal war den Stadtvätern die Existenz der Künstlerzeche und das, was auf ihr passierte, so gar nicht recht. Schließlich mischten sich Künstler und Besucher von Unser Fritz nicht selten auch politisch ein. Und sagten was anderes, als das Rathaus gerne hören wollte.

Ende der 80er Jahre gaben dann die Jusos ein paar Impulse: Unser Fritz wäre doch ein tolles Projekt für die Internationale Bauausstellung Emscherpark (IBA). Und so landeten die Wanne-Eickeler irgendwann auf der Matte von Wolfgang Clement, damals noch Leiter der Staatskanzlei NRW. Und dort erfuhren sie, dass man erst mal einen Verein gründen solle, sonst ginge gar nichts.

Dies war der Anstoß für den Förderverein der Künstlerzeche, der auch heute noch die Geschicke des Pütts lenkt. Und auch der Anstoß für eine seriöse Förderung des ramponierten Zechenbaus und seiner Nutzung. 2,5 Mio. Mark wurden dann in einer langwierigen Sanierungsphase verbaut. Jetzt strahlt die Künstlerzeche in frischem Glanz. Ungehindert, denn das auf Unser Fritz zuletzt wild wuchernde Grün ist verschwunden. Drinnen ist es jetzt nicht nur nett – sondern fast richtig chic. Ein feiner Rahmen für die Ausstellungen, von denen jährlich mindestens vier stattfinden. Alle Künstler haben mittlerweile richtig gediegene Klingelschilder, eine neue Fußgängerbrücke verbindet den Dannekamp mit dem Rest der Welt (sprich: Wanne-Eickel) und das einzige, was jetzt noch fehlt, ist eine integrierte oder benachbarte Gastronomie, damit Besucher noch einen Grund mehr hätten, die Zeche am Kanal anzusteuern.


Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors [2]
Der Text wurde für das Wiki redaktionell bearbeitet. Er stammt aus dem Jahr 2005

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Einzelnachweise

Künstlerzeche Unser Fritz 2/3