Die Herner Mark (1935 I Reiners)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 20. Juli 1935 veröffentlichte Leo Reiners im Herner Anzeiger ein Artikel über die Herner Mark. [1]

Die Herner Mark

Die Gemeinheitswälder der Herner, Hiltroper und Berger Eingesessenen.- 32 Teile werden aufgeführt.- Sie reichten bis fast an den Hellweg.- Interessante Einblicke in die Entstehung der Herner Gemeindegrenze.-— Irrtümliche Auftassungen über die Herner Mark zu germanischer Zeit.


I

Der größte und wertvollste Gemeinheitsbesitz war die sog. Herner Mark. Darunter versteht man heute noch Waldungen im Süden der Stadt (hauptsächlich das bewaldete Gebiet bei der Tagesheilstätte und den Constantiner Busch). Diese Waldungen waren früher erheblich größer, ja sie waren überhaupt nur ein Teil der Herner Mark. Sehr Wertvolles berichtet über die Mark Pastor Dransfeld in seiner „Geschichte der evgl. Gemeinde Herne". Ihm hat sogar ein sog. Markenbuch aus dem Jahre 1762 vorgelegen, das leider seit dieser Zeit wieder verschollen ist. Im ersten Abschnitt dieses Markenbuches waren der Umfang und die Grenzen der Mark beschrieben, im zweiten waren die Markgenossen namhaft gemacht, der dritte handelte von den „Markgerechtigkeiten“. Die beiden ersten Abschnitte hat Dransfeld, angeblich weil das Markenbuch für eine Veröffentlichung im Rahmen seiner Arbeit zu umfangreich war, übergangen. So würde uns jede Nachricht über

die Ausdehnung der Herner Mark

fehlen, wenn nicht die Aufteilungskarte aus dem Jahre 1769, die der verstorbene Schulte=Hiltrop dem Heimatmuseum schenkte, und eine Schätzung der einzelnen Teile der Herner Mark vorhanden wäre, die wir bei Schulte zu Bergen auf dem Diederichshof (Rötger) gefunden haben.

Diese Schätzung wurde in 15 Tage langer Arbeit „ingefolge Commissorial=Befehl“ von den „besonders authorisirten aestimatores" Johan Jürgen Koch, Johan Anthon Tröscken, Johan Rötger zu Bergen und Johan Jürgen Kremer aufgestellt. Sie enthält nicht weniger als 32 Teile der Herner Mark, die nach der Qualität des Grundes und des aufstehenden Gehölzes abgeschätzt sind. Aus ihnen geht (wenn man anhand der einschlägigen Katasterurkarten und Urhandrisse die alten Flurbezeichnungen, die wahrscheinlich auch Dransfeld die Wiedergabe der Grenzbeschreibung verleideten, einigermaßen geklärt hat) hervor, dass das Gebiet der Herner Mark im südlichsten Teil der Gemeinde Hiltrop anfing. Dort war es ein Wald, der von Schulte am Güstenberge bis Grümer und darüber hinaus bis jenseits der Landstraße von Herne nach Bochum reichte, die hier die Landstraße von Eickel nach Bochum aufnahm und dann in den Hellweg, der noch heute als Castroper Straße vom Bochum kommt, mündete. Dieser Wald, von dem heute noch ein großer Teil vorhanden ist, wurde im Süden durch einen zugleich die Grenze Hiltrops gegen Grumme bildenden Bach begrenzt, der die Hoddenbecke hieß. Das Waldgebiet selbst hieß die Grume (Grüter — es handelt sich um die heute in Herne wohnende Familie — hat von dieser Flur ihren Namen). Der Wald reichte nicht fest an die Landstraße Herne—Bochum heran, sondern ließ noch einen schmalen Ackerstreifen, den Lökskamp, westlich der Straße frei, während am östlichen Straßenrand sogleich das restliche Waldstück, „in den Löken“ genannt, sich anschloss.

Der zweite Waldkomplex der Herner Mark lag in der Nähe, in Bergen. Er ist heute unter Zillertal bekannt. Allerdings handelt es sich nicht um die Waldpartien von der Wirtschaft Zum Zillertal an der Zillertalstraße an — das war Riemer Gebiet (auf der Teilungskarte steht dafür „Bauerschaft Marmeshagen, Hoffstede und Holsterhausen ihr Gehöltz") —, die Herner Mark begann erst weit das Bachtal hinauf an der Berger Mühle. Der von hier nach Nordosten und Südwesten ausstrahlende Wald hieß „Die Wanne“ (wahrscheinlich von Winden, also Windung, Biegung; die Flur „in der Wanne" hieß auch ursprünglich „in der Wande"), hier war Herner Mark. (Schulte zu Bergen erhielt bei der Aufteilung Waldstücke in der „vordersten", „mittelsten“ und „hintersten Wanne".)

Herne-Süd-1823-Reiners-1935.jpg

Das dritte größere Waldgebiet der Herner Mark lag zwischen dem Dorf Hiltrop und dem Gysenberg. Es ist zu einem großen Teil noch als Hiltroper Volkspark erhalten. Im südlichen Teil trug es die Flurbezeichnung „Hundell", im nördlichen an der Landwehr und darüber hinaus bis zu dem Fuß des Gysenberges bzw. dem die Mark= und Gemeindegrenze bildenden Bach, der zu den Gysenberg=Teichen fließt, den Namen „Koepenhege". Der nördlich der Landwehr gelegene Teil der Koepenhege, der heute verschwunden ist, einstmals aber in den Gysenberger Wald überging, hieß auch „in den rauhen Erlen“. Das Hiltroper Gebiet der Mark war im Übrigen durch Wiesen, Waldausläufer und Privatbesitz auseinandergerissen. Daher zählt die Schätzung auffallend viel Hiltroper Stücke auf. Von diesen nennen wir noch: die Voßkuhle, das Brenholz (— Im Branholte) und den „Ramberg“, (die südliche Koepenhege lag zwischen Ramberg und Landwehr).

Der größte Teil der Herner Mark lag aber unstreitig auf Herner Gebiet. Unsere Karte lässt diese Partien noch gut erkennen. Das Hauptstück, heute Constantiner Wald genannt, liegt zwischen Berg= und Wiescherstraße. Von Nordosten nach Südwesten schnitt ein breiter Ackerstreifen hinein, der die Flurbezeichnung „In der Krone" führte. Diese Waldlücke ist von der hier entstandenen Zeche Constantin 4/5 erheblich nach Osten und Süden erweitert worden. Früher setzte sich der Wald in einer Brücke nach Osten über die Wiescherstraße fort, so daß der Hohlweg der Wiescherstraße mitten durch den Wald führte. Heute steht hier die Kolonie von Constantin. Auch in dem seltsamen, und, wie die Karte zeigt, sehr alten Zipfel der Gemeinde Herne in die Gemeinde Hiltrop hinein ist der Wald mächtig zusammengeschrumpft (teilweise durch die Zeche Constantin 10. Dort, wo die Tagesheilstätte angelegt ist, hat die Stadtverwaltung jedoch viel getan, um Altes zu erhalten und Verschwundenes zu ersetzen.— Südlich der Vödestraße ist leider der Wald der Herner Mark ebenfalls fast völlig verschwunden. Von dem, was die Karte von 1823 noch enthält, ist nur der westlichste Teil (an der Flur „Wipperkern") erhalten geblieben. Im Bereich der stillgelegten Ziegelei und der Verlängerung der Bergstraße (Vödestraße nach Bergen) ist kein Baum mehr vom alten Markenwald vorhanden.

— Zur Herner Mark gehörten auch die kleinen Waldstücke „im Wietel“, von denen nur noch das östliche steht, und das Düngelbruch. Das heutige Düngelbruch ist nur noch der vierte Teil von dem Waldgebiet, das sich einst südöstlich an Weusthoffs wasserumwehrtes Besitztum anschloss. Indes war im wesentlichen nur das heutige Düngelbruch Markenwald, das übrige war Weusthoffs Privatbesitz. Schließlich gehörte zur Herner Mark noch das Waldstückchen östlich des Hofes Sehrbruch und nördlich der „Feldstraße", wo heute der Kotten von Springkämper liegt. Dieser Wald trug wie die Weiden die Bezeichnung Sehrbruch. Außerdem nennt die erwähnte Schätzung noch „ein Plätzgen vor Jaspars Hoff in Herne"(Jaspers Hof lag am Steinweg).


Damit haben wir die Mark zwar im Wesentlichen gekennzeichnet, doch haben zu ihr auch noch andere, nicht bewaldete Teile gehört. So heißt es in den Prozessakten über das Bredenfeld — einen Heidedistrikt, der sich an den Constantiner Wald nahe der Wiescherstraße nach Süden anschloss und von dem die Kläger behaupteten, er habe zur Herner Mark gehört —, nach der 1773 abgeschlossenen Teilung der Herner Mark, von der die eingangs genannte Schätzung und Teilungskarte handeln, hätten sich die Herner Eingesessenen darüber beschwert, dass einige wichtige Stücke der Herner Mark noch nicht zur Teilung gelangt seien. Schließlich ist Beweis dafür noch ein Kaufbrief aus dem Besitz von Schulte zu Bergen, wonach acht Interessenten der Herner Mark (Koch, Jürgen Hentrey, Diderich Grüter, Henrich Vedder, Joh. Henrich Flasche, Dierich Dux, Friedrich Wilhelm Hane und Beul) am 15. Januar 1782 „der Bauerschaft Berge, nahmens Schulte, Rötger et Grüter, unsern zugetheilten Antheil, den sogenannten Dreck, zur Herner Markt gehörig, Erblich und ewig verkauft haben für die Summe ad 100 rt, welche wir baar empfangen uno zu bezahlung der Kosten zur Markentheilung hinwiederum verwendet haben". Die Flur „auf dem Dreck“ war das „Dreieck“ im Winkel von Flottmann= und Vödestraße.

War die Herner Mark einst ein großer germanischer Urwald?

Die Tatsache, dass auch unbewaldete Grundstücke zur Herner Mark gehört haben, lässt die Vermutung aufkommen, dass die Mark einmal viel größer war und ganze Teile davon im Laufe der Jahrhunderte abgeholzt wurden. So scheinen auf den ersten Blick die Freiflächen „im Düngelorte" und „in der Krone" erst später in den Wald hineingeschlagen zu sein, und wenn man bedenkt, dass große Teile der Herner Mark südlich des die Stadtgrenze im Süden bildenden Höhenzuges in Bergen und Hiltrop lagen, dass noch 1823 der Wald im Zillertal durch „Stembergs Gehölz“ sich direkt an die Waldecke auf Herner Gebiet am „Wipperkern“ anschloss, so könnte man leicht zu der Auffassung kommen, die Anfänge der Herner Mark hätten in einem germanischen Urwald bestanden, der sich vom Zillertal (bis zum Güstenberge) über ganz Bergen und durch das nördliche Hiltrop erstreckte und dort in den Gysenberger Wald überging. Auf Herner Gebiet habe er sich bis zum Düngelbruch erstreckt. Diese Auffassung ist aber keineswegs mehr als eine kühne Fantasie. Die Wirklichkeit spricht eine andere Sprache. Wenn auf den Höhen südlich der Vödestraße jungsteinzeitliche Menschen (die Jungsteinzeit rechnet von 6—2000 v. Ch. G.) gewohnt haben, wenn die drei. Berger Höfe vielleicht schon 1000 Jahre oder mehr hier liegen, wenn nirgendwo eine dicke Humusschicht als (an sich doch zu erwartende) Spur eines jahrtausendealten Urwaldes gefunden wurde, dann sind das Beweise dafür, dass wir es bei der Herner Mark eben nicht mit einem Rest gewaltiger, undurchdringlicher germanischer Urwälder zu tun haben. Noch deutlicher aber spricht dafür der Verlauf der Gemeindegrenzen. Die Südgrenze der Gemeinde Herne ist nämlich seit Jahrhunderten und noch heute durchweg zugleich der südliche Waldsaum. Nur am Zipfel nach Bergen geht der Wald an zwei Stellen ein wenig über die Grenze hinaus, ferner ist die Ostgrenze des großen Zipfels nach Hiltrop — dessen Form eben durch den Wald erklärt wird — nicht der Waldsaum, sondern der Bach, so dass der Wald an der anderen Bachseite noch einen schmalen Streifen auf Hiltroper Gebiet, die „Schragenhecke", bildete. Auch hing an der südöstlichsten Ecke des Zipfels noch wie ein Wurmfortsatz ein Stückchen Wald, das „in den Wieken“ hieß und auf Hiltroper Gebiet lag. Heute befindet sich dort die Zeche Constantin 10.

Beweiskräftiger noch dürfte die Form der Markenwirtschaft sein. Mit größtem Eifer wachten die Markgenossen darüber, dass kein Raubbau an dem Walde betrieben wurde. Besondere Aufseher (Holtschermen) gaben an, welche Bäume gefällt werden durften. Die Abholzung ganzer Partien und ihre Umwandlung zu Ackerland hätte kein einzelner vollbringen können, dazu bedurfte es der Genehmigung der ganzen Markgenossenschaft.

Wir werden also sagen können, dass die Herner Mark seit germanischer Zeit — denn die Marken als Gemeinheitswald gehen mindestens auf die Zeit der Sesshaftmachung der Germanen in unserem Gebiet zurück — im Wesentlichen in der Form und dem Umfang bestanden hat, wie der Wald 1823 bei der Katasteraufnahme noch vorgefunden wurde. Was zwischen der Teilung im Jahre 1773 und dem Jahre 1823 abgeholzt ist, kann nur unbedeutend sein, denn zwischen der Teilungskarte des Landmessers Schaerer, die das Datum von 1769 trägt, und den Katasterurkarten von 1823 finden wir keinen wesentlichen Unterschied in der Wiedergabe der Waldungen. Daher hat auch Dransfeld Unrecht, der 1875 schrieb: „Die Herner Mark ist bereits im vorigen Jahrhundert geteilt und der reiche Holzbestand, welcher früher von der östlichen Seite des Dorfes beginnend, sich durch Sodingen südlich bis an die Grume und westlich bis an die Riemker Grenze erstreckte und nur wenig durch Aecker und Weideland unterbrochen war, ist jetzt auf einen schmalen Streifen beschränkt, wo das steil ansteigende und hügelige Terrain die Anwendung der Pflugschar nicht gestattet.“ Wohl mag 1875 die Abholzung der Mark schon erschreckende Fortschritte gemacht haben, und es wird schon stimmen, wenn Dransfeld fortfährt: „und auch diese Waldung wird bei dem hohen Preise, welchen das Holz in den letzten Jahren erreicht hat, von den einzelnen Besitzern immer mehr gelichtet.“ Was wir heute noch von der Herner Mark besitzen, sind auf Herner Gebiet nur relativ klägliche Reste, bloß in Bergen („Zillertal") und Hiltrop („Grume“ und Volkspark) ist sie in stattlicherer Form erhalten geblieben.

Dr. L. Reiners.

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Quellen