Als Herne noch Dorf war (Schaefer 1923)
Am 29. Dezember 1934 wurde in der Jubiläumsausgabe zum 50. Bestehen der Herner Zeitung ein Text von Hermann Schaefer über die alte Zeit veröffentlicht. Ein Zeitzeuge berichtet also, nicht ohne sich selber für seine Taten und seinen Weitblick selbst zu loben![1]
Als Herne noch Dorf war
Von Oberbürgermeister a. D. Schaefer.
Als ich 1879 nach Herne kam, erschien die Herner Zeitung seit 7 Jahren. Später habe ich das 25jährige Jubiläum des Blattes mitgefeiert. Und nun bin ich seit 43 Jahren Abonnent, mithin wohl einer der ältesten Bezieher. Herzlich wünsche ich mit vielen Mitbürgern der Herner Zeitung zum 50jährigen Erscheinen ein weiteres Blühen und Gedeihen.
Die Zeitung hat mich gebeten, für ihre Festnummer einen Aufsatz zu schreiben über die Verhältnisse im ehemaligen Dorf Herne. Die Schriftleitung meint, dass die damaligen Zustände der heutigen Bürgerschaft zum größten Teil unbekannt seien und glaubt, dass ich zu einer derartigen Beschreibung besonders geeignet erscheine, weil ich mit den früheren Verhältnissen besonders vertraut sei. Ich komme diesem Wunsch gerne nach. So ganz leicht ich das nicht, denn wenn ich mit Namensnennung schildern wollte, wie der Eine oder Andere der damaligen Gemeinde=Vertretung der Entwicklung von Herne durch Abwehr von Neuerungen hinderlich gewesen ist, so könnten die Kinder oder Enkel der Entschlafenen sich verletzt fühlen. Und ich will doch wahrhaftig Niemanden wehe tun. Aus diesem Grunde muss ich Manches für mich behalten und mit mir sterben lassen.
Es darf aber nicht vergessen werden, dass auch diese Gemeinde=Verordneten — im Volksmund „Gemeinderäte“, genannt — ehrenfeste Männer waren. Ihre Beschlüsse ergaben sich aus den damaligen Verhältnissen. Jahrhunderte lang saßen die Landwirte auf ihren Höfen. Die Gemeinde=Angelegenheiten waren größtenteils ihre eigenen Angelegenheiten, und die wollten sie selbst verwalten. So ist es erklärlich, dass sie in den Gemeinderat nur ihre eigenen Leute entsendeten.
Meine Behauptung, dass Herne mächtig heranwachsen und eine größere Stadt werden würde, fand keinen Glauben.
Dass die Zusammensetzung des Gemeinderats nicht immer den Willen der übrigen Einwohner wiederspiegelte, daran war das Dreiklassenwahlrecht schuld. Über dieses Wahlrecht will ich hier keine Worte verlieren. Dem Reichskanzler und preußischen Minister=Präsidenten v. Bethmann-Hollweg sollte es unvergessen sein, dass er der erste preußische Minister war, der die Beseitigung dieses Unrechts vorschlug.
Die Sitzungen des Gemeinderats waren nicht öffentlich. Berichte über sie der Kritik zugänglich zu machen, wurde fast als Vertrauensbruch betrachtet. Erst als der damalige Besitzer der Herner Zeitung, Herr Kartenberg, in den Gemeinderat kam und über die gefassten Beschlüsse in seinem Blatt berichtete, begann die Bürgerschaft sich mehr wie früher für die Entschließungen ihrer Vertretung zu interessieren. Das war ein großer Fortschritt.
Als die Industrie in Herne festeren Fuß fasste, strebte sie Gleichberechtigung mit den Alteingesessenen an. Daraus entstand ein erbitterter Kampf zwischen beiden Teilen. Ein solcher Streit tobte übrigens nicht in Herne allein, sondern im ganzen jetzigen Kohlenrevier. Die Alteingesessenen betrachteten die Industrie als Eindringling, der die Lasten für Schulen, Wegebau und Armen=Unterstützungen vermehrte. In Herne wurde in den Gemeindewahlen heftig gekämpft unter dem Feldgeschrei: hier Dorf, hier Industrie. Allmählich gelang es aber der Letzteren, die erste der drei Wahl=Abteilungen, mithin ein Drittel der Gemeinderatssitze zu erobern. Neben dem bereits genannten Herrn Kartenberg war es in hervorragender Weise Herr Direktor Papentin von Shamrock, der für den Fortschritt auf allen Gebieten des kommunalen Lebens tätig gewesen ist. Herne verdankt diesen beiden Männern mehr, als die heutige Bürgerschaft weiß.
Wie sah Herne um 1880 aus?
Beginnen wir mit den Straßen. Die Mehrzahl der jetzigen Straßen bestand noch nicht. Die vorhandenen waren in kläglichem Zustand. Nur der Steinweg und die Rosenstraße besaßen Pflaster. Einzig die Bahnhofstraße war chaussiert. Die Festigung der übrigen „Straßen“ erfolgte durch Kohlenasche. Nur bei Frostwetter konnte man von Straßenfestigung sprechen. Gepflasterte Rinnen fehlten fast überall. Eine geordnetee Abführung der Straßen= und Hauswässer mangelte gänzlich. Im Winter trug man — auch die Geistlichkeit — hohe Stiefel. Abends half man sich mit Schaffnerlaternen oder Wetterlampen. Wer von „Kanalisation“ sprach, wurde als Geldverschwender angesehen. Und dabei stand zur Winterzeit in den Kellern der meisten Häuser das Wasser!
Als ich kurz nach meinem Amtsantritt die Pflasterung des „Juckwegs“, der jetzigen v. d. Heydtstraße, vorschlug, ging der Gemeinderat zu meiner Freude auf diese Anregung ein, förderte dann einen alten Kostenanschlag zu Tage und lehnte die Sache als zu teuer ab. Man hatte mich hereinfallen lassen.
Zu beiden Seiten der Bahnhofstraße liefen Gräben her, gefüllt mit Morast. Ausgediente Eisenbahnschwellen wurden als Brücken benutzt, auch bei den Gasthöfen Schlenkhoff und Schmitz. Ab uno zu fielen Leute in den Morast.
Im Laufe längerer Zeit gelang es mir nach und nach das Zuschütten der meisten Straßengräben und deren Ersatz durch Rinnenplasterung herbeizuführen. Bordsteine und gefestigte Bürger steige erzielte ich erst später.
Es fehlte damals eine fahrbare Verbindung zwischen Bochumer, und Shamrockstraße. Als ich aus diesem Grunde die Anlegung der Gräff Straße mit nur einer Stimme Mehrheit durchsetzte, entstand eine große Aufregung über solch unerhörte Neuerung.
Die Anlegung der Bismarckstraße in Baukau gelang mir mit Hilfe des einflussreichen Lehers Hegenberg. Die Herstellung der Roonstraße in Horsthausen glückte durch eine Verwaltungsstreitsache zwischen Gemeinde und Polizei. Die notwendige Verbindung beider Wege durch eine von mir geplante Moltkestraße (nicht zu verwechseln mit der jetzigen Straße gleichen Namens unterblieb, weil jede Gemeinde der anderen die Kosten aufbürden wollte.
Auch das Hochbauwesen lag im Argen. Der Gemeinderat war nicht für den Erlaß einer Bauordnung zu gewinnen. Man hielt aber auch in der Bürgerschaft die notwendigsten Vorschriften für einen ungehörigen Eingriff in Privatrechte. Von diesem falschen System geben noch heute viele Häuser Zeugnis, die nur zwei Meter voneinander entfernt stehen. Die nach solch engem Zwischenraum angelegten Fenster geben ganz ungenügendes Licht. Erst nach vielen Jahren gelang es, Vorschriften durchzudrücken, die gesündere Wohnungen erzielten.
Als ich 1880 die Einführung der Bochumer Wasserleitung nach Herne vorschlug, stimmte der Gemeinderat nur zu, weil Bochum die Kosten der Einführung übernahm. Die Bürgerschaft sagte: „Wir haben Pumpen“ und die Zechen lehnten den Anschluss ab!
Herne besaß 1879 außer seinem jetzigen Bahnhof noch drei andere, nämlich die Bergisch=Märkische Personen=Station an der v. d. Heydtstraße für die Strecke Herne—Riemke—Bochum, ferner einen Güterbahnhof am Grenzweg und endlich den Westfälischen Güterbahnhof bei Strünkede. An der Stelle des Letzteren befindet sich jetzt der alte Hafen. Noch heute ergreift mich eine grimme Wut, wenn ich daran denke, in welcher fast unglaublichen Weise die staatlichen Eisenbahnbehörden jahrzehntelang den Umbau des Bahnhofes unterließen. Eine ganze Schiebkarre voll Herner Akten beweist die mangelnde Einsicht dieser Behörden in die Notwendigkeit des Umbaues, der dreißig Jahre zu spät erfolgte.
Es waren s. Z. noch zwei Eisenbahnlinien für Personenverkehr geplant: Die erste von Bochum durch Altenhöfen und Horsthausen nach Recklinghausen, die zweite von Bochum durch den Güterbahnhof am Grenzweg über Baukau nach Recklinghausen=Süd. Nach der Verstaatlichung der preußischen Eisenbahnen zog der Fiskus die bereits erteilten Genehmigungen zurück, die er nun hätte selbst ausführen müssen. Meine Gegenvorstellungen blieben unbeachtet.
Der Gemeinderat lehnte leider 1881 und später meinen Vorschlag ab, eine Straßenbahn von Herne nach Bochum zu erbauen. Wäre sie damals zustande gekommen, dann würde sie die erste in Westfalen gewesen sein. Der Gemeinderat war übrigens bei seiner Beschlussfassung das Echo der Bürger, die ein solches Verkehrsmittel teils für unnötig, teils für die Ladengeschäfte schädlich hielten. Erst 1891 wurde die Linie hergestellt. Und nun schloss man Herne von der Beteiligung am Unternehmen aus! Die übrigen Straßenbahnen fanden die Zustimmung des Gemeinderates bzw. der Stadtverordneten, mit Ausnahme der Linie Herne Höntrop. Der Landkreis Gelsenkirchen wollte Herne nicht Sitz und Stimme in der Bahnverwaltung einräumen und baute 1907 die Strecke über die Bismarck= zur Strünkederstraße in dem damals noch nicht nach Herne eingemeindeten Baukau, während Herne mit Recht an der Verwaltung beteiligt sein und die Schienen von Eickel aus durch die v. d. Heydt= oder die Shamrockstraße geführt haben wollte.
Den letzten Personen=Postwagen habe ich 1889 von Herne nach Recklinghausen abfahren sehen. Ein derartiges Verkehrsmittel im Indutriegebiet klingt heute wie ein Märchen.
Auch bezüglich des Postwesens kann den höheren Behörden der Vorwurf nicht erspart werden, dass es ihnen an Voraussicht mangelte. Ich schlug um 1893 der Oberpostdirektion die Errichtung eines neuen Postamtsgebäudes in der Nähe der Neustraße vor. Man baute aber 1895 an der unteren Bahnhofstraße, obgleich ich darauf hinwies, dass das betreffende Gebäude zu Bahnhofszwecken notwendig sei. Man riss bereits 1909 das Haus wieder ab und errichtete die jetzige Post — in der Nähe der Neustraße! Welche Kurzsichtigkeit und Geldverschwendung!
Bei Herstellung des sogenannten „Dortmund Ems Kanals“ (1893—96) fand ich weder in der Bürgerschaft noch bei der Industrie den Resonanz Boden für meine Bestrebung, die amtliche Bezeichnung dieser Wasserstraße als „Kanal Herne, Nordsee“ in Berlin durchzusetzen. Auch misslang mir, den Staat oder die Gemeinden zu bewegen, einen Bahnanschluss zum geplanten Hafen in Baukau vorzusehen. Damit fiel auch meine Absicht ins Wasser, zwischen dem Hafen und der geplanten Moltke Straße (nicht zu verwechseln mit der jetzigen Straße gleichen Namens) große Lagerplätze zu errichten. Diese Unterlassung ist jetzt nicht mehr nachzuholen, weil inzwischen das Gelände anderweitig bebaut worden ist.
Wie bereits erwähnt, lehnte jahrelang der Gemeinderat die Herstellung einer Kanalisation ab. Endlich gab er nach. Nun forderten die beteiligten Ministerien eine Klärung aller Abwässer vor deren Einführung in die Emscher. In dem Verhandlungstermin schlug ich vor, man müsse nicht nur diejenigen Gemeinden, welche kanalisieren wollten, zur Klärung verurteilen, sondern alle Vorflut Interessenten im gesamten Gebiet der Emscher zu gleichmäßigem Vorgehen veranlassen oder zwingen.
Diese neuen Ausführungen fanden höheren Orts Beachtung. Der Gedanke der Gründung eines Verbandes nahm feste Gestalt an und wurde 1903 in die Form eines Gesetzes gegossen. So entstand die „Genossenschaft zur Regelung der Vorflut und zur Abwässer Reinigung im Emschergebiet".
Ohne die Emscher=Regulierung würden Herne und mit ihm zahlreiche Gemeinden im Schmutz versumpfen und bedenkliche Seuchenherde bilden.
Es fehlte in Herne ein Krankenhaus. Wenn jemand Unfall erlitten hatte, musste der arme, oft schwerleidende Mensch nach Bochum gefahren werden. Welche Qual! Herne besaß zwar ein zum Lazarett vorgesehenes Grundstück an der Neustraße, die Liegenschaft war aber zu klein und auch sonst ungeeignet. Dem Gemeinderat erschienen die Kosten für ein kommunales Krankenhaus unerschwinglich. Da traten zuerst der katholische Pfarrer Strickmann und dann der evangelische Pfarrer Dransfeld in die Bresche und errichteten die noch heute bestehenden, inzwischen mehrfach vergrößerten beiden Krankenhäuser. Mit herzlicher Freude arbeitete ich, soweit es mir zustand, an diesen Werken der Nächstenliebe mit. Wie manches Menschenleben ist dort durch die Kunst der Ärzte und die Pflege der Schwestern gerettet worden!
Die Beschaffung von Wohnung und Nahrung für die in öffentlich: Armenpflege gekommenen Mitmenschen wurde immer schwieriger. Ich schlug die Erbauung der jetzigen Armenanstalt an der Wiescherstraße vor und fand allmählich Zustimmung. Der Bau erfolgte 1884. Mein weiterer Wunsch, das Gelände zu vergrößern und der Anstalt ein Waisenhaus sowie ein Altersheim anzugliedern, ging nicht in Erfüllung.
Die Zunahme der Zahl der kirchengemeindlichen Friedhöfe sowie deren nicht großzügige Anlegung führte im Einverständnis mit den beteiligten Kirchengemeinden dazu, den kommunalen Begräbnisplatz („Süd=Friedhof“) an der Wiescherstraße einzurichten. Wie Mancher ruht dort, dem ich ehemals die lebenswarme Hand gedrückt habe!
Der Begräbnisplatz auf dem Altmarkt ist durch Einebnen verschwunden. Die Friedhöfe an der Kirchhof=, der Marien= und der Mont-Cenis-Straße werden nach Ablauf längerer Jahre wahrscheinlich In Parkanlagen umgewandelt werden.
Im Jahre 1885 schlug ich dem Gemeinderat vor, einen öffentlichen Park bei der Mont=Cenis-Straße zu errichten, fand aber keine Gegenliebe. Später stimmten die Stadtverordneten dem Plane zu und der Stadtpark wurde 1906 an der vorgeschlagenen Stelle geschaffen. 19 Jahre früher wäre er billiger zu haben gewesen.
Die Gasbeleuchtung erfolgte seit 1866 von einer der Zeche Shamrock gehörigen Anstalt aus. Als der zwischen Zeche und Gemeinde geschlossene Vertrag ablief, beantragte ich die Errichtung einer eigenen Gasanstalt, drang aber nicht durch. Der Gemeinderat verlängerte mehrfach den Vertrag, zuletzt 1892. Den Stadtverordneten ist es zu danken, dass die Kommune 1903 ein eigenes Werk in Betrieb nehmen konnte.
Die Reinigung der Koksofengase derart, dass sie zu allen Leuchtzwecken geeignet waren, hatte man damals noch nicht ermöglicht.
Elektrisches Licht fehlte. 1894 regte ich den Bau eines Werkes an, eventuell in Gemeinschaft mit der Hibernia. Mein Vorschlag wurde abgelehnt. Als 1905 das „Elektrizitätswerk Westfalen“ gegründet wurde, beteiligte sich die Stadt und entsandte mich in den Aufsichtsrat. In Letzterem lernte ich den jüngst so schmählicher Weise ermordeten Dr. Rathenau näher kennen und hochschätzen.
Als ich 1885 den Bau eines städtischen Schlachthauses vorschlug, lehnte der Gemeinderat sehr energisch ab. Später stellte er sich freundlicher zu diesem Vorhaben, überließ aber dann den 1897 zu wählenden Stadtverordneten die Entscheidung.
Entgegen seinem sonstigen Verhalten den Neuerungen gegenüber war der Gemeinderat für die Errichtung eines Amtsgerichts in Herne unschwerer zu gewinnen. Der Justizfiskus machte aber große Schwierigkeiten. Schließlich siegte Herne, musste aber 1891 nach einem Plan aus Berlin ein vier zu kleines Dienstgebäude an der Bahnhofstraße herstellen. Vergebens trug ich höheren Orts vor, das Haus würde bereits nach kurzer Zeit nicht mehr ausreichen. Diese Voraussage erwies sich bald als richtig. Auch der Justizfiskus zeigte damals einen bedauerlichen Mangel an Voraussicht.
1893 gelang es, ein Bergrevier=Amt nach Herne zu bekommen; desgl. 1899 ein Katasteramt und 1900 ein Steueramt I. später Zollamt I benannt. Die Einrichtung eines Knappschafts=Zweigbüros erfolgte 1901.
Einer Anregung aus Geschäftskreisen folgend half ich die Herner Bank mitbegründen; sie ging später in der Märkischen Bank auf.
Eine Reichsbank=Nebenstelle nach Herne zu bekommen. gelang Anfang 1897. Ihr folgten mehrere Privatbanken.
Die Freiwillige Feuerwehr, gegründet von meinem Herrn Amtsvorgänger, hatte jahrelang schwer um ihre Existenz zu kämpfen. Selbst die Beschaffung neuer Schläuche stieß beim Gemeinderat auf Schwierigkeiten. Als die Wehr den von ihr selbst auf eigene Kosten erbauten Steigerturm vom seitherigen Standort wegnehmen musste, mietete ich auf meine Kosten einen neuen Platz gegen eine jährliche Pacht von 3 Mark! Es ist dies das Gelände an der Ecke der Bahnhof= und v. d. Heydt Straße, aus dem jetzt das Warenhaus Kaufmann steht. Allmählich sah man die Notwendigkeit des Bestehens einer Feuerwehr ein und wurde bewilligungsfreudiger. Unvergesslich sind mir die schönen Stunden im Kreise der Kameraden der Wehr, deren Führer ich 28 Jahre lang gewesen bin.
Die Sanitäts=Kolonne vom Roten Kreuz wurde 1892 gegründet. Ich trug ihr Ehrenkleid als erster Führer 15 Jahre lang. Die Kolonne hat mehrmals bei größeren Grubenunglücken sowie oft in Einzelfällen Dienste geleistet, auch während des Weltkrieges— wie man mir sagte— treu ihre Pflicht getan.
Der Vaterländische Frauen=Verein blüht heute noch und sucht so manche Not zu lindern. Ich durste jahrelang als Schriftführer in ihm arbeiten.
Über die kirchlichen Angelegenheiten und das Schulwesen gibt die zum 1. April d. Js. herausgegebene Festschrift der Stadtverwaltung ausführlichen Bericht. Zur Veimeidung von Wiederholungen wird auf dieses der Bürgerschaft bekannte Buch Bezug genommen. Es sei hier nur hervorgehoben, dass das äußere Bild von Herne auch durch den Bau von vier neuen Kirchen, einer Synagoge und manchen Schulen wesentlich gewonnen hat.——
Zur Kennzeichnung der Alt Herner Verhältnisse seien hier noch die Vorgänge bei Errichtung des Kriegerdenkmals erzählt. Man stellte mir 1883 die aus öffentlichen und Privatmitteln gesammelten Gelder zur Verfügung. Es waren insgesamt etwa 4500 Mark. Dann ersuchte man mich, ein würdiges Denkmal herstellen zu lassen. Weil mir eine technische Hilfe nicht zur Seite war, musste ich als Laie den Plan erdenken, entwerfen und zeichnen. Die Mitbürger mögen beim Anschauen des Denkmals meinen guten Willen für die Tat nehmen.— Die Summe von rund 4500 Mark habe ich nicht überschritten.
Nach den oben geschilderten, jahrelangen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Gemeinderat des Dorfes Herne und mir sollte man annehmen, dass dieser Zwiespalt auf unsere persönlichen Beziehungen ungünstig abgefärbt hätte. Das ist aber keineswegs der Fall gewesen. Wir waren dienstlich fast immer verschiedener Ansicht, sonst aber gute Freunde. Dies zeigte sich ganz besonders zwischen meinem Hauptwidersacher und mir. Ich habe tief trauernd am Sterbebett dieses Ehrenmannes gestanden, der, von seinen Anschauungen ausgehend, das Beste der Gemeinde ebenso erstrebt hat, wie ich.
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