Das alte Dorf Herne (Herner Anzeiger 1934) V
Am [8. Dezember]] 1934 wurde im Herner Anzeiger ein Artikel von Leo Reiners über das alte Dorf Herne im dritten Teil veröffentlicht. Es ist eines der wichtigsten Werkreihen Reiners zur Dorfgeschichte. Da es sehr umfangreich ist, teilen wir es in mehrere Teile. [1]
Das alte Dorf Herne
Nach Katasterkarten von 1823-1886
Dargestellt von dr. L. Reiners
[Teil 3/V]
Die Goethestraße
Nach der Behandlung des Steinweges kommen wir jetzt zu einem Teil des alten Herne, der erst vor 60-70 Jahren, als der Bergbau seinen Einzug hielt, entstanden ist. Diese kleinen einstöckigen Backstein= und Fachwerkäuser an der Goethe= (früher Kalk=) und Wiescherstraße, die in der Karte gestrichelt gezeichnet sind (in den Karten von 1877 sind sie alle enthalten) gehören also nicht mehr in die bäuerliche Zeit des alten Dorfes, sondern künden von dem Einziehen der industriellen Periode.
Nördlich des Fußweges nach Sodingen, der bis vor kurzem „Lessingstraße“ hieß, liegt das Haus des früheren Polizeidieners Wilhelm Hülsmann, dass jetzt dem Bergmann Wilhelm Hülsmann gehört. Das südlich der „Lessingstraße" gelegene Doppelhaus ist das einzige in diesem Bereich, das bereits 1823 einen Vorgänger hatte. Das damalige Häuschen gehörte Biermann. Das jetzige Haus war 1877 im Besitz von Peter Wienert, dem weit über Hernes Grenzen hinaus bekannten „Knochendoktor“. Danach war Eigentümerin seine Witwe, Lisette, geb. Sehrbruch. Dem Wienertschen Hause benachbart ist das Häuschen, das 1877 dem Schuhmacher Wilhelm Mescheder gehörte, 1895 war Eigentümer der Bergmann Heinrich Wilhelm Vogt, 1920 seine Witwe. Das nächste, etwas größere und mit Anbauten versehene Haus gehörte 1877 dem „Winkelier“ Heinrich Dietz, dann dem Bergmann Friedrich Landwehr, dessen Frau eine geb. Dietze war, heute dem Handlungsgehilfen Otto Landwehr.
Mit dem nun folgenden Häuschen beginnt die Biegung der Goethestraße in die Wiescherstraße hinein. Es war 1877 im Besitz des Bergmanns Wendelin Witt. 1905 des Bergmanns Joseph Post, 1908 des Friseurs Ludwig Dawin, dessen Frau eine geborene Post ist. Dawin ließ das Häuschen 1907 abbrechen und dafür den jetzigen gewaltigen Neubau errichten, der den Blick fast völlig von den kleinen Nachbarhäuschen ablenkt.
Erhalten geblieben ist dagegen das nächste Häuschen. Es gehörte 1877 dem Bergmann Johann Post, 1909 dem Friseur Friedrich Post. Das Nachbarhaus, das schon an der Wiescherstraße steht, ist ebenfalls bis heute erhalten geblieben. Eigentümer war 1877 der Schneidermeister Reinhold Uhlenbruch, seit 1909 gehört es dem Schneidermeister Wilhelm Uhlenbruch.
Hier, gegenüber der Straßburger Straße, geht nun ein Weg ab, der früher ins Feld (Schlagenkamp) führte, jetzt aber durch die Fabrik von Christian versperrt ist. An ihm liegt gleich vorne, von der Straße zurücktretend, ein altes Häuschen mit einer Pumpe davor. Es gehörte 1877 dem Landwirt Schlünder gt. Hahne von der Rosenstraße, später dem Landwirt Heinrich Trösken, der auch auf der Rosenstraße Schlünders Besitznachfolger war, den gleichen gehörte bzw. gehört das schmale niedrige Fachwerkhäuschen daneben links des Weges. Dieses besteht sogar aus zwei Gebäuden. Es sind sogenannte Einliegerhäuser.
Auf der anderen Seite des Weges, an der Wiescherstraße, lag einstmals die Bäckerei von Wilhelm Soldat. 1895 gehörte sie dem Bäckermeister Johann Rieke. Das Gebäude ist 1897 teilweise abgebrochen und umgebaut worden. Heute ist in dem massiven Haus ein Kolonialwarengeschäft und eine Bäckerei.
Das nunmehr auf der Karte folgende Gebäude ist ebenfalls heute verschwunden. Es war 1877 im Besitz des Bergmanns Friedrich Hesse, 1898 erwarb es der Bergmann Auguste Tente, dann der Bürovorsteher Richard Schoebel. 1900 kam es in den Besitz des Schlossers Wilhelm Christian, der es 1909 abbrechen und durch einen Neubau ersetzen ließ, in dessen Hintergrund das Werk von Christian entstand.
Neben Christian steht heute ein altes Fachwerkhaus mit hinterem Anbau, das an er Straßenseite mit Holz verschalt ist und einen gepflegten altertümlichen Eindruck macht. Es ist indes auf der Karte nicht verzeichnet, weil es erst nach 1886 entstanden, also nicht älter als höchstens 50 Jahre ist. Es hat die Hausnummer 9 und gehört jetzt dem Schweinehändler August Harbaum.
Von Christian ab kam früher eine ziemliche Lücke. Das dann folgende Gebäude gehörte 1877. dem Gastwirt Karl Nettingsmeier. In den Jahren 1906/07 ist es abgebrochen und durch den jetzigen Neubau der Wirtschaft Steins (vormals Dunschen) ersetzt worden. In dem Hause wohnt aber noch eine Familie Nettingsmeier.
Ihm schräg gegenüber auf der anderen Seite der Wiescherstraße liegt noch heute das in der Karte vermerkte Haus, das 1877 dem Maurermeister Heinrich Köster gehörte. 1895 war es im Besitz der Evgl. Kirchengemeinde. Es besteht eigentlich aus zwei Gebäuden: einem zweistöckigen Fachwerkbau an der Straße (heute Wiescherstraße Nr. 20) und einem einstöckigen Fachwerkhäuschen am Wege. Dieser Weg besteht ebenfalls noch und führt jetzt in den Garten des Evgl. Krankenhauses.
Der jetzt noch unerwähnt gebliebene Bau an der Wiescherstraße ist das nach der Straßburger Straße hin gelegene Haus von Diedrich Georg Haarmann. Es ist heute größtenteils ersetzt durch das Haus Nr. 14 (Milchhandlung Radtke), das 1895 dem Anstreicher August Voß, 1926 seiner Witwe gehörte und seit 1933 im Besitz seiner Tochter Alma ist.
Die „Gartenstraße"
Nunmehr kommen wir zur alten Gartenstraße oder, wie sie heute heißt, Straßburger Straße. Diese ist, wie die Karte zeigt, einmal ein recht gewundener Feldweg gewesen, der beim Ausbau zur Straße begradigt wurde. In seinem nördlichen Teil steht koch heute das schmucke Fachwerkhäuschen, das auf der Karte gestrichelt gezeichnet ist. Es gehörte 1877 dem Bergmann Albert Siebering, von dem es 1904 an den Maurer Hermann Gesing kam.
Am anderen Ende der Straßburger Straße auf der gleichen Seite lag ein heute noch vorhandenes Gebäude, das Haus des Stellmachers Heinrich Tigges, das schon 1877 auf diesen Namen stand und 1907 auf den Sohn Stellmacher Heinrich Tigges überging.
Wenden wir uns nun der westlichen Seite der Straßburger Straße zu, so fällt auf, dass zwischen Steinweg und Rosenstraße früher überhaupt keine Häuser standen, und auch heute ist hier noch eine erstaunlich große Baulücke vorhanden, die mit Gärten ausgefüllt ist. An der Ecke der Rosen- und Straßburger Straße stoßen wir wieder auf das ganz alte Dorf, die Gebäude von 1823. Da lag der Bauernhof von Georg Veuhoff. Die Veuhoffs waren hier schon lange ansässig. Bereits im Feuerstättenbuch von 1664 wird ein „Heurer Goerdt Viehoff“ auf einem Strünkede gehörigen Grund mit „zwei Feuerstätten, deren eine zwei alte unvermögende Leute bewohnen“, aufgeführt. Im Jahre 1877 gehörte der Hof der Witwe Ludwig Veuhoff. In den neunziger Jahren wurde er abgebrochen, und es entstand an der begradigten „Gartenstraße" bzw. der dadurch verlängerten Rosenstr. die Wirtschaft „Im stillen Winkel“, die heute noch dort steht. Das Grundstück ist im Besitz der Erben Veuhoff geblieben, zunächst des Landwirts bzw. Rentners Ludwig Veuhoff und des Friedr. Veuhoff in Werdohl, seit 1931 des Wirtes Franz Pinnekämper in Dortmund=Marten und der Witwe Hedwig Freiendorf, geb. Veuhoff, in Herne.
An der südlichen Grundstücksgrenze von Veuhoff ist nach 1823 ein kleines Gebäude entstanden, das heute noch als altes Fachwerkhaus dasteht und von der Fluchtlinie der heutigen Straßburger Straße abweicht. Es zeigt nämlich noch den alten Lauf dieser Straße an. Früher gehörte es dem Viehhändler August Hellwitz, heute Säckefabrik Spies.
Daneben steht noch ein altes Fachwerkhaus, mit dem wir bereits auf das Grundstück von Schlingermann kommen. Das kleine Gebäude ist Wohnhaus mit Stall. Es besaß noch eine Werkstatt, die 1911 abgebrochen wurde. Eigentümer ist Schlingermann, der es vermietet hat.
Der Schlingermannsche Kotten ist wie manch anderer ebenfalls schon im Feuerstättenbuch von 1664 erwähnt. Grundherr war damals Freitag zu Schorlingen. Der Pächter Schlingermann hatte zwei Feuerstätten, von denen eine (es ist wohl auf der Karte das Gebäude an der Straße) der „Leibzüchter" bewohnte. Im Jahre 1823 war Besitzer des Kottens Diedrich Schlingermann, 1877 Landwirt Heinrich Schlingermann, 1910 der Schmied Heinrich Schlingermann und jetzt die Witwe Karoline Schlingermann, geb. Kleinflasche. Das an der Straße gelegene Gebäude von 1823 ist nicht dasselbe, das heute dort steht. Dieses ist später, und zwar erst nach 1877, entstanden.
Das Eckgrundstück zur Altenhöfener Straße hin gehörte 1823 Wilhelm Klüsener, 1877 der Witwe George Frie. Im Jahre 1910 hat hier der Schneidermeister Goertz anstelle des alten Fachwerkhauses einen modernen Neubau aufführen lassen.
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Dr. Leo Reiners.
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