Das alte Dorf Herne (Herner Anzeiger 1934) IV

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 24. November 1934 wurde im Herner Anzeiger ein Artikel von Leo Reiners über das alte Dorf Herne im zweiten Teil veröffentlicht. Es ist eines der wichtigsten Werkreihen Reiners zur Dorfgeschichte. Da es sehr umfangreich ist, teilen wir es in mehrere Teile. [1]

Das alte Dorf Herne

Nach Katasterkarten von 1823-1886
Dargestellt von dr. L. Reiners

[Teil 2/IV]

Herner-Anzeiger-(24.11.1934)Dorf Herne-1823-1886.jpg

Der alte Steinweg

Bei seiner Einmündung in die jetzige Bahnhofstraße (gegenüber dem Spritzenhäuschen) war der Steinweg völlig unbebaut. Erst später entstand an der Ecke das Haus Grümer, das 1877 dem Kaufmann Heinrich Grümer gehörte und in dem Heinrich Grümer jr. ein Eisenwarengeschäft hatte. 1899 ist das Haus umgebaut, aufgestockt und durch Anbau vergrößert worden. Seit 1920 gehört der mächtige Eckbau dem Kaufmann Walter Jansen.

Nach einer Lücke folgt auf dem Steinweg das heutige Haus des Bäckermeisters Bönnebruch gt. Althoff. Ursprünglich hat, wie aus der Zeichnung hervorgeht, an dieser Stelle bzw. etwas mehr zur Bahnhofstraße hin ein anderes nach 1823 erbautes Haus gestanden. 1873 wurde das näher an die Schulstraße (dieser war früher nur ein schmaler Feldweg) gerückte jetzige Backsteingebäude als Amtshaus errichtet. Es war das erste Herner Rathaus. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts war Steelmann von Eickel „Maire“ von Herne. Er hat die Verwaltung nach Eickel verlegt gehabt. Nach seinem Tode 1836 wurde Leutnant Hollweg sein Nachfolger, der seit 1844 den Titel „Amtmann“ führte. Ihn löste 1847 Amtmann Esser ab. In dieser Zeit soll die Verwaltung in 1-2 Zimmern eines Hauses des Steinweges mietweise untergebracht gewesen sein. Als Herr von Forell, der spätere Landrat von Bochum, 1851-1868 den Amtsbezirk verwaltete, haben sich die Geschäftsräume auf Schloss Strünkede befunden. 1869 wurde Amtmann [Friedrich Gottfried] Uhlenbusch sein Nachfolger. Damals wanderten die Verwaltungsräume in das alte Nordmannsche Haus am Steinweg, das auf der Abbildung zu sehen ist und auf das wir noch zu sprechen kommen. 1873 erfolgte der Umzug in das neu erbaute Amtshaus Ecke Steinweg und Schulstraße. Es bestand aus dem Amtsgebäude, in dem oben der Amtmann wohnte (später erhielt er ein neues Wohnhaus an der Mont=Cenis=Straße) und einem Arrestlokal sowie Hofraum. In einem dahintergelegenen Gebäude (in der Karte ebenfalls gestrichelt enthalten), befanden sich die Polizeidienerwohnung, Gefängnisanbau und Polizeibüro. Als die Räume des Amtshauses nicht mehr ausreichten, erwarb man 1897 von der evangelischen Schulgemeinde die Schule an der Mont=Cenis=Straße, von wo aus 1912 der Umzug in das jetzige Rathaus erfolgte. Beim Aufgeben des ersten Amtshauses 1897 verkaufte man es an Bäckermeister Althoff.

An der anderen Ecke der Schulstraße steht heute die Wirtschaft Stork. Man sieht aber aus der Karte, dass das Haus nicht so alt ist wie die Wirtschaft Fleigenschmidt, die sich einstmals daneben befand. Diese Wirtschaft ist schon im Feuerstättenbuch 1664 als Strünkeder Kotten erwähnt, als dessen Pächterin Witwe „Fleigen=Schmiedt“ genannt wird. Das Haus hatte zwei Feuerstätten, „deren eine der Schweene bewohnt". Als Wirt wird „Fleigen Schmit“ in einer Kirchenrechnung von 1793 aufgeführt. 1877 erscheint als Besitzer des Grundstücks der Wirt Wilhelm Erfmann. 1985 der Kaufmann Johann Becher, Bochum, 1897 der Techniker Wilhelm Schulte, 1902 der Wirt Fritz Fromme, der seine Wirtschaft in das nebenan gelegene, ihm ebenfalls gehörende Haus Stork (Stork ist erst seit 1920 darin Wirt) verlegte und das alte Haus Fleigenschmidt zum Wohnhaus machte. 1910 ist es abgebrochen worden. Heute gähnt dort eine Baulücke. Das Haus Fleigenschmidt, von dem auf dem Bild vom alten Steinweg links noch ein Stückchen zu sehen ist, hatte noch eine besondere Bedeutung für die Erhebung des Wegezolls. Nach einem noch lange an Fleigenschmidts Haus vorhanden gewesenen Schild war für das Befahren des Steinweges oder Viehtreiben auf ihm eine Abgabe zu zahlen, die in frühester Zeit sogar durch einen Schlagbaum bei Fleigenschmidt erzwungen worden sein soll. Alte Herner, die selbst noch die Erhebung des Wegezolls miterlebt haben, wissen aber zu berichten, dass zu ihrer Zeit ein Schlagbaum nicht vorhanden war. Wie hoch die Wegeabgabe war, weiß niemand mehr genau zu sagen, Decker nennt für die 1841 fertiggestellte Landstraße Bochum- Herne- Recklinghausen 10 Pf. bei einem mit Fracht beladenen Pferdefuhrwerk, 4 Pfennig bei einem leeren.

Am Ende des Fleigenschmidtschen Besitztums machte der Steinweg (früher hieß dieses Straßenstück „Kirchplatz“) eine Biegung in die Rosenstraße hinein und dann eine zweite rechtwinklig zum Feldmannschen Hause hin. Dieser alte Zustand des Steinweges ist in dem hier wiedergegebenen Bilde, dessen Original im Besitz von Sanitätsrat Dr. Feldmann ist, festgehalten. Die Begradigung des Steinweges, wie er heute ist, erfolgte 1910 besonders auf Betreiben von Dr. Feldmann und Nordmann, die beide auch große finanzielle Opfer dafür brachten.

Der alte Steinweg

Das alte Nordmannsche Haus, wie es das Bild zeigt, ist keineswegs das erste an dieser Stelle. Es ist vielmehr erst nach 1823 entstanden. Bis dahin stand hier ein Bauernhof Koch, als dessen Besitzer in dem Urhandriss von 1823 Heinrich Koch angegeben ist. Die Kochs saßen hier schon lange. Bereits im Feuerstättenbuch von 1664 wurde ein Jörgen Koch als Pächter des Strünkede und Haus Grimberg gehörenden Kottens genannt. Das anstelle des Kochschen Hauses nach 1823 errichtete Nordmannsche Haus enthielt vorne ein Webwaren= und ein Lebensmittelgeschäft (vor über 50 Jahren hat Niehage hier angefangen; auch Kersting hat hier einmal sein Geschäft gehabt; an der Seite den Metzgerladen von Nordmann und am Ende die Nordmannsche Wirtschaft. Das Haus ist im Jahre 1907 abgebrochen und durch den jetzigen gewaltigen Neubau der Wirtschaft Nordmann ersetzt worden. In dem alten Nordmannschen Hause haben sich, wie oben bereits berichtet, auch einmal die Verwaltungsräume des Amtes Herne befunden, außerdem besaß Nordmann in einem Hintergebäude, auf das wir noch zu sprechen kommen, eine Blaufärberei. Wichtig ist noch zu erwähnen, dass 1853 ein Haarmann von Feldmann ein Grundstück im Anschluss an das Kochsche Haus erwarb, während dieses selbst einem Wilhelm Haverkamp gehörte. Haarmann muss durch Heirat mit der Familie Nordmann in Verbindung stehen, denn die Nordmanns wurden auch „Haarmann“ genannt.

Das Fachwerkhaus neben Nordmann hat, wie die Karte zeigt, bereits 1823 bestanden. Es gehörte nämlich zu dem Bauernhofe von Koch und ist erhalten geblieben, während der Hof selber dem Nordmannschen Bau wich. 1877 wird als Eigentümer der Schuhmachermeister Heinrich Trösken genannt. Dieser ist vielen Hernern noch als Küster bekannt. Seit dem 1. Juli 1869 war er Küster an der alten Dionysiuskirche, dann noch viele Jahre an der neuen evangelischen Kirche. Später zog Trösken, der in den neunziger Jahren das Zeitliche segnete, in das gegenüberliegende Grütersche Haus. Sein Besitztum erwarb der Kaufmann Bernhard Caßel in Köln, von dem es Nordmann kaufte, um die Begradigung des Steinweges zu ermöglichen. 1906 ist es abgebrochen worden.

Das neben „Trösken“ gelegene kleine Haus ist, wie die Karte ausweist, erst nach 1823 entstanden. Im Jahre 1877 gehörte es dem Buchbinder Heinrich Albert. 1895 dem Gemüsehändler Heinrich Hecker, 1902 wurde es, da es in den Fahrdamm des neuen Steinweges fiel, von Dr. Feldmann zum Zwecke des Abbruchs erworben und verschwand im Jahre 1910.

Auf der gegenüberliegenden Seite des alten Steinweges lag an der Ecke der Rosenstraße der Kotten von Grüter, den wir bereits öfter erwähnt haben. Dann folgte das rechts im Bilde noch eben sichtbare Haus Kropfermann, das, wie die Karte zeigt, schon 1823 bestand und auch heute noch, sich mit einer Ecke an die Giebelwand von Blumenhaus Wienholt anlehnend und noch den alten Lauf des Steinweges anzeigend, vorhanden ist. Es war 1877 im Besitz des Anstreichers Friedrich Adolphen, 1909 erwarb es der Landwirt Rembert, der Besitzer des früheren Nachbarhauses Grüter, 1919 war der Regierungslandmesser Friedrich Rembert in Düsseldorf Eigentümer, 1922 der Fuhrunternehmer Josef Urbaniak, 1929 der Kaufmann Richard Eckert und heute die Handelsgesellschaft Constantin in Bochum.

Bevor wir zu dem auf dem Bilde im Hintergrund sichtbaren Hause Feldmann kommen, müssen wir noch sagen, was zwischen Fleigenschmidt und Feldmann, also am jetzigen Steinweg vor sich gegangen ist. Neben dem Neubau der Nordmannschen Wirtschaft entstand 1910 das Haus Wienholt, wobei von Interesse sein wird, zu erfahren, dass die Ehefrau des Kaufmanns Artur Wienholt eine geborene Rembert ist.

Auf der anderen Seite des jetzigen Steinweges sind neben Fleigenschmidt im Laufe der Zeit mehrere Gebäude entstanden. Wo heute Bettenköster ist, stand bis 1911 das kleine quadratische (gestrichelte) Gebäude an der Grenze des Fleigenschmidtschen Grundstücks. 1912 wurde hier Bettenköster gebaut. Daneben stand zuerst ein Gebäude, das zum Grundstück Nordmann gehörte. Darin befand sich die Nordmannsche Blaufärberei, in der „Haarmann“ mit seinen Stäben das blaue Leinen durch den Bottich drehte Dann trat an dessen Stelle ein anderes Gebäude. Daneben baute Feldmann ein Wohnhaus (gestrichelt gezeichnet). Auch diese Gebäude wurden wieder abgebrochen und dafür das Haus neben Bettenköster gebaut, das 1910 dem Kaufmann Heinrich Wachter, 1918 dem Kaufmann Heinrich Velten zu Bochum und seit 1919 dem Kaufmann Bernhard Junker gehört.

Alsdann folgte, auch heute noch durch eine Baulücke getrennt, das Haus Feldmann. Man sieht an der Karte schon, dass das jetzige dreistöckige schieferverkleidete Haus nicht dasselbe ist, wie das von 1823. Es ist vielmehr 1868, also vor fast 70 Jahren, anstelle des früheren von Friedrich Feldmann erbaut worden. Der heutige Besitzer ist sein Sohn. Sanitätsrat Dr. Feldmann, der darin seine Jugend verlebte.

Die Familie Feldmann bzw. das Haus am Steinweg ist bereits 1664 im Feuerstättenbuch genannt. Damal: war „Johan Veltmann“ Pächter des Strünkede und Haus Grimberg gehörigen Kottens. Das westlich von Feldmanns Wohnhaus auf der Karte vermerkte kleine Häuschen war das Feldmannsche Backhaus, in dem eine Familie Spiekermann, deren Nachfolger heute noch auf der Mont=Cenis=Straße ansässig sind, wohnten. Frau Spiekermann hieß daher „Backs Jettchen“.

Neben Feldmann lag der Hof von Schlenkhoff gt. Dux. Das Wohnhaus mit den beiden Kastanien davor ist allerdings nicht mehr dasselbe wie das von 1823, wenn sich auch im Grundriss nichts geändert hat und die Katasterunterlagen nichts über eine Veränderung ausweisen. Nach Mitteilungen des Herrn Adolphen, Rosenstraße, der aus diesem Hause stammt, hat sein Vater in den fünfziger Jahren an dem Neubau des Hauses mitgewirkt.— Der Name Schlenkhoff gt. Dux besagt, dass vor Schlenkhoff eine Familie Dux das Besitztum gehabt hat. Diese Familie Dux ist schon im Feuerstättenbuch von 1664 erwähnt. Dort heißt es: „Pächter Johan Dux, ein Kötter, hat zwei Feuerstatten, so seine Mutter bewohnt, gering von Mitteln.“ Die Schlenkhoffs stammen von dem Hof Schlenkhoff (nahe Marien= Goethestraße), der schon im Schatzbuch von 1486 als Stadinkhoff und im Feuerstattenbuch von 1664 als Schlenkhoff genannt ist und später in den Besitz von Rensinghoff gt. Schlenkhoff überging. (Auch die Rensinghoff, deren Hof hinter dem Rathause an der Behrensstraße lag. sind als Rusinkhoff schon 1486 im Schatzbuch erwähnt.)

Der östliche Nachbar Adolphen erwarb 1852 das Grundstück und baute, wie gesagt, das Wohnhaus neu, 1877 gehörte es dem Bäckermeister Hermann Becher, 1910 dem Landwirt Friedrich Rembert. den wir oben schon als Besitzer des alten Grüterschen, dann des Kropfermannschen Hauses kennen gelernt hatten, 1922 dem Regierungslandmesser Wilhelm Rembert in Düsseldorf, der heute noch Grundstückseigentümer ist. Mittlerweile sind aber alle Gebäude, die auf diesem Grundstück standen — vor etwa 2 Jahren als letzte die Scheune —, mit Ausnahme des Wohnhauses abgebrochen worden. Eins dieser Gebäude war ein an der Straße gelegenes kleines Wohnhaus, das in der Karte von 1823 auf den Namen W. Probst steht. Es gehörte aber nicht Probst, dieser hatte es vielmehr von Schlenkhoff gt. Dux in Erbpacht. 1877 stand als Eigentümer der Schneider Georg Probst verzeichnet. Das Häuschen wurde 1900 abgerissen.

Daneben war das schmale Grundstück von Adolphen. Auch dessen 1823 vorhanden gewesenes Wohnhaus ist in der Zeit bis 1886 durch ein neues Gebäude erweitert worden. 1852 erwarb Adolphen, wie oben gesagt, den Schlenkhoff=Duxschen Besitz. 1877 war Besitzer des Adolphschen Hauses die Witwe Karl Meyer. 1895 war es bereits abgebrochen. Als Eigentümer des Grundstücks wurden damals die Eheleute Landwirt Friedrich Rembert genannt, 1910 Frau Sanitätsrat Dr. Friedrichs geb. Schlenkhoff, 1923 Wilh. Wegemann, Reckl.=Süd.

Das nächste Grundstück gehörte 1823 Jasper. Es ist dieselbe Familie Jasper, die schon 1664 im Feuerstättenbuch erwähnt wird. Der Pächter des Strünkede gehörigen Kottens hieß damals Jaspers. Er hatte zwei Feuerstätten, „davon eine ein Einwohner bewohnt". Im vorigen Jahrhundert stand auf Jaspers Hof das Vorspannpferd für die Postkutsche von Bochum über Herne nach Recklinghausen. Später haben Jasper oder Jaspers den erst nach 1823 erbauten Hof mit Wirtschaft und Saal an der Bahnhofstraße (später Cremers Hof) besessen, während ihr Hof am Steinweg von Hostrate (Hochstrate) gt. Jasper bewohnt wurde. Danach war er im Besitz von Schlenkhoff gt. Dux, deren Grundstück Adolphen erworben hatte. Genau lassen sich die Umstände dieses Grundstückswechsels noch nicht klären, jedenfalls erscheint 1877 Schlenkhoff gt. Dux als Eigentümer des ehemals Jasperschen Besitzes.

Das Wohnhaus von 1823 hatte damals aber schon mehreren anderen Gebäuden Platz gemacht. Das westlich an der Grundstücksgrenze gelegene ist 1908 abgebrochen worden, das zweite mit den verschiedenen kleinen Anbauten war das Schlenkhoffsche Wohnhaus. Es gehörte 1895 dem Kaufmann Wilhelm Schlenkhoff und wurde 1899 abgebrochen.

Das im hinteren Teil des Grundstückes (bei dem J des Wortes Jasper) gelegene (gestrichelt gezeichnete) Gebäude steht heute noch. Es ist das Fachwerkhaus an der jetzigen Hermann=Löns=Straße, das dem Eigentumsnachfolger der Schlenkhoffs, Wegemann, Reckl.=Süd, gehört und von Schwerdtfeger bewohnt wird.

Den Abschluss der Häuserreihe auf dieser Seite des Steinweges bildeten zwei Gebäude, die anstelle eines 1823 vorhanden gewesenen Jasperschen Gebäudes entstanden waren. Sie gehörten 1877 dem Bäckermeister Peter Grünendahl, 1895 dem Bäckermeister Wilhelm Grünendahl, 1900 dem „Winkelier“ Gottlieb Barfuß und mussten 1903 der Anlegung der Hermann=Löns=Straße (sie hieß zuerst Bismarck=, dann Hohenzollern= und darauf Lönsstraße) weichen. Im gleichen Jahre entstand dafür der mächtige Neubau zwischen Hermann=Löns= und Goethestraße.

Kehren wir nun zur anderen Seite des Steinweges zurück, so müssen wir wieder bei dem Hause Kropfermann, das heute noch neben Wienholt steht, beginnen. Neben ihm, wo jetzt der freie Platz ist, lag, etwas in den Knick des Steinweges vorspringend, das fünfeckige Gebäude von Eberhard Hülsmann. So hieß wenigstens im Jahre 1823 der Eigentümer. Im Volksmund führte dieses Haus, das eine Zeitlang Wirtschaft war, den Namen „Ratzeburg"(= Rattenburg). Hier im oberen Saal sollen die „Vornehmen“ von Herne ihre Feste gefeiert haben. In diesem Hause haben auch Metzger Weinberg (der „olle Kers“), Wehling, H. F. W. Veuhoff gewohnt und die Anfänge ihres geschäftlichen Aufstiegs erlebt. 1877 gehörte es dem Kaufmann Heinrich Nordmann. Im Besitze der Familie Nordmann blieb es bis zum Abbruch im Jahre 1900.

Neben der „Ratzeburg" war das Häuschen von Georg Kaldewey. Dieser Kaldewey war der Vorgänger des alten Trösken im Küsteramte. Er wurde im Jahre 1836 im Alter von 50 Jahren Küster und übte dieses Amt bis 1869, wo Trösken den mittlerweile erblindeten Alten ablöste, aus. Im Jahre 1877 stand das Haus auf den Namen seines Sohnes, des Kaufmanns Georg Kaldewey, 1910 auf den Namen des Schneidermeisters Konrad Post. 1912 erwarb es der Waschanstaltsbesitzer Döbbemann, der es 1930, als die Stadtverwaltung eine Erbreiterung des Steinweges anstrebte, abbrechen und an seiner Stelle den großen Wohnungsneubau erstellen ließ.

An Kaldewey anschließend, aber erheblich hinter die Straßenflucht zurückspringend, lag 1823 das Haus von Heinrich Kempmann. Es wurde später durch ein Haus von kleinerem Format abgelöst. 1877 gehörte es dem Heilsgehilfen Wilhelm Fauville, 1910 dem Schuhmacher Dietrich Berke. 1922 erwarb es Döbbemann, der es 1930 für den Wohnhausneubau ebenfalls abbrechen ließ. Was nun folgt, ist ein heute noch vorhandenes altes Fachwerkhaus, in dem sich jetzt die Wascheannahme von Döbbemann befindet. 1823 gehörte es Friedrich Köhlhoff, 1877 dem Metzger Isaak Neuwahl, 1910 dem Schuhmacher Dietrich Berke, 1922 wurde es ebenfalls von Döbbemann erworben, der im Lause der folgenden Jahre dahinter Waschanstalt, Lager und Kraftwagenhalle erbauen ließ.

Nunmehr kommen wir an ein Grundstück, das in der Geschichte des Dorfes eine besondere Stelle einnimmt, den Hof von Wilhelm Krämer. Er ist nämlich von den Häusern im inneren Dorfbereich am frühesten belegt. Schon im Essener „Kettenbuche"[2] das aus dem Jahre 1425 stammt und die Abschrift eines älteren aus dem Jahre 1346 darstellt, das selbst wieder nach einem noch älteren abgeschrieben war, ist er als zinspflichtig an das Frauenkloster Essen erwähnt. Auf S. 44 des Kettenbuches heißt es: „Mansus des Kremers van Herne 11½ modios ordei“, d. h. der Kremers Hof in Herne hatte 11 ½ Scheffel Gerste Abgabe zu entrichten. Er unterstand dem Oberhof von Uckinktorpe (Ueckendorf), wohin auch die Abgaben abgeliefert werden mussten. Auch im Schatzbuch von 1486 ist eine Styne Kremers erwähnt. 1580 ist ein Johan Kremer auf einer Glocke der alten Dionysiuskirche verewigt, ein Beweis für seine bedeutende Stellung in der Gemeinde. Im Feuerstättenbuch von 1664 steht ein Röttger Krämer, als dessen Grundherren Strünkede und Haus Grimberg angegeben sind. Von seinem Hofe heißt es: „Stifts Erbe (also Erbe des Essener Stiftes), ein halber Hof, hat eine Feuerstätte... dem Schulten zum Hofe (in Ueckendorf) einen Maidienst schuldig". Diesem Alter und dieser Bedeutung des Hofes entsprach seine große Grundstücksfläche, die Zahl seiner Nebengebäude, die alle noch bis zur Gartenstraße folgenden Gebäude am Steinweg (mit Ausnahme des letzten) umfassten, und die Stattlichkeit seines Wohnhauses, das z. B. dem von Schulte=Nölle (evgl.=kirchl. Jugend= und Wohlfahrtsamt) gleichkam. (Es ragt auf dem Bild der „Reuster“ im Hintergrund mit der Giebelspitze empor.) Im Jahre 1864 ist die Familie Kremer ins Bergische verzogen, 1877 gehörte das Wohnhaus dem Bergmann Heinrich Düppe. Im Jahre 1888 ist es durch einen Blitzschlag, der das stolze Gebäude im Nu in ein Flammenmeer verwandelte, zerstört worden. Von dem einstigen großen Bau zeugt heute noch ein Fachwerkbau hinter den Häusern des Steinweges. An der Straßenseite steht jetzt das neue Wohnhaus von Düppe. Seit 1926 gehört das Grundstück dem Zechenbeamten Karl Bäcker.

Das Haus, das nunmehr an der Straßenflucht des Steinweges folgt, gehörte ursprünglich auch Wilhelm Krämer. An seine Stelle ist nach 1823 ein neuer Bau getreten. Er war 1865 im Besitz von Friedrich Immenkamp, 1877 gehörte er dem Bergmann Wilh. Kraemer, 1900 dem Bergmann Heinrich Pleuger, 1901 erwarb ihn der Kaufmann Wilhelm Sacher, 1930 die Stadtverwaltung. Der zweistöckige Fachwerkbau steht heute noch.

An die Stelle des auf der Karte von 1823 nunmehr folgenden kleinen Krämerschen Häuschens ist nach 1823 der jetzt noch vorhandene zweistöckige Fachwerkbau getreten, der im Jahre 1877 dem Bergmann Johann Imberger gehörte. 1921 war der Eigentümer der Fuhrunternehmer Karl Imberger, heute ist es die Witwe Elisabeth Imberger, geb Uhtbrock.

Das auf der Karte von 1823 verzeichnete nächste Krämersche Gebäude ist schon lange verschwunden. An seiner Stelle steht heute, von der Straße zurückspringend, das neuere Wohnhaus von Imberger

Da wo jetzt die Wirtschaft Hirdes (Ostentor) steht, lag 1823 auch ein Gebäude von Krämer, das. wie die Karte zeigt, nach 1823 durch ein anderes ersetzt wurde. Dieses zweite Fachwerkhaus gehörte 1865 dem Bergmann Heinrich Probst. 1895 war der Wirt Wilhelm Voß Eigentümer, 1909 wurde es abgebrochen und es entstand die Wirtschaft Hirdes.

Der Wirt Wilhelm Voß hatte seine Wirtschaft in dem alten in drei Teilen weit in die Grundstückstiefe hineingehenden Fachwerkhaus, das noch heute neben Hirdes liegt. Es ist in den sechziger Jahren anstelle eines in der Karte von 1823 verzeichneten, Hrch. Feldmann gehörigen Gebäudes von Frackmann erbaut worden. 1870 lagen darin 17 französische Gefangene die auf der Zeche von der Heydt (damals hieß sie noch Providence) arbeiteten. Unter „Voß Wilm“, der 1877 als Eigentümer verzeichnet ist und übrigens auch Gemeinde= und nach der Stadtwerdung 1897 Stadtverordneter war, wurde die Wirtschaft eine der beliebtesten Herner Kneipen.

Der auf der Ecke der Straßburger Straße anstelle des jetzigen Lindemannschen Wohn= und Geschäftshauses gelegene große Bau gehörte ebenfalls „Voß Wilm“. Er führte den Namen: „die Telte“. Es war ein großer Saal („Zelt"), in dem u. a. Kaisers Geburtstag mit einem großen Essen gefeiert zu werden pflegte. Auch fanden dort Puppentheateraufführungen (Genovefa u a.) statt, die zu den schönsten Kindheitserinnerungen der alten Herner gehören.

Schluß folgt.. zurück ...

Dr. Leo Reiners.


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Quellen

  1. [ https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/21234724 Vgl. Online Quelle auf Zeitpunkt.NRW]
  2. *) Das Kettenbuch, das noch heute im Essener Münsterschatz aufbewahrt wird und seinen Namen daher hat, dass es an einer Kette hing, enthält Angaben über den überaus großen und in dem Raume von Holland einschl. bis Göttingen und Marburg liegenden Landbesitz, das Abgabegebiet, die Abgabepflichtigen und die Abgebemengen des 850 von alfried gegründeten Frauenklosters in Essen.