Bürgerschützenverein Holthausen 1857 e.V.

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Bürgerschützenverein Holthausen 1857 e. V.
Abkürzung: BSV Holthausen e. V.
Gründung: 1857
Sitz: Holthauser Straße 288· 44627 Herne
Letzte Änderung: 20.03.2021
Geändert von: Thorsten Schmidt


Der BSV Holthausen ist mit seinen 158 Jahren der älteste Schützenverein der Stadt Herne. 1986 erhielt der Verein die Sportplakette des Bundespräsidenten.

Vom 1. - 3. September 2007 feierte der Schützenverein anlässlich des 150-jährigen Bestehens, das 28. Schützen - und Volksfest mit dem Königsvogelschießen am 19. August. Die Festschrift zu diesem Ereignis zeigte auf dem Deckblatt den Gründungsort des Vereins, das Bauernhaus Wiesche, wie es von der Herner Künstlerin Josefa Holthoff schon 1957 erstmals gestaltet worden war.

In dieser Festschrift ist die nachstehende Chronik enthalten, die von Werner Ruhte geschrieben wurde.

Holthausen - das Dorf zwischen den Städten

Die Geschichte der Holthauser Bürgerschützen ist eng verbunden mit der Gemeinde Holthausen, die in der Zeit um das Jahr 1857 noch die Bauernschaften Börsinghausen und Oestrich umfaßte und gerade einmal 293 Einwohner zählte. Der auch heute noch an vielen Stellen sichtbare dörfliche Charakter des kleinen Stadtteils im Herner Osten war in der Mitte des 19. Jahrhunderts sicher wesentlich stärker ausgeprägt. Dies untermauert zweifellos ein Blick in die berufliche Gliederung der damaligen Bevölkerung, deren wirtschaftliche Grundlage in der unmittelbaren oder mittelbaren Bearbeitung landwirtschaftlich genutzten Bodens lag. Die Statistik der Berufe führten so z.B. im Jahre 1840 19 Landwirte und Kötter, 6 Tagelöhner sowie 3 Holzschuhmacher und 3 Schmiede an.

Natürlich hat die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende Industrialisierung auch in Holthausen, das seit 1817 zur Bürgermeisterei Castrop gehörte, 1902 mit den Gemeinden Sodingen und Börnig zum Amt Sodingen vereinigt und im Jahre 1928 in die Stadt Herne eingemeindet wurde, Spuren hinterlassen. Hierzu sei in Erinnerung gerufen, dass es 1866 zur Gründung der Zeche Erin in Castrop und 1872 zur Gründung der Zeche Mont-Cenis in Sodingen gekommen war. Sicherlich hat danach insbesondere die Gründung des Schachtes II der Zeche Mont-Cenis auf Holthauser Gebiet im Jahre 1895 eine wesentliche Änderung der Bevölkerungsstruktur mit sich gebracht.

Der wirtschaftliche Aufschwung brachte natürlich auch auf anderen Gebieten Veränderungen. So mussten sich die Holthauser Schulkinder täglich nach Castrop begeben, bis 1872 in Holthausen die erste eigene Schule am südöstlichen Dorfeingang gebaut wurde. Bei dieser Schule, die vielen älteren Holthausern noch in guter oder eventuell auch weniger guten Erinnerung ist, handelte es sich um die 1959 abgebrochene “Cäcilienschule”.

Die rasant wachsende Bevölkerung brachte natürlich auch steigende Schülerzahlen mit sich, wodurch der Neubau weiterer Schulen an der Gerther Grenze und an der heutigen Börsinghauser Straße sich als notwendig erwiesen. Die 1818 zu 93 % katholische Bevölkerung war 1899 zu 44 % evangelisch durchsetzt, so dass 1902 die evangelischen Kinder Holthausens ihre Lutherschule (später Schule Auf ́m Kolm) erhielten.

Weiteres Zeugnis hierfür ist die am 30. November 1904 eingeweihte Kirche von Sodingen an der Mont-Cenis-Straße mit der späteren Gründung der Kirchengemeinde Sodingen am 1. Oktober 1909, die mit diesem Zeitpunkt aus der Kirchengemeinde Castrop ausgepfarrt wurde. Die Landgemeinde Holthausen, wie Holthausen in der Gründungsurkunde genannt wurde, gehörte damit nicht nur im staatlichen, sondern auch im kirchlichen Bereich zu Sodingen. Ein weiteres Stück Selbständigkeit, auf das die Holthauser Bürger stolz waren, ging verloren.

Anders sah es dagegen für die Katholiken aus, die 1908 eine eigene Kirche, die Notkirche an der Mont-Cenis-Straße erhielten, die 1932 durch die Dreifaltigkeitskirche an der Börsinghauser Straße ersetzt wurde.

Heute noch sehen die Holthauser ihren Stadtteil als “Dorf zwischen den Städten”, in dem es sich gut wohnen läßt, auch wenn die Anzahl der Bauernhöfe abgenommen, jedoch die Zahl der Gebäude und damit auch die Zahl der Einwohner stark zugenommen hat.

Der Drang nach Selbständigkeit, nach etwas Eigenem, mag auch ein Grund dafür gewesen sein, weshalb es 1857 zur Gründung des Holthauser Schützenvereins gekommen war.

Der Hof Wiesche an der Mont-Cenis-Straße 584 - Gründungsort des Holthauser Schützenvereins

Der ursprüngliche Name dieses Hofes lautete Kleintappe (Täpken). Um 1833 heiratete Johann Theodor Wiesche, 1799 in Westhofen (Castrop-Schwerin) geboren, Frau Anna Maria Kleintappe in Holthausen und wurde damit Besitzer des Hofes. Ein Sohn aus dieser Ehe, Heinrich Wilhelm Wiesche, geb. 24. September 1837, heiratete 1867 Frau Maria Alwine Schlingermann aus Obercastrop und verstarb als letzter Mitbegründer des Holthauser Schützenvereins am 14. Januar 1935 im Alter von 98 Jahren. Den Hof übernahm sein Sohn Engelbert Heinrich Wiesche, der 1943 verstarb. Danach führte Heinrich Wiesche, seit dem 21. August 1949 1. Vorsitzender und später Ehrenvorsitzender der Holthauser Schützen, den Hof.

Das Bauernhaus des Hofes Wiesche, auf dessen Deele 1857 der Holthauser Schützenverein gegründet wurde, stammt aus dem Jahre 1798. Zur damaligen Zeit hatte der Hof die katholische Kirche in Castrop als Grundherrin und führte als jährliche Abgaben an diese 2 Malter Hafer [Anm. 1], 13 Scheffel Gerste [Anm. 2] und 4 Hühner ab.

Bis zur Mitte der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde das Gründungshaus Wiesche beim Königsvogelschießen gerne als Herberge benutzt, in der Schützen und Gäste bei Kaffee, Kuchen und anderen Speisen ein wenig Ruhe und Kraft für den weiteren Tagesablauf tanken konnten. Inzwischen ist dieses Stück “Holthausen” abgerissen und der Grund mit Einfamilienhäusern bebaut.

Nebenstehend sehen wir das Gründungshaus Wiesche im Jahre 1980. Die Holthauser Schützen hören ihrem Btl.-Kommandeur Manfred Hanisch zu, der das Schießen auf den Königsvogel eröffnet.

Das Gründungshaus zierte erstmalig 1957 die Umschlagseite der Festschrift. Die Gestaltung hatte die Herner Künstlerin Josefa Holthoff vorgenommen.

Die Gründungsversammlung 1857

Das kleine Bauerndorf Holthausen bei Castrop, zu dem auch die Siedlungskerne Börsinghausen und Oestrich zählten, beherbergte 293 Seelen. Viele davon waren mit Sicherheit Gäste der regelmäßig stattfindenden Castroper Schützenfeste gewesen, die der Überlieferung nach bereits im 16./17. Jahrhundert abgehalten wurden. Offensichtlich waren aber gerade die jungen Bauernburschen nicht mehr bereit, nur Schützenfeste in Castrop zu besuchen. Sie wollten ein eigenes Fest.

Zur ersten beratenden Zusammenkunft trafen sich die jungen Holthauser Bauernburschen in den Fastnachtstagen des Jahres 1857 auf der Deele des Bauernhauses Wiesche und beschlossen die Gründung eines Schützenvereins. Stürmisch sei es dabei auf dem elterlichen Hof zugegangen, wie der 1935 im Alter von 98 Jahren verstorbene Heinrich Wiesche immer wieder gern erzählte. Die ältere Generation schüttelte die Köpfe, äußerte so manche Bedenken und wies nicht ohne Grund auch auf die finanziellen Risiken hin, die mit einem Schützenfest damals schon verbunden waren. Erfahrene Schützen aus der Nachbarschaft erklärten die Ausführung des Planes für unmöglich, ja sogar utopisch.

Wagemut und Feuereifer der Jungen setzten sich aber durch, der Schützenverein wurde gegründet. Gleichzeitig wurde beschlossen, noch im Herbst des gleichen Jahres ein Schützenfest zu feiern.

Zum Vorsitzenden, der den Titel “General” erhielt, wurde J. Vethacke gewählt, dem Gustav Thürich, Heinrich Lueg, Heinrich Tappe, Heinrich Wiesche, Teves, Eckmann und Heermann zur Seite gestellt wurden.

Innerhalb kurzer Frist schrieben sich 72 Holthauser als Mitglied ein. Die Anschaffung einer Trommel und einer Fahne als wichtigstes Vereinsinventar war von Anfang an beschlossene Sache und wurde bis zum ersten Schützenfest im Juli angeschafft. Ohne sollte das Fest nicht über die Bühne gehen.

Die Fahne war aus grün-weißem Tuch mit dem Bild des heiligen Hubertus und der Inschrift “Schützengilde Holthausen. Anno 1857”. Bilder davon gibt es nicht, denn die Technik der Fotografie war noch nicht so weit entwickelt, dass sie weite Verbreitung gefunden hatte.

Die nebenstehende Abbildung, die als Vorlage für die Berichterstattung im Jubiläumsjahr 1957 an die WAZ gegeben wurde, stellt wahrscheinlich dar, wie 100 Jahre zuvor die Holthauser Schützen, ihre Fahne und Trommel sowie die Ehrendamen ausgesehen haben. Gekostet haben die Fahne, die Trommel und die Uniformen die Holthauser Schützen 137 Taler und 50 Silbergroschen.

Schützenfest 1857

Die Begeisterung für die Schützensache und wahrscheinlich auch die Aussicht, einige schöne Tage und Nächte mit Nachbarn, Freunden und Bekannten sowie den Einwohnern der Nachbargemeinden festlich begehen zu können, beflügelte die eingeschriebenen Schützen bei ihren Vorbereitungen für das Schützenfest im Sommer. So mussten Verhandlungen mit dem Zeltwirt geführt, zünftige Musik bestellt und ein Vogel geschnitzt werden. Das Schiesspulver und auch ein Exerzieren durften nicht fehlen. Um die Festvorbereitungen erfolgreich abzuschließen, war so mancher Botengang erforderlich, der die Vereinskasse mit 10 Silbergroschen belastete, wenn der Bote in das benachbarte Bochum lief.

Damit das Schützenfest nicht nur Besucher aus der eigenen Gemeinde anlockte, nutzte man für die Werbung die einzige Zeitung in der näheren Umgebung. Im “Wochenblatt für den Kreis Recklinghausen” erschien deshalb am 27. Juni 1857 folgende Anzeige:

“Holthauser Schützenfest.
Sonntag, den 5. und Montag, den 6. Juli d. J. wird hierselbst das Schützenfest gefeiert werden.

Zur Teilnahme an diesem Fest laden wir alle Freunde fröhlicher Volksfeste mit dem Bemerken freundlichst ein, daß für eine vorzügliche Musik, sowie für ein schön gebautes geräumiges Zelt, gute und prompte Bewirthung, preiswürdige Getränke und sonstige Erfrischungen bestens gesorgt ist.

Die Musik wird von der Schulteschen Kapelle von Horneburg ausgeführt.

Alle diejenigen Einheimischen, die sich nicht haben einschreiben lassen, werden zu den Feierlichkeiten nicht zugelassen.

Holthausen bei Castrop, den 1. Juni 1857.

Der Schützen=Vorstand.”

Das Selbstvertrauen und der Mut der jungen Schützengilde kann nur bewundert werden, zusammen mit einer gehörigen Portion Vertrauen darauf, dass das Fest gelingen wird, der insbesondere im letzen Satz zum Ausdruck kommt.

Alle Skeptiker wurden durch den Verlauf des Festes eines Besseren belehrt. Das erste Holthauser Schützenfest verlief glanzvoll. Die Erwartungen wurden weit übertroffen. Der Besuch, auch aus den Nachbargemeinden, war überwältigend. Mancher Besucher wird auch von der Neugier angetrieben gewesen sein, zu sehen, wie so ein kleines Bauerndorf ein solch groß angekündigtes Fest gestaltete. Es galt aber sicherlich auch, dem ersten Holthauser Schützenkönig, Bauer Schulte-Oestrich und seiner von ihm erkorenen Königin, Frau Thürich, zu huldigen und so manches Gläschen auf das Wohl dieser Würdenträger zu leeren.

Das Fest verlief glanzvoll, so die Überlieferungen und Zeitungsberichte. Es bot aber auch den Holthauser Schützen reichlich Gesprächsstoff, denn das Fest hatte ein kaum zu übersehendes Loch in die Vereinskasse gerissen. Sparsam war offensichtlich nicht gewirtschaftet worden. Hierüber wurde viel erzählt und selbst die “Castroper Zeitung” berichtete im März 1899 noch davon.

Welche Summen ausgegeben wurden, wird deutlich an folgenden Zahlen: Zeltbau 70 Taler; Musik 52 Taler und 20 Silbergroschen; Pulver 4 Taler und 20 Silbergroschen; Königskrone 2 Taler; Kronen für die Ehrendamen 2 Taler; Seide zur Königsschärpe 1 Taler und 15 Silbergroschen; Besatz an den Hosen der Offiziere 3 Taler und 15 Silbergroschen. Der Tambour erhielt eine Sondervergütung von 3 Talern. Wie viel Bier ausgeschenkt wurde, ist nicht überliefert, aber ein halb Ohm [Anm. 3] wurden mit 3 Taler und 15 Groschen notiert.

All diese und weitere Ausgaben - die Seidenkleider der Ehrendamen wurden auch aus der Kasse bezahlt - verursachten ein gewaltiges Defizit.

So manche Besprechung wird auf der Deele des Hauses Wiesche stattgefunden haben, ehe der Fehlbetrag auch durch Freunde und Gönner ausgeglichen war.

Die Ausführungen zum ersten Schützenfest sollen geschlossen werden mit einem Blick auf das Königspaar. Ein Bild steht dem Verein leider nicht zur Verfügung, deshalb ein Blick auf das Zuhause von Schützenkönig und Königin.

Der erste Schützenkönig, Bauer Joseph Schulte-Oestrich, stammte aus dem Ortsteil Oestrich, zu dem nur 4 Höfe an der jetzigen Oestrichstraße gehörten. Der Hof Schulte-Oestrich gehörte 1827 mit 187 Morgen zu den größten Besitzungen der Bauernschaft Holthausen. Der Name Schulte lässt vermuten, dass ehemals dem jeweiligen Hofinhaber als Bauernvorstehen eine gewisse Gerichtsbarkeit über die Grundbesitzer der Bauernschaft zustand. Der Hof war an das Haus Henrichenburg abgabepflichtig.

Der Hof Thürich war mit 192 Morgen Grundbesitz der größte in der Bauernschaft Holthausen. Die Hofgebäude standen südlich der Mont-Cenis-Straße, ungefähr zwischen Vonnahme und Stegemann. Der Besitz umfaßte auch 4 Einliegerhäuser, 1 Brennerei und 1 Schmiede. Wohnhaus und Scheune brannten in den Jahren 1876/1877 nieder und wurden nicht wieder aufgebaut.

Sowohl Schützenkönig Schulte-Oestrich als auch Frau Thürich, die Königin, stammte - so kann sicher geschlossen werden - wohl nicht aus unvermögendem Hause. Beide werden mit Sicherheit ihr Scherflein zum Gelingen des ersten Schützenfestes beigetragen und ihre Schatullen bei der Bewältigung des Defizits nicht zugehalten haben.

Weblinks

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Anmerkungen

  1. Malter ist ein altes Hohlmaß und die Menge entspricht hier ca. 318 Liter
  2. Scheffel ist ein altes Getreidemaß. Die Menge espricht hier ca. 570 Liter Gerste
  3. Ohm ist ein altes Flüssigkeitsmaß. Die Menge espricht hier ca. 70 Liter

Einzelnachweise