Antifaschistischer Widerstand in Herne und Wanne-Eickel: Unterschied zwischen den Versionen
(3 dazwischenliegende Versionen von einem anderen Benutzer werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Es ist im übrigen vielfältig belegt: Auch in Herne und [[Wanne-Eickel]] gab es aktiven Widerstand gegen Faschismus und Krieg aus den Reihen der Arbeiterbewegung die auch in tiefster Illegalität fortbestand und die Idee der Solidarität über die dunkle Nacht der faschistischen Barbarei hinüberrettete. | |||
{{Button Portal DGB}} | |||
{{DGB}} | {{DGB}} | ||
__TOC__ | __TOC__ | ||
Es gab verschiedene Widerstandsgruppen die den Kontakt mit Gleichgesinnten in anderen Städten, zu Betrieben und Schachtanlagen aufrechterhielten. <ref group="Anm.">Siehe z.B. [[Peukert 1976]] S. 318/319</ref> So bestanden z.B. aktive, gewerkschaftliche Widerstandsgruppen auf den Schachtanlagen [[Zeche Pluto|Pluto]] in Wanne-Eickel und [[Zeche Shamrock|Shamrock]] in Herne. | |||
Alle diese, sowie die vielen heute nicht mehr belegbaren illegalen Gruppen aus Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und Parteilosen führten einen erbitterten gewerkschaftlichen Kleinkrieg gegen die Ausbreitung der faschistischen Totalität in den Betrieben, gegen die erhöhte Ausbeutung und Arbeitshetze und die gesteigerte Kriegsproduktion. Ihre mutigen Kampfaktionen für die einfachsten, alltäglichen Forderungen der Kumpel trugen zur Weiterführung großer Traditionen von Solidarität und Kameradschaft bei. Dabei galt es, nicht nur das gewerkschaftliche Bewusstsein bei den ehemaligen Mitgliedern wachzuhalten, sondern auch auf die zahlreichen vor [[1933]] nicht organisierten Jungarbeiter einzuwirken. <ref>[[Peukert 1976]] S.220</ref> | Alle diese, sowie die vielen heute nicht mehr belegbaren illegalen Gruppen aus Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und Parteilosen führten einen erbitterten gewerkschaftlichen Kleinkrieg gegen die Ausbreitung der faschistischen Totalität in den Betrieben, gegen die erhöhte Ausbeutung und Arbeitshetze und die gesteigerte Kriegsproduktion. Ihre mutigen Kampfaktionen für die einfachsten, alltäglichen Forderungen der Kumpel trugen zur Weiterführung großer Traditionen von Solidarität und Kameradschaft bei. Dabei galt es, nicht nur das gewerkschaftliche Bewusstsein bei den ehemaligen Mitgliedern wachzuhalten, sondern auch auf die zahlreichen vor [[1933]] nicht organisierten Jungarbeiter einzuwirken. <ref>[[Peukert 1976]] S.220</ref> | ||
Zeile 23: | Zeile 25: | ||
Unter den Opfern der ''Dortmunder Ostermorde'' befand sich auch der parteilose Metallarbeiter und Hitlergegner Friedrich Schrage aus Holsterhausen, der am 18. November 1944 verhaftet worden war. <ref>[[Braßel 1991]] S. 269</ref> | Unter den Opfern der ''Dortmunder Ostermorde'' befand sich auch der parteilose Metallarbeiter und Hitlergegner Friedrich Schrage aus Holsterhausen, der am 18. November 1944 verhaftet worden war. <ref>[[Braßel 1991]] S. 269</ref> | ||
Im April 1945 verlieren sich auch die Spuren der drei Herner Kommunisten Viktor Reuter, Paul Stawinski und Julius Rantowski im KZ Bergen-Belsen. Reuter arbeitete u.a. auf den Zechen [[Zeche Friedrich der Große|Friedrich der Große]] und [[Zeche Vereinigte Constantin der Große|Constantin]] und wurde in Folge der Kommunalwahl von [[1929]] unbesoldeter Beigeordneter der Stadt Herne. [[1932]] rückte der Herner Vorsitzende der KPD neben [[Karl Hölkeskamp]] (SPD) und [[ | Im April 1945 verlieren sich auch die Spuren der drei Herner Kommunisten Viktor Reuter, Paul Stawinski und Julius Rantowski im KZ Bergen-Belsen. Reuter arbeitete u.a. auf den Zechen [[Zeche Friedrich der Große|Friedrich der Große]] und [[Zeche Vereinigte Constantin der Große|Constantin]] und wurde in Folge der Kommunalwahl von [[1929]] unbesoldeter Beigeordneter der Stadt Herne. [[1932]] rückte der Herner Vorsitzende der KPD neben [[Karl Hölkeskamp]] (SPD) und [[Alois Weiß]] (Zentrum) in den westfälischen Provinziallandtag in Münster ein. Einen Tag nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 von der Gestapo verhaftet , kam er zunächst ins Herner Polizeigefängnis und später ins Moorlager Rhede-Ems. <ref>[[Braßel 1991]] S. 216</ref> | ||
Im Jahre 1936 war eine illegale, sozialdemokratische Widerstandsgruppe um Alfred Dymel und [[Robert Brauner]] aufgeflogen. Robert Brauner (SPD), späterer Herner Oberbürgermeister (1951 bis 1974) wurde dafür von den Nazis ins Zuchthaus gesperrt. <ref>[[Braßel 1991]] S. 217</ref> Karl Hölkeskamp langjähriger Vorsitzender der Herner SPD, Geschäftsführer des Bergarbeiterverbandes und Funktionär der AWO wurde von den Nazis öffentlich gedemütigt und nach den Kommunalwahlen im März 1933 seiner Ämter enthoben. <ref>[[Piorr/Wiedermann 2013]] S. 21</ref> | Im Jahre 1936 war eine illegale, sozialdemokratische Widerstandsgruppe um Alfred Dymel und [[Robert Brauner]] aufgeflogen. Robert Brauner (SPD), späterer Herner Oberbürgermeister (1951 bis 1974) wurde dafür von den Nazis ins Zuchthaus gesperrt. <ref>[[Braßel 1991]] S. 217</ref> Karl Hölkeskamp langjähriger Vorsitzender der Herner SPD, Geschäftsführer des Bergarbeiterverbandes und Funktionär der AWO wurde von den Nazis öffentlich gedemütigt und nach den Kommunalwahlen im März 1933 seiner Ämter enthoben. <ref>[[Piorr/Wiedermann 2013]] S. 21</ref> |
Aktuelle Version vom 18. September 2021, 23:38 Uhr
Es ist im übrigen vielfältig belegt: Auch in Herne und Wanne-Eickel gab es aktiven Widerstand gegen Faschismus und Krieg aus den Reihen der Arbeiterbewegung die auch in tiefster Illegalität fortbestand und die Idee der Solidarität über die dunkle Nacht der faschistischen Barbarei hinüberrettete.
Es gab verschiedene Widerstandsgruppen die den Kontakt mit Gleichgesinnten in anderen Städten, zu Betrieben und Schachtanlagen aufrechterhielten. [Anm. 1] So bestanden z.B. aktive, gewerkschaftliche Widerstandsgruppen auf den Schachtanlagen Pluto in Wanne-Eickel und Shamrock in Herne.
Alle diese, sowie die vielen heute nicht mehr belegbaren illegalen Gruppen aus Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und Parteilosen führten einen erbitterten gewerkschaftlichen Kleinkrieg gegen die Ausbreitung der faschistischen Totalität in den Betrieben, gegen die erhöhte Ausbeutung und Arbeitshetze und die gesteigerte Kriegsproduktion. Ihre mutigen Kampfaktionen für die einfachsten, alltäglichen Forderungen der Kumpel trugen zur Weiterführung großer Traditionen von Solidarität und Kameradschaft bei. Dabei galt es, nicht nur das gewerkschaftliche Bewusstsein bei den ehemaligen Mitgliedern wachzuhalten, sondern auch auf die zahlreichen vor 1933 nicht organisierten Jungarbeiter einzuwirken. [1]
Widerstand unter extremsten Bedingungen im KZ
Auch unter den extremsten Bedingungen gab es organisierten, antifaschistischen Widerstand in Gefängnissen und Konzentrationslagern. So gehörte z.B. August Stötzel ein kommunistischer Arbeiter aus Wanne-Eickel im KZ-Buchenwald zur Widerstandsgruppe, die in einem Rüstungswerk die Kriegsproduktion sabotierte. [2]
Überliefert ist auch die Existenz einer Widerstandsgruppe der >Edelweißpiraten< in Wanne-Eickel die neben der aktiven Auseinandersetzung mit der Hitler-Jugend regelmäßig die in großen Mengen von alliierten Fliegern abgeworfene Flugblätter unter Lebensgefahr in Briefkästen steckten. [3] Eine Gruppe von Mitgliedern des illegalen >Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands< in Wanne gehörte zu einem weitverzweigten Verbindungsnetz der Internationalen Transportarbeiterföderation (ITF). [4]
Auf vielfältige Weise gelangte antifaschistische Literatur ins Ruhrgebiet. Der Binnenschiffer Jupp Koke, der direkt am Kanalhafen in Wanne-Eickel wohnte transportierte mehrfach Flugblätter und Zeitungen, im Kohlenbunker versteckt, von Straßburg aus über den Rhein-Herne-Kanal nach Wanne-Eickel, von wo aus sie in Herne, Wanne und Gelsenkirchen und dem ganzen mittleren Ruhrgebiet verteilt wurden. Jupp Koke konnte zwar ebenso wie Wilhelm G. und Jakob Sch. zunächst einer Verhaftungswelle der Gestapo im Jahre 1936 durch Flucht nach Holland entgehen. Mit dem Überfall auf die Niederlande gerieten aber auch viele deutsche Antifaschisten, darunter auch die drei Wanne-Eickeler in die Hände der Gestapo. Alle drei haben das Nazi-Reich nicht überlebt. Ihre Spuren verlieren sich im Zuchthaus Brandenburg wo sie von ihren Peinigern erschlagen wurden. [5] [6]
Am 5. April 1945, wenige Tage vor der Befreiung seiner Heimatstadt wurde der jüdische Kommunist Kurt Baum aus Herne im KZ Buchenwald, kurz vor der Selbstbefreiung des Lagers von zwei SS-Leuten erschossen. Bei einer Verhaftungswelle am 5. Juli 1935 war der Widerstandskämpfer der Gestapo in die Hände gefallen.
Vom sogenannten Volksgerichtshof zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt, wurde Kurt Baum zunächst ins Zuchthaus Hameln, dann ins KZ Dachau und schließlich Anfang 1938 nach Buchenwald verschleppt. [7]
Kurz vor dem Ende nahm die Grausamkeit noch mal zu
Je mehr sich der Krieg seinem Ende näherte, desto grausamer schlugen die Terrororgane des faschistischen Staates um sich, als wollten sie möglichst viele ihrer Gegner mit sich in den Untergang reißen. Fast jede Stadt im Ruhrgebiet weiß von Massenmorden in den letzten Tagen vor der Befreiung. Viele Widerstandskämpfer aus dem Ruhrgebiet waren unter den Hingerichteten und Ermordeten der letzten Kriegswochen in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern überall im Deutschen Reich. [8]
Noch im März 1945 wurden in der Dortmunder Bittermark mehr als 200 Antifaschisten aus den Polizeigefängnissen Herne, Bochum und Dortmund ohne vorheriges Gerichtsurteil hingerichtet. [9]
Unter den Opfern der Dortmunder Ostermorde befand sich auch der parteilose Metallarbeiter und Hitlergegner Friedrich Schrage aus Holsterhausen, der am 18. November 1944 verhaftet worden war. [10]
Im April 1945 verlieren sich auch die Spuren der drei Herner Kommunisten Viktor Reuter, Paul Stawinski und Julius Rantowski im KZ Bergen-Belsen. Reuter arbeitete u.a. auf den Zechen Friedrich der Große und Constantin und wurde in Folge der Kommunalwahl von 1929 unbesoldeter Beigeordneter der Stadt Herne. 1932 rückte der Herner Vorsitzende der KPD neben Karl Hölkeskamp (SPD) und Alois Weiß (Zentrum) in den westfälischen Provinziallandtag in Münster ein. Einen Tag nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 von der Gestapo verhaftet , kam er zunächst ins Herner Polizeigefängnis und später ins Moorlager Rhede-Ems. [11]
Im Jahre 1936 war eine illegale, sozialdemokratische Widerstandsgruppe um Alfred Dymel und Robert Brauner aufgeflogen. Robert Brauner (SPD), späterer Herner Oberbürgermeister (1951 bis 1974) wurde dafür von den Nazis ins Zuchthaus gesperrt. [12] Karl Hölkeskamp langjähriger Vorsitzender der Herner SPD, Geschäftsführer des Bergarbeiterverbandes und Funktionär der AWO wurde von den Nazis öffentlich gedemütigt und nach den Kommunalwahlen im März 1933 seiner Ämter enthoben. [13]
Nur wenige Opfer des Widerstandes sind heute namentlich bekannt
Für die Stadt Herne sind 392 Todesopfer der religiösen, rassischen und politischen Verfolgung bekannt. [14] Für Wanne-Eickel liegen keine gesicherten Kenntnisse der Opferzahlen vor. Für beide, ehemals selbständigen Ruhrgebietsstädte kann aber angenommen werden, dass die Gesamtzahl der Opfer von Verfolgung und Repressalien die den Nazi-Terror mit dem Leben bezahlten weit höher liegt. Die Namen von nur wenigen dieser Menschen – darunter manche Gewerkschafter die im vollen Bewustsein der Gefahr aktiven Widerstand leisteten - sind uns heute überliefert und bekannt. Nicht zu vergessen die Opfer unter den zahlreichen Zwangsarbeitern verschiedener Nationalität und des Bomben-Krieges.
Internationale Solidarität über die Gräber hinweg
Wer weiß heute noch, dass in Herne und Wanne-Eickel während der Nazi-Diktatur mehr als 30.000 ausländische Arbeitskräfte aus 15 verschiedenen Ländern in etwa 40 über das ganze Stadtgebiet verteilten Lagern untergebracht waren?
Für 20.000 von ihnen, die sich zum Kriegsende noch in unserer Stadt aufhielten brachten die April-Tage des Jahres 1945 die Befreiung. Aber viele Hunderte von ihnen kehrten von Herne niemals wieder in ihre Heimatländer zurück. Auf dem Waldfriedhof in Wanne-Eickel liegen mindestens 234 Zivilarbeiter(innen) und über 1000 Kriegsgefangene meist aus der ehemaligen Sowjetunion begraben, die während des 2. Weltkrieges in unserer Stadt Zwangsarbeit verrichten mußten. Auf dem Wiescherfriedhof befindet sich in der Abteilung 13 eine große Grabstätte für mehr als 400 sowjetische Fremdarbeiter, darunter viele Frauen und sehr junge Menschen. Hier finden sich auch die Gräber von Ludmilla Hubry (10 Monate) und Victor Piroschek ( 6 Monate), beide in Herner Lagern geboren, die im Januar 1945 an mangelnder Versorgung starben. [16]
Es darf angenommen werden, dass viele von diesen Menschen vor ihrer Verschleppung nach Deutschland in ihren Herkunftsländern als Angehörige der internationalen Arbeiterbewegung wie viele ihrer deutschen Kolleginnen und Kollegen für soziale Gerechtigkeit, humane Arbeits- und Lebensbedingungen und Frieden eingetreten sind.
Rhein-Herne-Kanal bildete im April 1945 die Frontlinie
Nachdem das Ruhrgebiet im Laufe des März 1945 von amerikanischen und britischen Truppen eingekesselt worden war, drangen US-Einheiten am 31. März durch die Haard zum Nordrand Recklinghausens vor. Am 1. April besetzten sie die Stadt und überschritten die Emscher, so dass sich am 2. April bereits die Wanne-Eickeler Siedlung Im Dannekamp und ein geringer Teil des Herner Stadtgebiets in amerikanischer Hand befanden. Der Rhein-Herne-Kanal bildete nun die Frontlinie. In der Nacht vom 31. März zum 1. April hatte man von deutscher Seite noch viele Brücken über die Emscher und den Kanal gesprengt. [Anm. 2]
Die Luftschutzbunker waren Tag und Nacht überfüllt
In dieser letzten Kriegswoche wurde die Lebensführung für die in Herne und Wanne-Eickel verbliebene Bevölkerung nahezu unerträglich: Die Bunker waren Tag und Nacht überfrüllt, da man jederzeit mit Granatfeuer und Tieffliegerbeschuss rechnen musste. Die Lebensmittelvorräte schrumpften auf ein Minimum zusammen und konnten von Wachtrupps nur mit Mühe vor Plünderungen durch Hungernde bewahrt werden. Die im Bergbau, in Industriebetrieben und von der Stadtverwaltung eingesetzten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene verschiedener Nationalitäten litten besondere Not. Mindestens drei der Fremdarbeiter wurden noch im Frühjahr 1945 von Wachpersonal erschossen. [17]
Herner Bergleute verhindern Hitlers Nero-Befehl
In den letzten Kriegstagen sorgten Herner und Wanne-Eickeler Antifaschisten dafür, dass der sogenannte „Nero-Befehl“ Hitlers, der die Zerstörung der Industrieanlagen erzwingen sollte, bevor sie in die Hände der Alliierten gerieten verhindert wurde. Auf den Schachtanlagen Friedrich der Große I/II und III/IV in Horsthausen sollten vor Eintreffen der Alliierten wichtige Produktionsanlagen gesprengt werden.
Ausgerüstet mit Jagdgewehren und alten Karabinern gelang es dem betrieblichen Werkschutz sowohl einen Sprengtrupp der Wehrmacht als auch einer Gruppe der SS vom Vollzug des Zerstörungsbefehls abzuhalten und die Angreifer in die Flucht zu schlagen. Auch auf den Wanne-Eickeler Zechen Wilhelmine Vivtoria, Unser Fritz und der Königsgrube in Röhlinghausen wurde die faschistischen Sabotagebefehle vereitelt. Dem Leiter des Herner Postamtes gelang es mit List, dass die Fernsprecheinrichtungen gesprengt wurden. [18]
Am 10. April 1945 war der Krieg in unserer Stadt beendet
Am 7. April überschritten amerikanische Truppen auf breiter Front den Rhein-Herne-Kanal. Einen Tag später, am 8. April brachen die Amerikaner nach Wanne-Eickel durch. In den frühen Morgenstunden des 10. April rückten die US-Truppen in die noch nicht besetzten Teile Hernes ein, ohne das sie auf bewaffneten Widerstand stießen. Für Herne und Wanne-Eickel waren am 10. April 1945, vier Wochen vor der Kapitulation und der militärischen Niederschlagung des Faschismus in Europa, die aktiven Kriegshandlungen beendet. [19]
Wirtschaftsbosse und Zechenleitungen waren abgetaucht
Der Geschützdonner aus den noch nicht befreiten Gegenden des Ruhrgebiets war noch zu hören, als in unserer Stadt die Arbeitnehmer unter Leitung von antifaschistischen Gewerkschaftern und Betriebsräten sofort daran gingen den Kriegsschutt zu beseitigen, die Produktion und Kohleförderung wieder in Gang zu bringen und die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Oftmals waren die Betriebsräte in den ersten Wochen nach der Befreiung völlig auf sich gestellt. Wirtschaftsbosse und Zechenleitungen die bis zuletzt zu den Steigbügelhaltern der Nazis gehörten waren abgetaucht oder auf der Flucht.
Gewerkschafter übernahmen die Leitung der Betriebe und der Stadtverwaltung
Es gab kein Wasser, keinen Strom, kein Gas, der Zustand der Verkehrsanlagen war chaotisch. Viele Familien waren obdachlos und litten Hunger. Unter diesen Umständen übernahmen vielfach Antifaschisten und Gewerkschafter die Leitung der Stadtverwaltungen, wie in Herne eine Gruppe um den Stadtverordneten Otto Kuhn. Arbeiter zogen die Maschinen aus dem Schutt und Gewerkschafter übernahmen die Verantwortung dafür, dass das Wenige so gerecht wie möglich verteilt wurde. Sie waren auch die ersten, die den Menschen wieder ein Ziel gaben, für das es sich lohnen sollte, in Zukunft zu leben und zu arbeiten. [20]
Erste Bemühungen zur Reorganisation der Gewerkschaften
Noch vor Kriegsende hatten sich in Herne, Wanne-Eickel und anderen Ruhrgebietsstädten erste antifaschistische Betriebs- und Gewerkschaftsausschüsse gebildet, deren Aktivitäten aber zunächst ende April 1945 von der amerikanischen und englischen Militärbehörde verboten wurde. [21] Bereits am 15. April 1945 fand im benachbarten Gelsenkirchen-Buer die von den Besatzungsmächten nicht genehmigte Gründung des >Freien Deutschen Gewerkschaftsbund – Industriegruppe Bergbau< statt. Ihm schlossen sich auch die Gewerkschaftsgruppen der Herner und Wanne-Eickeler Zechen an. So wurde z.B. auch auf der Schachtanlage Shamrock III/IV Anfang Mai 1945 eine Betriebsgewerkschaftsgruppe unter Leitung des Betriebsrates Rudi Hoh gegründet. [22] Zuvor war ein Betriebsrat und ein Betriebsführer gewählt sowie ein Werkschutz gebildet worden. [23] Aus diesen Anfängen rekrutierte sich der kurze Zeit später, am 8. und 9. Dezember 1946 auf der 1. Generalversammlung in Herne gegründete > ndustrieverband Bergbau für die britische Zone<. [24] In den anderen Wirtschafts- und Verwaltungsbereichen vollzog sich die Entwicklung ähnlich. Am 31. März 1946 wurde der >Ortsverband Metall Herne< unter Vorsitz von Willi Wagner und dem Geschäftsführer Ernst Lemke von der Militärregierung zugelassen. Zuvor war am 24. März 1946 die Bezirksgründung des >Metallverbandes Bochum< mit den angeschlossenen Städten Herne, Wanne-Eickel und Recklinghausen erfolgt. [25]
Willi Wagner beteiligte sich u.a. auch im ersten von der Militärregierung am 20. Juni 1945 eingesetzten Stadtausschuss am demokratischen Neuaufbau Hernes. [26]
Im Oktober 1945 nahm der Herner Ortsverein des alten <Verband der deutschen Buchdrucker< einer Vorläuferorganisation der 1948 gegründeten IG Druck und Papier, unter Vorsitz von Max Buchmüller und aktiver Mitwirkung von Fritz Schmidt und Wilhelm Weber wieder seine legale Tätigkeit auf. [27]
Schwieriger gestalteten sich indes nicht nur in Herne und Wanne-Eickel sondern in der gesamten britischen und amerikanischen Zone die Bemühungen zur Gründung einer einheitlichen Gewerkschaft für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sowie des Transport- und Verkehrsbereiches. Was nicht zuletzt an den besonderen Auflagen der alliierten Militärregierung lag. Schließlich gelang es aber den 130 angereisten Delegierten auf dem Verbandstag des >Industrieverbands Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr für die Provinz Westfalen< am 21. Dezember 1946 im Herner Volkshaus die westfälischen Orts- und Bezirksverwaltungen der späteren ÖTV zu einem einheitlichen Verband (zunächst auch noch für die Beschäftigten von Post und Reichsbahn zuständig) zusammenzuschließen. [28] [29] [30]Anmerkungen
Verwandte Artikel
- Portal DGB-Geschichtswerkstatt (← Links)
- Der Rhein-Herne-Kanal und der antifaschistische Widerstand in der Zeit des Nationalsozialismus (← Links)
Einzelnachweise
- ↑ Peukert 1976 S.220
- ↑ Peukert 1976 S.260
- ↑ Peukert 1976 S.293
- ↑ Peukert 1976 S.207
- ↑ Peukert 1976 S.180
- ↑ Widerstand an Rhein und Ruhr / S. 114 / VVN-NRW / Druckerei A. Nierhoff Herne / 1969
- ↑ Piorr/Wiedermann 2013 S. 25
- ↑ Ruhrarbeiter gegen den Faschismus / D. Peukert/ Röderbergverlag Frankfurt/a.M/ 1976/ S. 326
- ↑ Dorn/Zimmermann 1987 S. 336
- ↑ Braßel 1991 S. 269
- ↑ Braßel 1991 S. 216
- ↑ Braßel 1991 S. 217
- ↑ Piorr/Wiedermann 2013 S. 21
- ↑ Dorn/Zimmermann 1987 S. 342
- ↑ 15,0 15,1 Foto von Thorsten Schmidt (22.01.2017)
- ↑ Piorr/Wiedermann 2013 S. 48 / 52
- ↑ Dorn/Zimmermann 1987 S. 334
- ↑ Dorn/Zimmermann 1987 S. 335
- ↑ Dorn/Zimmermann 1987 S. 336
- ↑ Max Reimann / Entscheidungen 1945 – 1956 / VMB –Frankfurt a.M / 1974 / S.38/39
- ↑ Max Reimann / Entscheidungen 1945 – 1956 / VMB –Frankfurt a.M / 1974 / S.37
- ↑ Jahre die wir nicht vergessen 1945–1950 / IGBE Bezirk Ruhr-Nord / 1980
- ↑ Braßel 1991 S. 401
- ↑ Jahre die wir nicht vergessen / S. 9/10
- ↑ Ohne Erinnerung hat die Zeit kein Gesicht / 1903-2003 / 100 Jahre IG Metall Herne / Herne 2003 / S. 93
- ↑ Ohne Erinnerung hat die Zeit kein Gesicht / 1903-2003 / 100 Jahre IG Metall Herne / Herne 2003 / S. 98
- ↑ Vom Verband der Deutschen Buchdrucker zur Dienstleistungsgewerkschaft ver.di / 100 Jahre Ortsverein Herne / Festschrift / Herne 2001 / S. 17/19
- ↑ 100 Jahre ÖTV / Union Druckerei- und Verlagsanstalt GmbH / Frankfurt a.M / 1996/ S. 279
- ↑ 50 Jahre ÖTV-NRW / Zur Geschichte des Bezirks NW II 1948-1998 / S.7
- ↑ Ein Artikel von Norbert Arndt