Röhlinghausen - einst und jetzt (1926)
Am 1. April 1926 wurde in der Wanne-Eickeler Zeitung aus Anlass der Stadtwerdung mehrere geschichtliche Artikel veröffentlicht. Wir zitieren:[1]
Röhlinghausen einst und jetzt
Von Konrektor Heitkamp
Als vor vielen hundert Jahren in dem Urwald, der sich von der Emscherniederung her nach Süden zog, der erste Ansiedler einen Teil rodete und in der Rodung, nach der er Rodling— Röhlinghaus genannt wurde, seine Wohnung baute, da ahnte er wohl nicht, dass dereinst durch diese einsame Gegend Schienenstränge und Eisenbahndämme, ihren Weg nehmen würden. Wo sein Blick damals durch Bruch und Wald gehemmt wurde, da stellen sich demselben heute die Bahndämme entgegen. Sie kreuzen die Gemeinde nach Norden und Süden, nach Osten und Westen und kaum eine anderer Ort wird auf diese Weise in so viele Teile und Teilchen zersplittert.
So kommt es, dass von den landschaftlichen Schönheiten aus früherer Zeit fast nichts mehr zu erkennen ist. Und doch hat es in unserer Gemeinde manchen hübschen Winkel gegeben.
Wo heute die Zeche Pluto steht und sich der Bahndamm der alten rheinischen Eisenbahn erhebt, im sogenannten Oestern, da lag ehedem ein Hain, in dem uralte Eichen ihre Häupter erhoben, in dem in grauer Vorzeit die Priester und Priesterinnen des Wodan ihres Amtes walteten. Hier war die Quelle des Baumbaches, der durch die Wiesen hinter den Beamtenhäusern der Zeche seinen Lauf nahm und an Brunkhorsts gen. Haumann, Steinbergs und Göddenhofs Hof vorbei zum Hüller Mühlenbach floss. Hier tranken Hirsch und Reh, und in den Wipfeln sangen die gefiederten Sänger ihre lieblichen Weisen. Die Alten erinnern sich noch gut des Opfersteins mit seinen Blutrinnen, der später von den Erdmassen des Bahndammes verschüttet wurde. Hier war denn später der Wildbann der Kurfürsten von Brandenburg und der Könige von Preußen. Nur der Name „Wilbe“ erinnert noch an Waldestiefe und geheimnisvolles Leben der Waldtiere. Dann bebauten große Bauern hier ihre Scholle: die Blankes, Terkamps, Pins, Beisemanns. Manches könnten die noch bestehenden Häuser vom Fleiß der Alten und von fröhlichen Gebehochzeiten erzählen, auf denen die Teilnehmer ihren dicken Reis bei den Nachbarn aßen, und zu dem sie die Löffel selbst mitbringen mussten.
Folgen wir dann der Schulstraße an Vietinghof vorbei, so kommen wir in das Tiefenbruch. Da wohnten die Funkes, Caspers, Bennebusch, Möllers gen. Knop und Rademachers. In der Mitte der Höfe lag ein Teich, der ein kleines Wässerlein dem Baumbache zusandte. In ihm wuschen bei fröhlichem Sange die Mädchen die Rüben und Runkeln und aus ihm trank das Vieh, wenn es abends von der Weide kam. Wie friedlich lagen die Häuser da in dichtem Grün. Schmale Wege von Weißdorn und Haselnuss begrenzt zogen sich an lieblichen Wiesen vorbei von einem Hofe zum andern. Alte Birnbäume und Eschen beschatteten die Häuser, und die ersteren bieten dem Auge noch heute ein gar freundliches Bild namentlich im Schnee und zur Blütezeit. Von dem Heckenwege, der die Höfe der Tiefenbruchs mit denen der Steinbergs, Gildenhofs, Bembolts, Bönnebruchs verband, findet der Wanderer leider keine Spur mehr und doch waren sie durch das Band treuer Nachbarschaft in Freud und Leid miteinander verbunden.
Heute liegt hier die neue Kolonie Pluto, und nur der Name der Roland=, Tiefenbruch= und Kuhstraße und die alten Bauernhäuser der Funkes und Caspers mit ihren alten Birnbäumen und Eschen erinnern an die alte beschauliche Zeit. Wenn wir von diesem Ostteil nach Südosten wandern, so sehen wir ragende Buchen. Sie beschatteten die großen Höfe der Röhlinghaus und Stratmanns. Diese gehörten in alten Zeiten dem Kloster Werden und dem Stift Essen und ihre Besitzer übten im Namen derselben die niedere Gerichtsbarkeit aus. Der älteste der beiden ist nicht mehr vorhanden, und der vorletzte Besitzer baute nicht weit von der alten Stelle einen schönen neuen Hof, dessen heutiger Besitzer auch aus derselben alten Familie stammt. Stratmanns Hof ist in unser Volkshaus umgebaut, das noch im letzten Jahre hübsche Gartenanlagen bekam. Die Scheune ist in eine geräumige Turnhalle, die auch als Festsaal benutzt wird, umgewandelt und auf dem großen Spielplatz, vor dem früher der Garten lag, tummeln sich heute unsere Kinder und üben sich Sportvereine. Nach Westen fließt der Hüller Bach vorbei. In seinem neuen Bette wälzt sich trübes Zechenwasser dahin und nichts erinnert mehr daran, dass früher klares Wasser, auf dem Enten und Gänse ihr Spiel trieben und in dem sich Fische mancherlei Art tummelten, dorther floss und an seinem Ufer Erlen und Weiden ihre Zweige neigten. Von den Feldern, die früher zu Stratmanns Hof gehörten, sind nur noch geringe Reste vorhanden, die heute von Kleingärtnern bearbeitet werden. Siedlungs=, Privat= und Gemeindehäuser sind dort errichtet worden. Zu einem anderen Ortsteil müssen wir unsere Schritte noch lenken, das ist das Lakenbruch. Hier hatten die Herren von Aschenbrok sich ein festes Haus zum Schutze gegen ihren Nachbarn, den Herren von Dahlhausen erbaut. (Wegen der Aschenbrocks verweisen wir auf einen besonderen Beitrag in dieser Ausgabe. D. Red.) Von ihm ist keine Spur mehr vorhanden, denn an der alten Stätte ist die Zeche Königsgrube erbaut worden.
So erinnern nur noch Überreste an alte schöne Zeiten, aber dass echter Bürgersinn und Liebe zur Heimat auch heute hier eine Stätte haben, davon zeugen die beiden stattlichen Kirchen, schöne Schulhäuser und gutausgebaute Straßen. Ein Zeichen aber auch dafür, dass die Väter sich der Entwickelung nicht verschlossen und hinter der fortschreitenden Kultur nicht zurück blieben. Möge dieser Sinn auch ferner erhalten bleiben und unser liebes Röhlinghausen in der neuen Stadt ein Plätzchen an der Sonne erhalten.“
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