Etwas über Reisepass und Passvisum im Herne vor 100 Jahren (1923) II

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 20. Dezember 1923 wurde im "Herner Anzeiger" folgender zweiter Artikel einer Serie über die Ausstellung von Reisepässe zur Zeit der Maire Herne veröffentlicht, welchen wir hier gerne wiedergeben. [1]

Etwas über Reisepass und Passvisum
im Herne vor 100 Jahren.
(Von Stadtinspektor [Adolf] Honnert.)
2.
Über die einschneidenden Bestimmungen der Instruktion bezüglich der Anwendung auf die Einwohner der Mairie Herne gibt die nachstehende Verhandlungsniederschrift Aufschluss:

Herne, den 2. April 1810.
Auf erfolgte Veranlassung gestellte sich anheute der Kötter und Zimmermann Johan Henrich Herntrey aus Herne und machte die Bemerkung, daß er nach Vorschrift der Instruktion vom 23. July 1809 über die zu ertheilenden Pässe sich mit seinem ganzen Vermögen für seinen leiblichen Sohn
Johann Henrich Herntrey
— 18 Jahre alt—
welcher willens sey, zur Erlernung der Schreinerprosession sich nach Velbert zu begeben, hergeben wollte, daß er pro 1811 zur Conscription aufgeboten würde, sich persönlich zu gestellen, auch im :Falle er zum activen Dienst herangezogen werden möchte, daß er entweder persönlich dienen werde oder er als Vater und in seinem ehrvorhaften Lebsterben seine Frau und großjähriger und ältester Sohn Georg Herntrey aus ihrem Vermögen demselben remplacieren lassen wollten.
Hierauf ist dann unter diesem Vorbehalt dem noch nicht in der Conscription sich befindenden Johan Henrich Herntrev
seitens der Mairie der Paß ertheilt und vom Comparenten dieses Protokoll eigenhändig unterschrieben worden
gez. Natorp. gez. Henrich Herntrey.

Die Reisepässe hatten Folioformat. Die linke Seite des Formulars, der sogenannte Stamm, wurde mit einer Schere wellenförmig vom eigentlichen Pass Formular abgeschnitten und verblieb bei der ausstellenden Behörde. Bei den Akten befinden sich noch einige ausgestellte Pässe.“ Davon sei einer, der nicht das vom Maire in Herne erbetene Visum des Präfekten in Dortmund erhalten hat, weil „es der Ordnung zuwider, daß ein Paßformular in französischer Sprache, in deutscher Sprache ausgeführt wird", nachstehend abgedruckt

Dokument
Arrondissement de Dortmund Police du Générale du Grand Duché de Berg.
Direction de Dortmund L. S. Wappen.
Commissariat de police de Bochum
valable pour Passeport à ein Jahr
Registre de Municipalitaet Nr. 15.
Timbre de Dimension
Sigualement Au Nome de sa Majesté
Âge zweyundzwanzig Jahre. L'Empereur du Français. Roi d’Italie,
Protecteur de la Confédération du Rhin.
Taille fünf pieds zwey fuss Vous, Caspar Henrich Steelmann,
Maire der Municipalitaet Herne,
invitons les Autorités civiles et Militaires à laisser passer et librement circuler de Herne,
arrondissement de Dortmund, à Kettwich.
Cheveux dunkelbraun. Le Johann Wilhelm Dannebörger,
profession Fassbinder,
né en 1789 de Herne,
arrondissement Dortmund,
demeurant à Herne et à alde et
protection en cas deini donnér.
Front hoch Délivré zu Eickel in der Municipalität Herne.
Fait à zwanzigsten April im Jahr eintausendachthunderzwälf.
Inhaber dieses Passes hat bei der Conscription pro 1809 Nr. 57 gezogen
und ist bei der Musterung für untauglich erkannt wegen eines Fehlers:
moiltum physicum genannt.
Sourcils dunkelbraun. Le Maire Steelmann.
Jeux blau Secrétaire de Mairie Förster.
Nez breit
Bouche klein
Barbe —
Menton rund
Visage rundlich
Teint bleich
Signes particuliers Pokkennarbig
Signature du porteur gez.: Johann Wilhelm Dannebörger.
Poids quarante Soes

Am 13. Mai 1812 schreibt die in Eickel ansässige Freifrau M. von Rump an den Bürgermeister Steelmann folgenden Brief:

Ich bin so frey, Herr Maire, Ihnen heute zu schreiben, um Sie zu bitten, der Demoiselle Gertrud Dütting, die ich bei mir habe, einen Reisepaß auszufertigen. Ich denke, die Elle kann entschuldigen, daß er nicht von der Präfektur genommen wird, und ich glaube, man mochte es darin wohl aufführen wegen schleuniger Familienangelegenheiten. Ihre Mutter ist plötzlich krank geworden und verlanget sie. Morgen früh reiset sie ab. Die Reise gehet über Haltern, Münster auf Osnabrück nach Melle. Sie ist in Haselüne gebürtigt, 23 Jahre alt, kleine Statur, hohe Stirne, blaue Augen, dunkle Augenbrauen, dicke Nase, mittelmäßigen Mund, blonde Haare und blatternarbig, wenn sie es vielleicht so genau nicht zu erinnern wüßten. Ich bitte mir doch aus, daß die mir den Paß gütigst mit dem Mädchen zurück schicken, weil morgen die Abreise ganz früh gesetzt ist.
Ich verharre in bekannter Hochachtung Ihre ergebene Dienerin
den 13ten März. M. von Rump
Viele Complimente von uns allen an Ihre Frau.

Der Maire Steelmann war wie alle Verwaltungsbeamten es sein sollen, ein höflicher und zuvorkommender Mann, wie aus seiner nachstehenden Antwort ersichtlich ist:

Gnädige Frh. Frau!
Auf Ihr gnädiges Schreiben vom heutigen Tage übersende ich Ihnen zur Reise der Memoiselle Dütting anliegendes ausgefertigtes Certificat unter der Voraussetzung, wenn sonst keine Hindernisse der Reise im Wege stehen, und habe ich die Ehre, mich mit der ausgezeichnetesten Hochachtung zu verabschieden.
Eickel, den 13ten März 1812. Steelmann.

Der Herner Bürgermeister bezog die Paßformulare von der Direction der Domainen=Verwaltung des Großherzogtums Berg in Hamm. In den Akten befindet sich ein Schreiben des Maires Steelmann von Herne an den Herrn Domainen=Rentmeister von Wolframmsdorff in Hamm, in welchem er die „Uebermachung“ von 38 francs 70 centimes für 18 Paßformulare anzeigt. Dieser Betrag wurde in Bochum bei der Postkasse eingezahlt.
Auch der damalige Herr auf Schloß Strünkede in Herne, von Forell, wendet sich am 9. März 1813, als die Kunde von der Erhebung Preußens gegen die Franzosen an sein Ohr gedrungen sein mag, mit folgender Bitte an den Maire Steelmann:

Ich war voller Freude, daß ich schon meinen Paß zu sehen glaubte, und mit Leidwesen bemerke ich nun, daß es vielleicht noch lange wehren wird, ehe und bevor ich einen erhalte. Mein Schwiegervater ist schon abgereist und ich mußte hier bleiben, da ich nicht den Paß hatte. Ich ersuche Sie also recht, mir baldmöglichst einen zu besorgen, da ich stündlich den Pferden entgegensehe, so mich abholen werden.
Ich begrüße Sie mit Achtung d. Forell.

Steelmann beantragte noch am selben Tage das Passvisun für den Hauptmann von Forell bei dem Prafekten des Arrondissements Dortmund für eine Reise in Familienangelegenheiten nach Ordingen.
Ob der Hauptmann von Forell den von ihm gewünschten Paß auch erhalten hat, ist aus den Akten nicht zu ersehen. Doch findet sich noch folgendes Schreiben:

Strünkede, den 21 Februar 1813
Hierbey erfolgt das unterschriebene Certificat retour, ich ersuche Sie recht sehr, mir sobald als möglich den Paß zu besorgen. Sollten Sie aber nicht sobalde Gelegenheit haben, dann bitte ich es mit einem Bothen zu besorgen, und wenn dieser von Eickel zu Herne fahren sollte, dann schicken Sie mir den Brief nur zu, dann werde ich es hier besorgen.
Hierbey meine Antwort über das Wegegeld. Ich mußte manches darin sagen, was den Municipalrat blos angehet. Sie werden einsehen, daß ich recht habe und daß es am besten ist, daß ich meinen Weg für mich alleine behalte.
Achtungsvoll unterzeichne ich mich
v. Forell.

Die im Entstehen begriffene Erhebung Preußens wirft ihre Schatten schon in das Großherzogtum Berg. Am 30. März 1813 erlässt der Präfekt des Ruhrdepartements an die Maires im Kanton Bochum, zu dem auch die Mairie Herne gehört, eine Rundverfügung, worin eingangs erwähnt wird, daß „mehrere Persohnen aus der Fremde in das Großherzogtum Berg eingekehrt sind, ohne daß man ihre bey sich habenden Pässe gehörig visiert habe“. Es wird den Maires von dem Präsekten v. Rombach dringend empfohlen, größte Vorsicht zu üben, denn „wenn diese je nothwendig war, so ist es precis bey der gegenwärtigen politischen Lage der Dinge“.
Am 8. April 1813 fordert der Maire also die Mairiepolizeibeamten auf, „auf die in der Mairie einkehrenden Fremden besonders ihr Augenmerk zu richten, ihre Pässe sich vorzeigen, und wenn „dieselben nur wenige Zweifel oder die Aechtheit derselben fehlen sollte, dieselben zu arretiren und zur hiesigen Mairie abzuliefern.“ Bei Strafe nachtheitiger Folgen wurden die Mairiepolizisten ausgefordert, „alle Abend alle Herbergierungen und besonders diejenigen Häuser zu visitiren, wo schlechtes Gesindel und Flüchtlinge einen Aufenthalt suchen und finden". Der Schlußsatz des Befehls an die Mairiepolizeibeamten ist sehr bedeutsam und lässt einen Schluss auf die politische Einstellung des Maires selbst zu. Es heißt: „Ich erwarte die größte beste Vigilance um sich gehörig zu sichern und nicht in jetziger politischer Lage keiner Verantwortung auszusetzen.“
Ein „hoher ministerieller Beschluß“ vom 17. 4. 1813 verordnet nochmals, daß „auf Vorzeigung der Pässe aufs strengste gehalten und auf diese Weise alle Verbrecher, Deserteurs und Vagabunden verhaftet werden sollen“.
Frankreichs Kaiser war auf den russischen Schlachtfeldern geschlagen und die Trümmer der einst so stolzen, sieggewohnten Armee fluteten zerlumpt, hungrig und frierend westwärts. Preußen stand auf! Die Unsicherheit auch im Großherzogtum Berg wächst von Monat zu Monat. Am 30 September 1813 weist der Präfekt des Ruhrdepartements in Dortmund den Maire von Herne nochmals an, dem Einschleichen und Aufenthalt aller Persohnen, weiche die öffentliche Ruhe und Sicherheit gefährden könnten“, wirksam entgegen zu treten und Verdächtige zu verhaften. Alle Gasthöfe und Wirtshäuser werden der besonderen Aufsicht des Maires empfohlen. Von allem „Merkwürdigkeiten“ ist unverzüglich Berichten zu geben.

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Quellen