Etwas über Reisepass und Passvisum im Herne vor 100 Jahren (1923) I

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 20. Dezember 1923 wurde im "Herner Anzeiger" folgender Artikel einer Serie über die Ausstellung von Reisepässe zur Zeit der Maire Herne veröffentlicht, welchen wir hier gerne wiedergeben. [1]

Etwas über Reisepass und Passvisum
im Herne vor 100 Jahren.
(Von Stadtinspektor [Adolf] Honnert.)
1.
In dem neugeordneten Archiv der Stadt Herne befindet sich ein vergilbtes und verstaubtes Aktenbündel, welches folgende Aufschrift trägt:

Acta
über die Ertheilung der Pässe 1809—1818
Municipalität Herne.
(nicht im Originaltitel abgedruckt)

Dies historische Aktenstück birgt ein Stück Herner Dorfgeschichte und ist auch familiengeschichtlich sehr interessant, sodaß es auch in unserer schnelllebigen und schnellvergeßlichen Zeit wertvoll sein dürfte, das Wissenswerte aus diesem Aktenbändchen hier festzuhalten.
Das Dorf Herne gehörte bekanntlich nach dem verlorenen Kriege 1806 zum Großherzogtum Berg. Der „maire" der „Mairie Herne“ hieß Steelmann. Er hatte seinen Amtssitz in Eickel.
Für die Ausstellung der Reisepässe war die „Instruction über die Ertheilung der Pässe“ maßgebend, die sich in zwei Druckstücken in den Akten findet. Diese Instruktion ist in französischer und deutscher Sprache abgefasst und vom Minister des Innern in Düsseldorf am 23. Juli 1809 herausgegeben worden. Graf von Nesselrode hat sie verantwortlich gezeichnet. Das Druckstück selbst wurde hergestellt in „Dusseldorf, de l’imprimerie du gouvernement.— 1809.“ Die „Instruction" zerfällt in zwei Abteilungen. Die erste Abteilung handelt über die Pässe im Allgemeinen.

Titel I: Von Einländern, welcher innerhalb Landes reisen.
Titel II: Von Einländern, welche ins Ausland reisen
Titel III: Von den Reisenden, welche aus dem Auslande in das Großherzogtum treten.
Titel IV: Allgemeine Verfügungen.

Die zweite Abteilung ist überschrieben:

„Wegen der den Conscribirten zu ertheilenden Pässe.“
Titel V: Allgemeine Verfügungen.
Titel VI: Wegen der Pässe fremder Conscribirten, welche in das Großherzogtum kommen, oder darin reisen.
Titel VII: Transitorische Verfügungen.

Aus dem Inhalt sei als wesentlich und interessant erwähnt, dass die Einwohner des Großherzogtums Berg nur dann eines Passes bedurften, wenn sie über die Grenze ihres Departements zu reisen gedachten. Die Pass Ausfertigung erfolgte durch den Maire des zuständigen Wohnortes. Der Pass galt für ein ganzes Jahr. Der Reisende, der sich länger als achtundvierzig Stunden in einem Orte aufhielt, musste seinen Pass vom Maire des Ortes visieren lassen. Zuwiderhandelnde wurden festgehalten. Zur Fortsetzung der Reise konnte ihm dann eher kein Pass erteilt werden, bis er zwei „vertraute Bürgen“ gestellt hatte.
Der „Einländer" des Großherzogtums Berg. der ins Ausland reisen wollte, bedurfte unter allen Umständen eines Passes. Diese Auslandspässe wurden jedoch vom Präsekten oder Unterpräfekten des Departements erteilt und hatten ebenfalls ein Jahr Gültigkeit. Zur Erlangung des Auslandspasses war eine Bescheinigung des Maire der Wohngemeinde erforderlich, welche enthalten musste:
a) Signalement,
b) die eigenhändige Unterschrift des Reisenden,
c) die Bestimmung des Ortes, „wohin die Reise gerichtet werden will“,
d) „die allgemeine Veranlassung zur vorhabenden Reise, z. B. Familien= oder Handlungsgeschäft, Lustreise usw.“

Bei „Ausmittelung der Veranlassung der Reise" hatte jede Behörde „vorzüglich“ darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Pässe nicht etwa zur Auswanderung (!) oder von ganz „Unvermögenden" zum Betteln missbraucht werden. Ebenso vorsichtig sollten die Behörden zu Werke gehen, wenn Pässe von Leuten verlangt werden, „welche in zweydeutigem Rufe stehen, in dem es die Erfahrung lehrt, dass Bösewichtern (!) selten in der Nähe ihrer Heimath, aber soviel ehender in einiger Entfernung von derselben Diebstähle und sonstigen Unfug ausüben.“
Ausländer, welche in das Großherzogtum Berg eingereist waren, waren auf alle Fälle gebunden, „ihre Pässe gleich aufzuzeigen“. Über die Gültigkeit eines fremden Passes sollte kein Zweifel bestehen, wenn der Pass entweder von einem „K. K. französischen Präfekten, oder von einem Königlich=westfälischen, oder von den oberen Behörden der hohen verbündeten Mächte und der Rheinbundes=Staaten oder endlich auch von dero diplomatischen Agenten ausgefertigt ist.“ Hatte der Fremde keinen Pass oder fehlten in seinem vorgezeigten Paß „die Hauptformalitäten“, so war es Pflicht des „Maires im Gränzorte“, den Fremden „unter bescheidener Aufsicht" zu halten, bis durch den Unterpräsekten der Bericht ans Ministerium gelangt und eine Entscheidung erfolgt war.
Alle Pässe im Großherzogtum Berg wurden nach einem einförmigen Muster gedruckt angefertigt und nach Verlangen des Passnehmers in französischer oder deutscher Sprache angefertigt. Der Preis eines Passes wurde „edictmäßig" auf 40 Stüber festgesetzt. Das Passvisum war kostenlos. Die Postmeister durften keinen ihnen ganz unbekannten Fremden Pferde zur Abreise geben, ohne sich dessen Pass oder Militärkommission oder Reiseordre vorzeigen zu lassen. Kuriere, die von den Ministerialbehörden abgefertigt waren, durften mit Ausnahme ganz wichtiger Zweifelsfälle nicht aufgehalten werden.
Ferner sollten alle oben angeführten Formalitäten auf die „zunächst an einer Departements- oder auch Landesgränze domicillirten Güterbesitzer, Kaufleute und Fabricanten, welche ihrer häuslichen Geschäfte wegen öfters, ja täglich, sich hin und herbegeben müssen,“ nicht streng anwendbar sein.
Junge Leute, welche das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, konnten Reisepässe nur bedingt erhalten, wenn ihr Verhältnis zur „Conscription“ in dem Passe ausdrücklich bemerkt wurde. Zur Gültigkeit solcher Pässe bedurfte es in allen Fällen eines Visums des Unterpräsekten des Departements. Diejenigen jungen Leute, die das Conscriptionsalter noch nicht erreicht hatten, erhielten einen Reisepass nur, wenn sie eine hinreichende Bürgschaft leisteten, „sich, falls sie künftig zum activen Dienst eingefordert werden möchten, entweder persönlich stellen oder remplacieren lassen zu wollen“. In dem Passe selbst war alsdann ein entsprechender Vermerk aufzunehmen. Junge Leute, die das Conscriptionsalter erreicht hatten und durch das Los zur „Active“ oder „Reserve“ bestimmt waren, konnten keine Passausfertigung erhalten. Sie durften nach dem Conscriptionsgesetz nur mit Erlaubnis des Unterpräfekten, die über 8 Tage hinaus nicht erteilt werden durfte, sich aus der Munizipalität entfernen.
Junge Leute, die aus Frankreich gebürtig waren und in das Großherzogtum Berg einreisten, waren zu verhaften, wenn sie sich nicht durch ein von dem Präfekten ihres Departements ausgestelltes oder visiertes Certificat, wonach sie dem Conscriptionsgesetz Genüge geleistet hatten, ausweisen konnten. Die Conscription datierte in den „alten provinzen“ vom 1. Januar 1781 und in den „neuen Provinzen“ vom 1. Januar 1783 Es konnten also bezüglich des Conscriptionsalters (30 Lebensjahr) Unterschiede bestehen. Bezüglich dieser Fälle sollte der Passvermerk folgendermaßen lauten: „Der Inhaber hat bey Einführung der Conscription schon das gesetzliche Alter zurückgelegt, hat mithin in Beziehung auf die Conscription keine Verbindlichkeiten zu erfüllen gehabt.“
Die oben inhaltlich kurz geschilderte Instruktion über die Erteilung der Reisepässe im Großherzogtum Berg brachte verständlicherweise für die Einwohner der Mairie Herne erhebliche Schwierigkeiten im Verkehr der Bevölkerung. Eisenbahnen gab es noch nicht. Die Reisen der Bauern und Handwerker erfolgten entweder zu Fuß oder im Wagen und auch zu Pferde. Dem Maire Steelmann ging die neue Instruction mit folgendem Anschreiben zu:

Nr. 5550. Dortmund, den 4. September 1809
Der Präfekt des Ruhr Departements
an
den Herren Maire von Herne.
Von der mir heute gewordenen Instruction wegen Ertheilung der Reisepässe, empfangen Sie Herr Maire 3 Exemplare zur Befolgung und Bekanntmachung.
Zugleich mache ich Ihnen bekannt, wie Se. Excellenz der Herr Minister des Innern es für gut gefunden haben, den Termin, wo die in der Instruction enthaltenen Verfügungen in Wirkung treten sollen, auf den 1. November festzusetzen.
Ich grüße Sie mit Hochachtung
Unterschrift.

Ueber die Art der Bekanntgabe der ergangenen Instruktion an die Einwohner mag folgendes Schreiben Aufklärung bringen:

Herne, den 15. September 1809
An den Herrn Prediger Westhoff.
„ „ „ Sindern
und Peter Quadt.

Inhalts Resoluti einer Hochwohllöblichen Oberpräfektur vom 4 et praes. den 11. cr. woilen Sie anliegende Instruction über Erteilung der Pässe am künftigen Sonntag von der Kantzel verlesen und den Gemeindegliedern dabey zugleich die Eröffnung ertheilen, daß mit dem 1. November er mit der Austheilung der Pässe der Anfang gemacht und die Instruction in Wirkung gesetzt werde.

Nach erfolgter Publication wollen Sie mir die Instruction althergebrachtermaßen zum weiteren Gebrauchgefälligst remittieren lassen.

Steelmann.

Ausweislich der Akten ist die Veröffentlichung von der Kanzel erfolgt in Crange 15. 10. 1809 und Strünkede (Herne) 1. Oktober 1809.
Weiterhin sei folgendes Schreiben nachstehend abgedruckt, das auf die besonderen Verhältnisse der damaligen Zeit ein Schlaglicht wirft:

Dortmund, den 17. Januar 1810.
Der Präfekt des Ruhr=Departements an die Herren Maires von Bochum, Wattenscheid, Lütgendortmund und Herne.
Die Anschaffung eines richtigen Zollmaßes für jede Municipalität ist behufs der Ausfertigung des Passes unumgänglich nöthig.
Ich authorisiere Sie daher hierdurch das Maaß nach dem beikommenden francösischen Probefuß anfertigen zu lassen und den Kostenbetrag aus der Bureau=Kasse zu bestreiten
Ich begrüße Sie mit Hochachtung

v. Romberg.

Weiter hier: Etwas über Reisepass und Passvisum im Herne vor 100 Jahren (1923) II

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Quellen