Das Bauernhaus und sein Hausrat (Hartmann 1921) Ergebnisse
Ergebnisse.
Vergleicht man die hier dargestellten Merkmale der das Herner-Gebiet einstmals beherrschenden bäuerlichen Kultur mit den unsere Zeit charakterisierenden Kennzeichen, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die Bauart des alten Sachsenhauses sowohl Vorteile als Nachteile in sich schließt.
Zu den Vorteilen ist vor allem die Zentralisierung der ganzen Wirtschaft zu rechnen, was namentlich bei den heutigen Verhältnissen mit ihren hohen Arbeitslöhnen und Materialpreisen, den hohen Bau- und Reparaturkosten ernste Berücksichtigung verdient. Die bei uns im bäuerlichen Anwesen übliche Art, Menschen und Tiere abzuschließen, ist indes wenig praktisch zu nennen, da sie es unmöglich macht, das Treiben auf der Wirtschaftsdiele zu beobachten. An die Stelle der dicht geschlossenen Scherwand gehört eine in großen Glasflächen aufgeteilte Wand.
Ueberhaupt: man hat eine Abschlusswand wohl aus praktischen Gründen angebracht, um nämlich die beim Urtyp so lästige Zugluft abzuhalten.
Ein weiterer Mangel besteht im Fehlen des Mistganges in den Stallungen. In vielen Fällen wird sich dieser Nachteil durch Verengung der Diele beseitigen lassen, wodurch eine größere Stalltiefe erzielt wird. Wo dieses nicht angängig ist, oder nicht genügt, müssen die Kübbungen nach außen hin erweitert werden, wie das bei dem in Abb. XX/2 u. XXXIX/1 dargestellten Hause geschehen ist. In einigen Fällen, so bei einem Hause in Gerthe[1], hat sich, wie ich feststellte, der Bauer damit geholfen, die Viehstände in die Längsrichtung umzulegen. Gegenüber dem Typus des echten Sachsenhauses hat das der Herner-Gegend eigene Vierständerhaus mit rechteckigem Querschnitt der Hillen hat den Vorteil, die bessere Ausnutzung dieser Hillen zu ermöglichen.
Sein Dach ist wie das sächsische Dach ohne Querhölzer, wenn man von den Hahnenbalken absieht. Bequemer als in jenen Dachkonstruktionen mit Stuhl kann man unter ihm die Vorräte leichter unterbringen. Wo man bei uns nachträglich Mittelpfetten mit schrägstehenden Pfosten eingezogen hat, hat man letztere aus gleichen Gründen vielfach ohne Verstrebungen, Kopfbänder und Zangen angeordnet. Die ursprüngliche Strohbedachung bot den Vorteil der Leichtigkeit, auch bedurfte sie keiner Stuhlkonstruktion. Der Raum unter diesem Dache war im Winter warm und im Sommer kühl. Reparaturen konnten die Bauern mit Leichtigkeit selbst ausführen. Leider aber bildete die Strohbedachung ein Dorado für Mäuse und Ratten. Diesem Umstande ist die Anordnung der Eulenlöcher zuzuschreiben.
Einige alten Bauernhäuser haben nach der Seele zu offene Viehstände, sodass die Tiere beim Drusch von der umherfliegenden Spreu belästigt, womöglich augenkrank werden. Um das zu verhüten empfiehlt es sich, Klappvorrichtungen anzubringen, die für die Zeit des Drusches und auch bei besonders kalter Witterung geschlossen werden können.
Der Zugang zu den Pferdeställen führt bei allen Bauernhäusern unserer Gegend über die Deele. Diese Anordnung ist aus wirtschaftlichen Gründen unpraktisch. Ein direkter Ausgang im Stallgiebel, wie er bei den Kühställen angeordnet ist, beseitigt diesen Übelstand.
Die in den Außenwänden der Pferdeställe fast allgemein angelegten Klappläden, durch welche die Pferde ihre Köpfe stecken, sind in der üblichen Anordnung mit seitbarer Befestigung höchst gefährlich, weil die Pferde beim Zuschlagen dieser Läden sind sehr leicht mit den Kinnbacken sich verfangen können und so zu grunde gehen.
Bei uns haben sich solche Fälle ereignet. Es empfiehlt sich daher, derartige Läden so einzurichten, dass sie nach unten klappen.
Die noch bei verschiedenen Bauernhäusern anzutreffende Vorschauer sollte man überall anlegen, weil sie einmal einen vorzüglichen Wetterschutz bietet, im übrigen der Deele keinen Raum fortnimmt, da je für die Tore ohnehin der erforderliche Raum frei gehalten werden muss.
Endlich noch einiges zur Anlage von Nebenscheunen. Die bei dem Typus des alten Sachsenhauses bestehende Verbindung zwischen dem Dachboden, auf welchem die Erntevorräte lagern und der darunter befindlichen Deele, in der gedroschen wird, ist wirtschaftlich nicht zu unterschätzen. Man sollte daher zu dem Bau von Nebenscheunen erst dann seine Zuflucht nehmen, wenn die erweiterten Wohn- und Wirtschaftsbedürfnisse dieses dringend fordern. Die Vereinigung aller Räume unter einem Dache ist und bleibt eine so praktische Wirtschaftsform, dass sie in gesunder Weiterentwicklung auch den modernsten Ansprüchen genügen kann.
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Quelle
- ↑ S. Abb. 4, Blatt XXI.