Das Bauernhaus und sein Hausrat (Hartmann 1921) Bausymbolik
Bausymbolik
Die Ansichten der Fachleute über die in konstruktiver Einsicht vorteilhafteste Anordnung von Fachwerkgebinden gehen bekanntlich sehr auseinander. Schon oft ist in der Fachliteratur die Frage der Anbringung der Eckstreben behandelt worden.
Während der reine Statiker lediglich die Aufhebung der belasteten Kräfte bei möglichster Materialersparnis zu erzielen sucht, bei der Anordnung von Fachwerk-Eckstreben mithin meistens die Einführung der Eckstreben in die Eckstiele verlangen wird, urteilt der Bauästhet häufig anders; er stößt sich nicht an der entgegengesetzten Anbringung der Strebe oder deren Einführung in das Räum statt in den Stiel und hält überhaupt eine andersartige Anordnung oft für anziehender.
Auch ist durchaus nicht gesagt, dass sich die praktischen Gepflogenheiten der ausführenden Zimmerleute in allen Fällen mit den statischen Anforderungen decken. Die Gesetze der Statik sind beim Bau eben nicht allein maßgebend, auch das Aussehen, d.h. die ästhetische Außenwirkung, ist zu berücksichtigen.
Natürlich hat die rein statische Methode große praktische Vorteile, vor allem die der besseren Materialausnutzung. Bei statischem Verfahren würde auch der in unserem Falle von den Streben gehaltene Eckstiel selbst bei vorzeitigem Abfaulen immer noch als Stütze des Rähms wirken, wogegen er, bei der Einführung der Strebe in dieses selbst und an der Schwelle abgefault, nur in dem geraden Zapfen der Biegehölzer hinge und bald gänzlich wertlos wäre.
Auch würde die bessere statische Konstruktion ein genaueres Aufrichten des Fachwerkes ermöglichen. Hierbei ist aber zu beachten, dass die angegebenen Vorteile im Wesentlichen für Fachwerkkonstruktionen in Tannen- oder Kiefernholz sich ergeben, bei Konstruktionen in Eichenholz dagegen weniger bemerkbar werden, besonders, wenn diese in alter kunstgerechter Art verzimmert sind, wenn z.B. beim Eckverband Schwelle und Rähm unter Vermeidung von Hirnholzflächen auf Schwalbenschwanz und Gehrung verblattet sind.
Tatsächlich zeigt sich bei vielen alten Fachwerken, die meist aus Eichenholz hergestellt sind, so auch bei jenen in unserm Gebiet, eine entgegengesetzte Anordnung der häufig in Schwelle und Rähm eingezapften Eckstreben. Besondere praktische Gepflogenheiten werden kaum als Grund dieser Strebenstellung gelten können, weil das Aufrichten des Riegelwerkes hierbei durchaus nicht erleichtert wird.
Man nimmt wohl mit mehr Recht an, dass hierbei Geschmack, Empfinden und Nachahmung als wirkliche Ursachen anzusehen sind. Nachahmung setzt aber Überlieferung voraus, während Geschmack und Empfinden in den ästhetischen Anschauungen der einzelnen Zeit Epochen wurzeln. Die Kunstrichtung der Renaissance, des Barock und der Empire-Zeit bekannte als eines ihrer Hauptgesetze die symmetrische Verteilung der Gebäudeflächen, Öffnungen und Konstruktionsteile, soweit letztere sichtbar blieben.
Beim Fachwerkbau gilt das in erhöhtem Maße, ja die Konstruktion ist hier zur Architektur geworden. Dennoch hat die Riegelteilung zahlreicher Fachwerksbauten, die Stellung der Pfosten und Streben, eine durchaus ungleichmäßige Form, wenn auch meist die Figuren des Holzwerks in neben- und übereinander gestellten Wiederholungen auftreten. Berücksichtigt man, dass die Verschönerung der Holzbauten meist bequemer Art bewirkt werden könnte, und geht man davon aus, dass manche Fachwerksfüllungen die Ausfüllung der Felder mit Weidengeflecht und Lehm erheblich erschweren müssten, so gewinnt die Ansicht an Berechtigung, dass der Zusammenfügung der Fachwerke an alten Gebäuden besondere Gebräuche zu Grunde lagen, dass sie eine besondere Sprache reden.
Bei der Untersuchung dieser Eigentümlichkeiten wäre also an die Überlieferung anzuknüpfen. Da tritt der Fachmann zurück und lässt dem Kulturhistoriker das Wort. Seitdem das Christentum in unsere germanischen Lande eindrang, bis in die letzten Jahrhunderte hat offener Widerstand, später auch das Geheimbundwesen dem Eindringen der fremden Lehre zu wehren gesucht. Die Volkspsyche hing an den alten Gebräuchen, sie waren ihr heilig und wurden in den Zeiten der kirchlichen Gewaltherrschaft in den Familien und in geheimen Körperschaften weiter gepflegt und ihre Kenntnis den Söhnen vererbt.
Die Werkstuben und Bauhütten wurden unterdrückt, weil sie vielfach an kirchlichen Kultgebäuden Kunstformen heidnischen Inhaltes verwandten, um so das alte heidnische Religionswissen wieder aufleben zu lassen. Auch in dem später vom Ausland übernommenen Freimaurerwesen kehrte dieser Gedanke wieder. Es gab eine Zeit, in der der Fachwerkbau kirchlicherseits aus solchen Gründen verboten wurde, weil eben die eigenartigen Gebälkfügungen des Fachwerks heute noch erkennbare und damals nur dem "Wissenden", dem Eingeweihten, verständliche Andeutungen und Hinweise dieser Art enthielten.
Denkt man ferner an die Zeit der mittelalterlichen Fehden, des 30jährigen Krieges, in denen der obrigkeitliche Rechtsschutz in weiten Gebieten völlig versagte, so erklärt dieser Umstand, namentlich in Westdeutschland den Zusammenschluss der Bevölkerung zu geheimen Schutzbünden, deren Mitglieder sich den Verbandsgenossen auch durch Zeichen zu erkennen gaben, die an Gebäuden sichtbar waren. So suchte man also nach Verständigungsmitteln und ging dabei zurück bis auf die altgermanische Zeichenschrift, die Runen, die in alten Büchern, vereinzelt noch in den ersten gedruckten Zeitungen in Gebrauch waren.[1]
So haben wir also in den durch ihre seltsame Zusammenstellung auffallenden Fachwerkfiguren, die als weithin lesbare Zeichen gedacht waren, Runen vor uns, wie Sie etwa das in Abb. XXIX/XXX dargestellte Bauernhaus veranschaulicht.
Zu diesem Hause[2] zunächst etwas Allgemeines. Der Wohntrakt weicht von dem bei uns üblichen Typ insofern ab, als er der Länge nach durch einen Flur aufgetrennt ist. Diese Aufstellung ist aber, wie ich feststellte, neueren Datums. Ursprünglich deckte sich der Grundriss völlig mit dem Typ II. So grenzten an den Giebel der Wohnzone die üblichen 3 Zimmer. In der Längsrichtung des Gebäudes folgte das Küchenfack, welches auf der einen Seite die Küche mit dem seitlichen Ausgang und auf der anderen Seite den Balkenkeller mit der Aufkammer enthielt.
Nach der Inschrift der alten steinernen Herdplatte, die jetzt ungemein praktisch, mit der Schriftseite nach oben, als Bodenbelag gebraucht wird, wurde der jetzige Wohntrakt im Jahre 1797 erbaut. An seiner Stelle hat bereits ein älteres Haus gestanden, das als Lehnhof zum Besitz Strünckede gehörte.
Weiter dienen an der gleichen Stelle als Bodenbelag 2 Haustürpilastersockel und ein Schaftstük, die offenbar einer Türumrahmung angehört haben und in ihrer Gliederung Anlehnung an die Strünkeder Architektur zeigen, soweit dies noch erkennbar ist. Demnach war das ältere Haus in einzelnen Teilen wohl von anderer Bauart oder doch mit einem Steinportal versehen, wenn man nicht annehmen will, dass die Architekturstücke durch irgendeinen Zufall von Strünkede hierher gekommen sind.
Die in Verbindung mit dem Wohnhause stehende dreischiffige Deele wurde von dem gleichen Besitzer im Jahre 1821 errichtet. Aus der abgekürzten Namensbezeichnung, die auf Schriftbalken über den mit eigenartig geschnittenen Kopfbändern ausgestatteten Toren angebracht ist, wäre wohl
- "Johann Dietrich Schulte zu Berge"
zu lesen. Der Balken zeigt die schön gewählten Worte aus Matth. 25, V.13:
- "Wachet, denn ihr wisset weder Tag noch Stunde,
- da der Herr kommen wird."
und unter dem Namen der Ehefrau,
- "Maria Katharina zu Alstede",
den Vers:
- "Nun so will ich immerdar,
- Kämpfen, beten, wachen,
- Zu entfliehen der Gefahr,
- Stets mich fertig machen."
Bei Anlage einer vorbeiführenden Straße ist der Ökonomietrakt um etwa 5 m verkürzt worden, wobei auf Verlangen des früheren Besitzers der Gebäudegiebel in seiner alten Form an der jetzigen Stelle wieder aufgerichtet wurde.
Das Gebäude zeigt innen und außen Eichenfachwerk und Gebälk, es ist wie alle übrigen Bauernhäuser unseres Gebietes mit Stroh gedeckt gewesen und hat Lehmriegelwerk. Angeblich wurde bei der Umdeckung des Daches der Wohntrakt in erheblichem Umfange durchgebaut. Die Balkendecke des Erdgeschosses wurde gehoben, die unteren Fenster vergrößert und auch im Obergeschoss sind neue Fenster unter Beibehaltung der alten Öffnungen eingesetzt worden. Bei Gelegenheit dieser Umänderungen hat auch der Grundriss die heutige Aufteilung bekommen. Im Innern ist ein geschmackvoll gearbeitetes Treppengeländer bemerkenswert.
Wenden wir uns nunmehr der Betrachtung des äußeren Fachwerkes zu. Dem kulturgeschichtlich interessierten Architekten muss die Anordnung dieses Fachwerks auffallen. Sie ist ohne konstruktive Notwendigkeit und ohne dass lediglich Schmuckabsichten in Frage kommen, derart vielgestaltig, dass sie zweifellos mit ariogermanischen[3] oder armanischen[4] Kultgepflogenheiten in Verbindung gebracht werden kann. Ist doch nachgewiesen, dass den Baumeistern des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts die "Runensprache" noch verständlich gewesen und von ihnen häufig angewandt worden ist, sei es im gotischen Maßwerk, in den Zierformen der Renaissance oder in der Gebälkfügung des Fachwerkbaues, die hierzu mit Vorliebe benutzt wurde. In Mitteldeutschland gibt es noch jetzt Zimmermeister, die bestimmte Fachwerkfiguren "Runne" nennen und nach Wahl verwenden.
In dem Riegelwerk des in Abb. XIX dargestellten Hauses sind die Zeichen für "Balk und Bar", aufsteigendes und absteigendes Leben, die "Kalandskreuze" und "Armankruzi"[5], das Heimrechts- und Vehmezeichen, jedes vielfach zu bemerken. Unverkennbar absichtlich in obigem Sinne erfolgte die Durchschneidung des "Armankruzi", der oberen Fachwerksfelder an den Frontecken durch die großen Streben "Balk" und "Bar", wenn man in Betracht zieht, dass die Stellung der Streben in dieser Form konstruktiv fehlerhaft ist, bei der richtigen Anordnung, der Einführung in den Eckstiel, die volle Durchdringung des Armankreuzes aber unmöglich wurde.
Das Fehmezeichen erscheint achtmal; wenn auch die Fehme mit dem ewigen Landfrieden Kaiser Maximilians I. in ihren Auswirkungen eingedämmt wurde, so haben sich doch die Bestrebungen des Wuatanismuss, zu denen die Fehme als Gegensatz zum staatlichen und kirchlich-römischen Recht in Beziehung stand, bis weit in die folgenden Jahrhunderte hinein erhalten.
Im vorliegenden Fall ist die Anordnung des Riegelwerks nicht derart, dass wie an anderen Fachwerkbauten, sogenannten sprechenden Häusern, in Sachsen, der Eifel oder der Soester Gegend, die Zugehörigkeit des Erbauers zur Kalandsbrüderschaft oder seine Würde als eines Wissenden im so-und sovielten Grad herausgelesen werden kann, dafür ist die Anwendung der Figuren zu willkürlich; es stände auch mit den Inschriften in Widerspruch. Es ist eben anzunehmen, dass sie von dem älteren Bau in etwas verworfener Weise übernommen wurden und dass dadurch ihre Bedeutung verwischt worden ist.[6]
Ähnliche Vermutungen legen sonstige Fachwerksbauten nahe. Aber nur eines Hauszeichens noch sei zum Schlüsse Erwähnung getan, des Heilzeichens, "In hoc signo (vinces)" auch deutbar als "In Hoc Salus" oder "Jesus Hominum Salvator" oder "Jesum Habemus Socium". Dass die Jesuiten mit einem aufgesetztem Kreuz seit 1541 zu ihrem Ordenszeichen machten. Bei uns findet es sich für sich in fast allen Gebälken der Deelentore, wo es inmitten des Torsturzes eingeschritten ist.
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Quelle
- ↑ Hartmann vertritt in diesem Abschnitt eine kulturhistorisch-romantische Perspektive, die Fachwerkbauten als sichtbare Zeugnisse einer unterdrückten, heidnisch-germanischen Überlieferung interpretiert, in der handwerkliche Technik, ästhetische Form und esoterische Symbolik (Runen, Geheimbundzeichen) untrennbar mit Widerstand gegen kirchliche und staatliche Autoritäten verbunden waren.
- ↑ Es handelt sich um den Hof Bergelmann
- ↑ Der Begriff "ariogermanisch" ist eine veraltete und pseudowissenschaftliche Bezeichnung, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zusammenhang mit rassistischen und nationalistischen Ideologien verwendet wurde, insbesondere während der NS-Zeit.
Man versuchte damit eine angebliche Verbindung zwischen den Ariern (einem Begriff, der ursprünglich indoiranische Völker beschrieb) und den Germanen herzustellen. Die Idee war, eine überlegene, reinrassige "nordische Rasse" zu konstruieren, was jedoch keinerlei wissenschaftlicher Grundlage entspricht.
Hintergrund:
'"Arier": Ursprünglich ein linguistischer Begriff zur Beschreibung der indogermanischen (indoarischen) Sprachen. In der Rassenideologie der Nationalsozialisten wurde er jedoch zur Bezeichnung einer vermeintlich überlegenen, hellhäutigen Rasse umgedeutet.
- "Germanen": Historisch gesehen eine Bezeichnung für verschiedene Stämme in Mitteleuropa zur Zeit der Römer. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde der Begriff jedoch zunehmend idealisiert.
- Es handelt sich um einen wissenschaftlich falschen und ideologisch aufgeladenen Begriff.
- Es gibt keine biologische oder genetische Grundlage für die Verbindung von "Ariern" und "Germanen".
- Der Begriff wurde gezielt verwendet, um rassistische und nationalistische Überlegenheitsideologien zu rechtfertigen.
- ↑ Der Begriff "armanisch" ist ebenfalls ein Begriff, der mit esoterischen, völkischen und pseudowissenschaftlichen Ideologien in Verbindung steht. Er taucht vor allem in der völkischen Bewegung und in der Ariosophie auf, einer esoterisch-rassistischen Strömung, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstand.
Herkunft und Bedeutung:
- "Armanisch" leitet sich vermutlich vom Begriff "Armanen" ab, der in der völkischen Esoterik auf eine angebliche Priesterkaste der alten Germanen hinweisen soll.
- Es wurde behauptet, die Armanen seien Hüter alten, geheimen Wissens gewesen, das von einer überlegenen, "reinen" Rasse stammen sollte.
- In den Schriften von Esoterikern wie Guido von List (1848–1919) wurde der Begriff stark mystifiziert und mit einer Art uralten germanischen Weisheit verbunden.
- Der Begriff basiert auf historisch falschen und pseudowissenschaftlichen Annahmen.
- Er diente dazu, eine mythische Überlegenheit der "Germanen" zu konstruieren.
- Heutzutage wird "armanisch" vor allem in esoterischen und rechtsextremen Kreisen verwendet, hat jedoch keine wissenschaftliche Legitimität.
- Armanisch ist ein rein esoterischer Begriff ohne historische oder wissenschaftliche Grundlage.
- Es ist eng mit rassistischen und völkischen Ideologien verbunden und wird heute in der Seriösität der Wissenschaft abgelehnt.
- ↑ Das Armankruzi ist ein erfundenes esoterisches Symbol ohne authentischen historischen Hintergrund. Es diente in völkischen und rechtsextremen Kreisen dazu, eine mythologische Vergangenheit zu konstruieren, in der die Germanen als eine besonders spirituelle und überlegene Kultur dargestellt wurden.
- ↑ Hier zeigt sich besonders das konstruierte Bild im Abschnitt Bausymbolik.