Als noch der Omnibus nach Bochum fuhr (1943)
In der Herner Zeitung wurde am 13. Februar 1943 der nachfolgende Artikel[1] veröffentlicht. Mit Bildern und Anmerkungen versehen ist er nun für Sie lesbar gemacht:
Als noch der Omnibus nach Bochum fuhr
Eine Erinnerung aus dem Amte und dem Kirchdorf Herne vor 50 Jahren
Man schrieb das Jahr 1892. Da konnte man auf der Landstraße nach Bochum oder auf der nach Bruch-Recklinghausen vollbesetzte Pferde-Omnibusse sehen, von flott ausgreifenden Pferden gezogen und mit zufrieden drein schauenden Menschen besetzt. Das waren die letzten Vertreter einer einst großen Landstraßenpoesie. Sie waren die Nachläufer des auf vielen Bildern verewigten Post-Schwagers. Viele alte, noch lebende Herner werden sich dieser Gefährte sicherlich noch erinnern. Denn 50 Jahre sind im schnelllebigen Industriegebiet nicht so lang - wenn die Zeit hinter einem liegt. Die elektrischen Straßenbahnen waren in den Großstädten zwar schon seit Jahren in Gebrauch. In den vielen kleinen Gemeinden wie im Überlandverkehr sah man diese modernen Verkehrsmittel noch nicht. Die Einführung geschah erst 10 bis 20 Jahre später. Herne war damals ein Amt. Dieses Amt hatte 20000 Einwohner. Man vergleiche damit unser heutiges Gemeinwesen. Fast fünfmal größer ist es geworden. Für diese Seelenzahl genügte eben der Pferde-Omnibus. Es ging auch. Die Fahrgäste waren zufrieden, der Pferdehalter auf alle Fälle ebenfalls. Das genügte. Die Arbeiter zogen es in den meisten Fällen vor, zu Fuß zu gehen. Fußmärsche von einer Stunde bis zur Arbeitsstelle waren keine Seltenheit. Der Verdienst war klein. Wenn die Söhne es einmal besser haben sollten, mussten es sich die Alten abziehen. So wurde jeder Groschen dreimal in den Fingern umgedreht. Es musste eben im kleinen gespart werden.
Wie schon erwähnt, bestanden zwei Omnibus-Verbindungen von Herne aus. Die Abfahrten von Herne nach Bochum waren ab Restauration Kaiser in der Bahnhofstraße (heute „Zum Jobst“). Die Abfahrzeiten waren vormittags 7. 8, 9:10, 12:10; nachmittags 1. 2:10, 3, 4. 5. 6:30 und 8:15 Uhr. Die Abfahrten von Bochum geschahen von der Restauration Laue am Wilhelmsplatz vormittags um 8. 9:30, 11, 12:05; nachmittags um 1:10, 2, 3, 4, 5, 6:30, 7:30 und 8:25 Uhr. Diese letzte Fahrt endete in Herne und blieben die Pferde und der Wagen hier über Nacht. Die Pferde wurden in einem aus Brettern leicht zusammengestellten Stall untergestellt, der sich an der Bahnhofstraße, neben der heutigen „Lichtburg“ befand.
Von Herne nach Recklinghausen waren die Abfahrtszeiten folgende 8, 9 , 10, 11, 1, 2:10, 3, 4, 6 und 8.25 Uhr. Die Abfahrt geschah von der Restauration Nußbaum (jetzt Schauburg). Zurück fuhren folgende Wagen von Recklinghausen ab Restaurant Dreckmann um 8, 9:45, 11. 1. 2. 4- 5, 6,30 und 8.25 Uhr.
Die Fahrten nach Recklinghausen führte der Hauderer Wilhelm Jochem[2] (Herne) aus. Dieser Hauderer Jochen hatte auch als Ringkämpfer einen guten Namen. Die Fahrten nach Bochum unternahm der Hauderer Heinrich Fork aus Bochum[3].

Die Omnibusse fassten im geschlossenen Raum etwa 12—16 Personen. Am Ende des Wagens befand sich ein größeres Trittbrett. auf dem sich weitere 4 bis 5 Personen stellen konnten. Vor dem Herunterfallen schützten sie sich durch Festhalten an einer angebrachten Stange. Falls unterwegs Fahrgäste zusteigen wollten. schwangen sich diese, ohne dass das Gefährt anhielt, einfach hinten auf und fuhren auf dem Trittbrett freistehend mit.
Dieses Omnibusfahren mag wohl im Sommer sehr belustigend gewesen sein. Bei Regenwetter oder im Winter bei Schnee können wir uns ein schöneres Vergnügen denken. Aber die Zeiten waren nicht zum Vergnügen oder zum Reisen da, wenigstens nicht für den Durchschnittsmann. Der musste es schon eilig haben, wenn er den Omnibus benutzte. Denn so billig wird eine solche Fahrt nicht gewesen sein. Dafür konnte man schon so viele kleine Korn trinken. Denn an Wirtschaften fehlte es schon damals nicht. Regelmäßig müssen die Fahrten auch gewesen sein, denn der Fahrplan wurde neben dem Eisenbahnfahrplan im Amtlichen Adressbuch für das Jahr 1892 aufgenommen. Es wird sich um eine private Einrichtung gehandelt haben, die aus eigenem Interesse schon auf Pünktlichkeit sehen musste.
Wieviel Omnibusse müssten heute in Dienst gestellt werden, um den Verkehr nach beiden Seiten zu bewerkstelligen? Heute sind die Straßenbahnen bei ihrem größeren Fassungsvermögen immer überfüllt.
Aber wie angedeutet, für die damaligen kleinbürgerlichen Verhältnisse genügte diese Art der Beförderung. Was die Hauptsache ist. unsere Vorfahren haben sich gut dabeigestanden und waren zufrieden.
Auch eine schöne Erinnerung aus dem werdenden Herne.
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Quellen
- ↑ https://zeitpunkt.nrw/
- ↑ Wilhelm Johann Jochem (*1865-n. 1939 Dortmund ?, ab 1894 auch in Castrop, ab 1899 Wirt in Bochum. Standort in Herne bis 1898: Von-der-Heydt-Straße. Als seine erste Frau stirbt, schließt er sein Unternehmen. 1907 in Antwerpen, 1911 in Blankenberge ansässig. Nach Kriegsbeginn in Dortmund ansässig.
- ↑ Wiemelhausen. er wurde bei der zweiten ehe Jochums dessen Trauzeuge.
