Bahnhofstraße 72
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Das Wohn- und Geschäftshaus Bahnhofstraße 72 liegt auf der östlichen Seite zwischen Vinckestraße und Viktor-Reuter-Straße wurde 1867 als Wirtschaft errichtet.
Hier lag Ackerland von Conrad Cremer sr. von dessen Erben, dem Landwirt Friedrich Cremer, kaufte im Jahre 1867 der Wirt Wilhelm Gruthoff (1826-1869) für 345 Taler das Grundstück.
Er hatte es dann mit dem jetzigen Hause, offenbar einer zunächst kleinen Wirtschaft, bebaut. Seine Witwe Helene Goertz heiratete 1871 in zweiter Ehe den Wirt und Zimmermann Heinrich Deilmann (1847-1881), der 1872 als Eigentümer eingetragen wurde. Im Jahre 1877 ging der Besitz auf Fräulein Pauline Gruthoff (1857-) über, doch ist er bald danach zwangsversteigert worden, denn 1878 erhielt ihn auf Grund eines Zuschlagsurteils der Kaufmann Louis Bäumer aus Lünen, der ihn 1883 an die Eheleute Steiger Stephan Jochem (1832-1899) und Maria geb. Poss (1835-1893) verkauft.
Eigentümer wurde nach Jochem war (spätesten 1895) der Wirt Gerhard Nussbaum. Dieser war 1890 als Wirt im Haus Von-der-Heydt-Straße 44 erwähnt. Nussdorf kam weit herum: 1876 wurde er als Wirt in Kupferdreh, früher zu Remagen bezeichnet, eröffnete aber im Frühjahr 1876 im „W. Hiegemann´schen Hause“ zu Steele ein Lokal. 1877 wurde im Januar seine älteste Tochter josephine Sophie in Bladenhorst geboren. 1880 war er als ehemaliger Besitzer eines „Hotel Busch“ in Herne als neuer Wirt der Hagener Restauration „Zum deutschen Reich“ aufgetreten. [1] Noch im April 1880 als Herner Wirt beim Vaterländischen Schauspiel „Lenore“ in Herne.[2] Zum 11. März 1891 ist eine Große Vorstellung eines „Circus Althoff“ in seiner „Centralhalle“ beworben. [3]
Nussbaum scheint die Hauptanbauten errichtet zu haben, denn 1886 war noch immer nur das kleine Häuschen der Anfangszeit vorhanden, 1903 aber ein Anbau im Bereich des jetzigen Theatereingangs (als neuer Wohn= und Geschäftsbau 1898 aufgeführt), verschiedene hintere Anbauten und vor allem der großen Saal.
Im Jahre 1905 erwarb der Kaufmann Jacob Goldstaub zu Bochum das Besitztum, der an der Straße ein Automatenrestaurant (Wilhelm Teves hatte es in Pacht) einrichtete,[4] während der Saal "Kinomatoskop" wurde.
Der Kaufmann Wilhelm Teves[5] übernahm später auch das Kino „Hohenzollern Saal und das daneben eingerichtete Palasttheater. 1917 mietete Friedrich Käseberg beide Theater und änderte gleich nach der Revolution den Namen des Hohenzollern/Theaters in Schauburg um.
Zum 16. Juli 1921 wurde die bisherige Betreiberfirma "Wilhelm Teves GmbH" aufgelöst und vom Kaufmann Friedrich Käseberg und Kaufmann Karl Schmücker abgewickelt.
Im Jahre 1920 wurde die Ehefrau Friedrich Käsebergs, Elfriede geb. Lebens, Besitzerin. Käseberg expandierte auch in Richtung Sodingen mit dem Alhambra und darüber hinaus (1925/26 Metropol in Castrop) weiter. Elfriede Käseberg ließ 1922 das ganze Besitztum zu dem großen Kinounternehmen umbauen, wobei der bis dahin durchs Tor erfolgte Kinoeingang an die rechte Stelle (Durchbruch des damaligen Ladenanbaus) verlegt wurde. Zum 31. Dezember 1925 wurde die "Lichtspiel-Gesellschaft mit beschränkter Haftung" zu Dortmund, Ostwall 46 gegründet, Die Geschäftsführer waren Elfriede Käseberg und Wilhelm Teves. Nach dessen Tode übernahm Friedrich Käseberg dessen Geschäftsführersitz. Die Gesellschaft wurde nun nach Herne verlegt.[6] Weitere Theatergesellschaften in Essen und Düsseldorf (Almo) werden eröffnet.
Das Filmprogramm war bekanntlich bis zur Einführung des Tonfilm mit begleitenden Musikvorführungen abgehalten worden. Der damals in Herne bekannte Kapellmeister Franz Chapelier wohnte hier im Haus, den das Schauburg-Orchester unter seiner leitung sorgt für die bekannt gute Begleitmusik.[7] 1922 komponierte er sogar einen „Schauburg-Marsch“. 1935 wurde seine Kapelle unter dem Namen Wolhofer-Chapelier aus 5 Herren bestehend, neu besetzt. Diese Kapelle unterhielt bis zum Kriegende in diversen Lokalen u.a. im KdF-Theater, der späteren Scala.[8]
Von 1918 bis 1933 führte der spätere NS Kreispropagandaleiter und Bürgermeister von Coesfeld Alfred Bongardt hier eine Kaffee-Rösterei und Spezialgeschäft feinster Schokoladen.
1929 wohnten, neben Chapelier, die Geschäftsführer Friedrich Fischer und Ehefrau Welter hier im Haus.
1931 wurde der „Niedersalon Hauser“ gegründet dessen Inhaber 1974 in diesem Hause Heckmann hieß.
1934 bewohnten nun Friedrich, Elfriede und Eduard Käseberg das Anwesen.
1938 war Eduard Käseberg zum Alhambra Kino an die Mont-Cenis-Straße 297 verzogen. Als Eigentümerin war nun die Ehefrau Elfriede Käseberg eingetragen. Im Haus wohnten nun: die Verkäuferin Margarethe Geilenberg, der Schlosser Hugo Jedamzik, die Witwe Maria Lehmann und der Metzger Erich Rahmann.
Der Metzger Erich Rahmann, Richtiger der Sohn Erich-Karl, führte im Hause noch 1950 eine Metzgerei. Erich Rahmnann starb an seinen Kriegsverletzungen am 27. November 1941 in Kursk. Ebenfalls hier unterhielt die Emil Wolsdorff KG ein Tabakgeschäft. Im Haus wohnte nun die Witwe Maria Franke, die Hausgehilfin Erna Gnipp, Friedrich Käseberg, der Invalide August Klingenhäger mit Sohn Toni, und die Witwe Ida Rahmann geb. Geilenberg mit ihren Kindern Ruth und Ute.
1959/60 sind Eduard Käseberg sen. als Kinobesitzer, Eduard Käseberg jun. als Verkäufer bezeichnet, wieder hier beheimatet. Nun wohnt auch die Tochter Rahmann, die Angestellte Ruth Rahmann das Haus. Maria Franke ist noch hier und der Bergmann Günther Korb neu hier wohnend.
1963 schloss das Filmtheater seine Pforten endgültig. Das Fernsehen hatte gesiegt.
Der Filmsaal wurde daraufhin in zwei Ebenen geteilt, der Eingangsbereich über das Haus Bahnhofstraße 70 geschaffen. Eine Doppelhausnummer 70-72 entstand.
1970 wohnten bzw. firmierten hier der Zimmermann Giovanni Lenti, die Arbeiterin Vincenza Misso, der Verkäufer Heinz Wurcherd, der Nahrungs- und Genußmittelgroßhändler Emil Wolsdorff aus Hamburg mit seiner Niederlassung und das Niederwarengeschäft der Ilse Heckmann. Auch Hans Halm und Eduard Käseberg firmierten hier.
1978 ist hier der „Happy Jeans Shop“ B. Zimmermann, das Blumengeschäft des Eduard Käseberg, , in der unteren Ebene lag das Tapetengeschäft von Heinrich Schulten, rechts daneben der Grafik Designer Tasso Schielke mit seinen 1988 nach Recklinghausen verlegten „Tasso´s Laden“ (Hier lag das Gründungsgeschäft seiner „Vontana Wasserbetten Tasso Schielke“ das 2007 in Oer-Erkenschwick gelöscht wurde), weiterhin der Tabakwarenladen der Emil Wolsdorff KG und seit neusten in den oberen, extra dazu ausgebauten Räumen die Tanzschule Schmidt-Hutten. Der Eingang war durch die Passage genannten zu Weg möglich, wozu dann links neben dem Tapetengeschäft eine Treppe hinaufführte. Die Tanzschule (ehem. Diel-Funkenberg) befand sich vorher an der Stammstraße 46.
1993 waren hier Alfons und Martina Käseberg wohnend gemeldet. Ebenso Veronika und Günter Koch.
Anfang der 2010er wurde der Eingangsbereich wieder in seinem historischen Kontext zurückverlegt. Der Eingang der Tanzschule befindet sich wieder links vom Gebäude, die Passage und die einzelnen Kleingeschäfte wurden zusammengelegt um eine große Verkaufsfläche zu bringen.
„Wurst König wurde Ankermieter im linken Geschäft, und „Steffi Moden“ kam in das rechte ehem. Eingangsbereich bestehende Teil. KiK im Haus Bahnhofstraße 70 nahm die gesamte untere Saalfläche in Miete.
Im Mittleren Geschäft kam später „ARZUM Juwelier“ dazu, rechts daneben „Al Midan Restaurant“. Später dann „enjoy“ Food. Nachdem das „Wursthaus König“ seine Pforten geschlossen hatte, eröffnete „Foodpoint“ hier eine Niederlassung, die aber schon nach einigen Wochen schloss.
Nachfolger der Tanzschule Schmidt-Hutten (1995 übernahm Tochter Martina Schmidt-Hutten die Schule von Manfred Schmidt-Hutten) wurde 2013 der „Tanzpott“ des Profitänzers Sergiy Plyuta.
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Einzelnachweise
- ↑ https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/14317780
- ↑ https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/9082524
- ↑ https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/23232771
- ↑ Anmerkung. Bereits im Februar 1905 hatte der Kaufmann J. Goldstaub eine Konzession für ein automatisches Restaurant bei der Stadt Bochum beantragt. Auch hier, am Wilhelmplatz 8, wurde das Lokal von einen Bewirtschafter geführt. 1910 gründete er in Bochum ein eigenes Kino. Ob ihn Erfahrungen aus Herne dazu bewogen, ist nicht feststellbar, aber möglich.
- ↑ Albert Wilhelm Teves. geb. 1873 in Essen-Katernberg, gestorben am 11. Juni 1927 in Herne. verheiratet mit Julie Elisabeth Winter
- ↑ https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/6850873
- ↑ Herner Anzeiger vom 5. September 1922
- ↑ Herner Zeitung vom 12. August 1944