Mit dem Fahrrad zum Pütt und nach Haltern

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Friedhelm Wessel [1]

Auf dem Hinterhof der Lützowstraße in Horsthausen.

Geld für die O-Buslinie, die in den 1950er-Jahren noch die Stadtmitte und die Zechen „Friedrich der Große 1/ 2 und 3/ 4“ verband, gab es für uns damalige Auszubildende nicht. Das hieß: Laufen. Eine einfache Fahrt zum Pütt kostete, so erinnere ich mich, 50 Pfennig, denn mein Vater, der ebenfalls in den 1960er-Jahren auf der Schachtanlage FdG 3/ 4 im Übertagebereich malochte, bekam nämlich jeden Morgen neben seinem Dubbelpaket, eine Mark Fahrgeld ausgehändigt.

Ich dagegen musste also zunächst zur Schachtanlage 1/ 2 an der Werderstraße laufen. Weil ich ja Horst Schneider bereits aus der Schule kannten, der ebenfalls seine Ausbildung auf Piepenfritz begann, vertiefte sich nun unsere Freundschaft. Da er damals mit seiner Familie im neuen „Dichterviertel“ lebte, gingen wir daher meist gemeinsam zum Pütt und wieder nach Feierabend zurück nach Hause.

Unser Treff war an der Ecke Körner-/Stammstraße, von dort aus ging es dann so um 5.25 Uhr gemeinsam zum Pütt. Gegen 15.30 Uhr verabschiedeten wir uns dann dort von einander. Später bekamen wir alte Fahrräder, mit denen wir dann ebenfalls gemeinsam zur Zeche und wieder nach Hause fuhren.

Im Sommer 1959 kamen wir auf die Idee, zum Zelten nach Haltern zu fahren. Gesagt, getan. Unser Ausrüstung war sehr bescheiden: Ein altes Zelt ohne Boden, zwei Decken, etwas Proviant, ein alter Topf, Reserveunterwäsche, Handtuch und Waschzeug. Warmes Essen gab es kaum, das änderte sich, als wir beschlossen, unser „1000-Sterne-Hotel“ auf einem neuen Zeltplatz in Richtung Sythen aufzubauen. Dort stand uns gegen Entgelt, ein Herdplatz zur Verfügung. Unsere Leibspeise: Gulasch aus Dosen und Nudeln. Immerhin.

Die Fahrten nach Haltern, zunächst auf dem Jugendzeltplatz gegenüber dem Alten Garten, verlangten uns schon viel ab, denn unser Räder waren stetig überladen und sehr reperaturanfällig, der Weg durch die Haard war stellenweise steil und sehr sandig. Aber diese Wochenend-Ausflüge, die Freiheit und Abenteuer versprachen, ließen wir uns nicht entgehen.

In Haltern durchstreiften wir sehr gerne den Truppenübungsplatz, obwohl es eigentlich nicht erlaubt war. Hier in der endlosen Weite der menschenleeren Borkenberge hatten wir das Gefühl irgendwo im Wilden Westen zu sein. Manchmal übernachteten Horst und ich auch in der Jugendherberge, aber nur sehr ungerne. Einmal, als wir uns sehr spät dazu entschlossen, dort zu übernachten, waren alle Plätze belegt. Es war Anfang Mai, die Temperaturen setzten sich vor allem Nachts bei 8 bis 10 Grad fest. Nach Hause fahren – nichts für uns. Die Räder ließen wir an der Jugendherberge stehen und schlugen uns in den nahen Wald. Wir machten es uns in einem alten Schützenloch auf dem nahen Truppenübungsplatz bequem und froren fürchterlich, weil wir natürlich nur die dünnen Herbergsschlafsäcke dabei hatten. Schon lange vor Sonnenaufgang schlichen wir und davon und wärmten und schließlich an einem Lagerfeuer.

Bis 1963 ging das so. Dann stand uns sogar einmal ein Fahrer zur Verfügung. Der Vater eines damaligen Auszubildenden, Helmut Vöpel, brachte uns samt Campingausrüstung in die Borkenberge. Wir schlugen das große Zelt in der Nähe eines Baches versteckt in einem Tannenwäldchen. Auch mein Bruder Walter und mein Freund Horst verbrachten dort einige herrliche Pfingstage. Doch nun hatten wir plötzlich ganz andere Freizeitbetätigungen. Im Winter ging es so unter anderem zum Skilaufen nach Winterberg oder Meinzerhagen, weil Horst und ich durch Skifreizeiten der Zeche Friedrich der Große, die von Meister Walter Porsfeld geleitet wurden, auf den Geschmack gekommen waren.

Im Frühjahr 1962, kurz nach meiner Gesellenprüfung, erwarb ich von meinem ersten Lohn bei Fahrrad Neumann (Bahnhofstraße) ein neues Rixe-Rad. Damit fuhr ich nun zum Pütt und sehr oft – fast täglich - nach Horsthausen, wo mittlerweile auch mein Freund Horst in der Feldherren-Siedlung lebte. Erst Jahre später stieg ich wieder auf ein Fahrrad, um damit auf „krummen. schmalen Wegen“ meine alte Heimat Ruhrgebiet, neu zu entdecken. [2]


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Einzelnachweise

  1. Dieser Text wurde von Friedhelm Wessel zur Verfügung gestellt. Der Text darf nicht ohne Genehmigung verändert oder weitergegeben werden.
  2. Ein Artikel von Friedhelm Wessel