Die Pest in Herne

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Die Pest in Herne

Die Geschichte der Pest im Raum Herne ist nur unzureichend dokumentiert. Nur wenige historische Quellen berichten über die Ausbrüche der Krankheit, und viele Hinweise finden sich lediglich in Sekundärliteratur. In manchen alten Aufzeichnungen wird lediglich von einer „Krankheit“ gesprochen, wobei aus dem Kontext auf die Pest geschlossen werden kann.

Der erste Ausbruch 1350

Das nach dem Stadtbrand von 1500 neu angelegte Memorienbuch der Pfarrkirche St. Peter in Recklinghausen berichtet von einer großen Pestseuche um Fronleichnam 1350 in der „parochia Ryclenchusen“. Diese Erwähnung gilt als die früheste bekannte Überlieferung eines Pestausbruchs in der Region und vermutlich starben in den Umgebung ebenfalls zahlreiche Personen an der Seuche.

Pestmaßnahmen im 16. und 17. Jahrhundert am Beispiel Recklinghausens

In den Städten und Dörfern der Region wurde versucht, Pestkranke zu isolieren. Stadttore wurden bei Verdachtsfällen geschlossen, und Erkrankte mussten die Stadt verlassen. So wurde 1527 der an der Pest erkrankte Johan Huysken „umme der pestilenten willen“ auf den Loerhof verlegt. 1578 wurde ein weiterer Pestkranker gegen Entschädigung in den Emscherbruch abgeschoben, wo man sogar Schutzhütten für Ausgewiesene errichtete. Ähnliche Fälle betrafen 1578 die Frau von Steven Togeman und 1615 Heinrich Kluete.

In den Recklinghäuser Rentmeisterrechnungen von 1555 sind zahlreiche Pesttote verzeichnet, darunter der Stadtbote, seine Frau, der Kuhhirte und der Sohn des Organisten. Auch der damalige Bürgermeister Johann Ophoeff fiel der Pest zum Opfer. Er starb 1555 in der Küche des Rathauses, wo er aus unbekannten Gründen gefangen gehalten wurde.

Flucht und Schutzmaßnahmen

Aus Angst vor Ansteckung flohen viele Bürger in pestfreie Nachbarorte. Bürgermeister Rotger Molmann zog 1555 nach Oer und später zur Burg Vogelsang bei Datteln. Bürgermeister Hegger und Richter Johann Averdunck verlegten ihre Amtsgeschäfte nach Suderwich, Rentmeister Johann Stucke floh nach Speckhorn. Diese Fluchten führten zu erheblichen Verwaltungsverzögerungen. Diese Flucht geschah bestimmt nicht aus dem Blauen heraus, muss also in der städtischen geselslchaft ein großer Ausbruch angenommen werden.

Die Pest im Dreißigjährigen Krieg

Während des Dreißigjährigen Krieges verschärfte die Pest die ohnehin große Not. 1635/1636 kam es zu schweren Epidemien, besonders in Rauxel, Frohlinde und Obercastrop. Pestkreuze wurden errichtet und Bittprozessionen abgehalten.

Von 1637 stammt ein sogenanntes *Bokengelübde*, das im späteren „Obercastroper Bokenbuch“[1] von 1732 überliefert wurde. Es sah vor, jährlich am Sonntag nach dem 16. August (Fest des Heiligen Rochus) eine Predigt und Spendenverteilung an Arme durchzuführen.

Das Obercastroper Bokenbuch

Das Obercastroper Bokenbuch diente der Verwaltung von Stiftungsgeldern, die zur Unterstützung armer Pestopfer bestimmt waren. Die Stiftungssumme betrug ursprünglich 52 Reichstaler und wuchs bis 1770 auf etwa 625 Reichstaler an.

1658 verpflichtete sich Henrich Mertens, jährlich drei Reichstaler an die Armen zu zahlen – eine Verpflichtung, die durch Bürgermeister Philipp Vethacken beurkundet wurde. Die Tradition der Boken-Stiftung wird in Obercastrop, Frohlinde und Rauxel bis heute gepflegt.

Der Begriff „Boken“ leitet sich nicht, wie oft fälschlich angenommen, von „Pocken“ ab, sondern bezeichnet eine historische Organisationsform oder Gerichtsstätte („Malstätte“) unter einer Linde oder Buche.

Pestgelübde und Kreuze in Börnig

Auch im Dorf Börnig gelobten die Bewohner nach der Pest von 1636, ein Kreuz zu errichten und jährlich eine Bittprozession zu Ehren des Heiligen Urbanus am 25. Mai abzuhalten. Das Pest-Kreuz wurde mehrfach erneuert, zuletzt 1926, verlegt und 1984 nach Restaurierung wieder aufgestellt.

Mit der Errichtung der Pfarrei „Börnig-Sodingen“ am 9. April 1900 endete die Zugehörigkeit Börnigs zur Gemeinde St. Lambert in Castrop, mit dem 1. Januar 2017 geht sie in die Katholische Pfarrgemeinde St. Dionysius Herne auf.

Bewertung der Quellen

Zahlenangaben zu Pestopfern sind meist unsicher. In vielen Fällen fehlen Aufzeichnungen, da die Bevölkerung während der Epidemien mit der Bewältigung der Krise beschäftigt war. Nur selten, wie 1555 in Recklinghausen, finden sich namentliche Nennungen von Opfern. Die Pest führte in jedem Fall zu einer deutlichen Dezimierung der Bevölkerung im nördlichen Ruhrgebiet.

Literatur und Quellen

  • Stadtarchiv Recklinghausen, Rentmeisterrechnungen (16.–17. Jh.)
  • B. Stegmann-Sodingen (1926): *Beiträge zur Geschichte der Pest in Castrop und Umgebung*
  • Alexander Berner: „Die Pest in Castrop und das ‚Obercastroper Bokenbuch'“, In: Kultur und Heimat, Herausgegeben vom Verein zur Förderung von Kultur und Heimat in Castrop-Rauxel e. V., 71. Jahrgang, 2020, Seiten 133ff.

Lesen Sie auch

Quellen

  1. Vgl.: Alexander Berner: „Die Pest in Castrop und das ‚Obercastroper Bokenbuch'“, In: Kultur und Heimat, Herausgegeben vom Verein zur Förderung von Kultur und Heimat in Castrop-Rauxel e. V., 71. Jahrgang, 2020, Seiten 133ff.