Hundert Jahre Herner Apothekengeschichte

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Hundert Jahre Herner
Apothekengeschichte

samt einigen merkwürdigen Ereignissen

Von Dietrich Hildebrand (Stadtarchiv Herne)

Alle Achtung vor dem Apotheker

Das Apothekenwesen wird in der hiesigen Heimatliteratur so gut wie gar nicht erwähnt. Dabei gebührt dem Apothekerberuf alle Achtung: Er erfordert höchste Zuverlässigkeit, Aufmerksamkeit und umfassende Vorbildung, denn, wie eine Zeitschrift richtig schrieb - Irrtümer können Menschenleben kosten! Darum hielt ich es für angemessen, an dieser Stelle einmal auf die Geschichte der Herner Apotheken einzugehen, die übrigens in diesem Jahre [1965] mindestens 100 Jahre zurückreicht. Doch zuvor, gewissermaßen als Rahmen für das zu entwerfende Bild, ein kurzer Abriss über die Entwicklung des Apothekenwesens überhaupt. Das Wort Apotheke kommt aus dem Griechischen, bedeutet so viel wie Niederlage (zu ergänzen: von Arzneimitteln) und stellt eine Einrichtung zur Arzneiversorgung der Bevölkerung dar. Die älteste Apotheke stand im achten Jahrhundert in Bagdad. Um 1240 grenzte Friedrich der Zweite von Hohenstaufen nach dem Vorbild der französischen Stadtverwaltung Arles Arzt- und Apothekertätigkeit , die bisher oft vereint waren, durch eine Medizinalverordnung voneinander ab. Bald, im 13., 14. Jahrhundert entstanden auch die ersten öffentlichen Apotheken in Deutschland seitens der Klöster und Fürstenhöfe, anfangs in Form von Stadt- oder Ratsapotheken. Aus jener Zeit rührt auch die älteste spezielle Apothekenordnung her, die in der 1336 bzw. 1350 erlassenen Medizinalordnung Kaiser Karls IV. enthalten ist. Nach einem halben Jahrtausend hatten sich die Deutschen Apotheker so durchgesetzt, dass sie als die besten der Welt galten; sie waren so beispielhaft, dass es in einem Sprichwort hieß:

"Ärzte - aus England;
Chirurgen - aus Frankreich;
Apotheker - aus Deutschland."

In der Geschichte der Apotheken haben die Besitzverhältnisse immer eine große Rolle gespielt. Die ersten Apotheker waren Apothekeneigner mit Genehmigung von Fürsten oder vom Rat der Städte, aus den ihnen gewährten Schutzbestimmungen entwickelten sich die sog. Privilegien, die zunächst an der Person des Apothekers hafteten und dann zu verkäuflichen, sogenannten Realrechten wurden. Zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurden unter der französischen Herrschaft die Privilegien endgültig abgeschafft, an die Stelle trat die Erteilung von Konzessionen.

Davon gab es zwei Arten. Die sogenannte Realkonzession war wirklich eine reelle, d. h echte, sie konnte mit Regierungsgenehmigung an einen zur Apothekenführung berechtigten Apotheker verkauft werden; die sog. Personalkonzession galt lediglich für die berechtigte Person, d. h., sie fiel bei Tod oder Verzicht des Konzessionsempfängers an den Staat zurück und wurde neu ausgeschrieben, allerdings durfte die Witwe die Apotheke verpachten. Seit der Kabinettsordre vom 30.Juni 1894 wurden nur noch Personalkonzessionen erteilt. Nach 1945 kommen in der amerikanisch besetzten Zone Deutschlands die sog. Lizenzapotheken hinzu, und vom November 1956 ab ist die Lizensierung einer Apotheke nur noch von der Bedingung des Nachweises der amtlich vorgeschriebenen Räume abhängig.

Eine wohlgeordnete Wirkungsstätte

sind die Räume einer Apotheke und interessant dazu.

  1. Der Arznei- oder Verkaufsraum heißt beim Fachmann übrigens „Offizin“. Da werden die Rezepte entgegengenommen und die Arzneien bereitet, eingetragen und austaxiert. Zur Tabula C gehören die vorsichtig und getrennt aufzubewahrenden Waren (rote Beschriftung auf weißem Grunde), zur Tabula B der verschlossen aufzubewahrenden (weißen Beschriftung auf schwarzem Grunde).
  2. In der Vorratskammer befinden sich Behälter für trockene Stoffe, Verbandsstoffe und Fertigwarenvorräte.
  3. Der Arzneikeller nimmt auf a) Flüssigkeiten in größeren Standgefäßen, b) den in die Wand eingelassenen, mit einer Eisentür verschlossenen Phosphorschrank, c) kühl aufzubewahrende Stoffe und Waren, sofern kein Kühlschrank vorhanden ist.
  4. Das Laboratorium oder die Defektur ist die Arbeitsstätte des Defektars, wo er Apothekerwaren untersucht, zubereitet oder anfertigt.
  5. Die Stoßkammer dient zur Zerkleinerung von Drogen, doch wird bei räumlicher Beschränkung dieser Vorgang heutzutage auch im Untersuchungsraum abgewickelt.
  6. Amtlich nicht vorgeschrieben ist der Spezialitätenraum, doch macht die Zunahme der Spezialitäten ihn praktisch erforderlich. Unter Spezialitäten werden Arzneifertigwaren verstanden, deren Anzahl z. Z. weit über 76.000 liegt.

Bevor wir nun zur Geschichte unserer Herner Apotheken kommen, ist vielleicht noch erwähnenswert, das der Apotheker beim Umgang mit diesen ungeheuren Mengen von Arzneimitteln durch zwei Berufsgruppen entlastet wird. Das sind einmal die Drogisten, die seit 1871 bestimmte einfache Arzneimittel abgeben dürfen, zum anderen die Apothekenhelferinnen und Laboranten. Im Jahre 1940 wurde die Berufsgruppe der geprüften Helferin geschaffen, deren Ausbildung als Anlernhelferin vor sich geht. Zum Abschluss dieser Einleitung müssen der Vollständigkeit halber des weiteren die Krankenhaus- sowie die Betriebsapotheken genannt werden, im folgenden sollen jedoch nur die öffentlich zugänglichen Apotheken behandelt werden, die durchweg Namen tragen, Namen, die meist auch Struktur und Geschichte der Stadt Herne wiederspiegeln.

'Alte Apotheke' - älteste Herner Apotheke

Diese nach wie vor in der Bahnhofstraße 39 liegende Apotheke wird in der Literatur schon 1856 genannt, jedoch kann dies Datum nicht mit Sicherheit als Gründungsjahr belegt werden. In städtischer amtlicher Quelle wird die 'Alte Apotheke' erstmals am 1.Februar 1865 mit der Angabe erwähnt, dass sie bisher immer noch nicht "konzessioniert" sei. Sie ist übrigens neben der 'Neuen Apotheke' die einzige mit einer Realkonzession, über deren Bedeutung im Vorwort geschrieben wurde. Der erste Apotheker der "Alten", die diesen Namen natürlich erst nach Eröffnung der zweiten im Jahre 1885 erhalten haben kann, ist wahrscheinlich ein gewisser [Gustav] Funke gewesen, dessen Name erstmals am 18. April 1872 erscheint.[1]

Badende Kinder von Blutegeln belästigt

Dieser Funke soll ein Original gewesen sein. So wird von ihm in der Literatur berichtet, er habe statt 100 versehentlich einmal tausend Blutegel bestellt, die überzähligen dann einfach in den Westbach geworfen, wo diese dann badende Kinder angezapft hätten. Eine der ersten Amtshandlungen des damaligen Amtmanns Schaefer ist es gewesen, den schreienden Kindern zu Hilfe zu kommen.

Am 27. November 1881 hören wir abermals von der 'Alten Apotheke' mit dem Bemerken, sie sei die einzige im Amt Herne, die mit einem Apotheker 1. Klasse und einem Gehilfen besetzt sei.[2] Um die Jahrhundertwende, zwischen 1905 und 1908 (es wird auch der Zeitraum zwischen 1897 und 1901 vermutet) wurde die "Alte" vorübergehend in das Haus Bahnhofstraße 43 verlegt, weil auf dem alten Grundstück ein Neubau errichtet wurde, dessen Turm mit dem Firmenzeichen "Alta" übrigens vor nicht zu langer Zeit abgerissen wurde. (s. Bild!) Die weiteren Leiter der 'Alten Apotheke' waren dann, ab 1901 nachweisbar, Werner Brocke, ab 20. März 1913 Fritz Hollatz, ab 1. Januar 1940 Dr. Kurt Wetzel als Pächter, ab 1. November 1945 Dr. Gerhard Hollatz, ab 1. Juli 1952 Dr. Druckrey als Pächter und schließlich ab 1. Juli 1953 Dr. Joachim Herzfeldt, vorher in Elbing.

'Neue Apotheke' achtzig Jahre alt

Die Neue Apotheke im Jahre 1940. Bildquelle: Bildarchiv des Märkischen Kreis (c)

Vor achtzig Jahren [ 1885 ] wurde die 'Neue Apotheke' eröffnet, ihr damaliges Aussehen zeigt das hier veröffentlichte Bild. Als erster Apotheker der "Neuen" wurde Heinrich Crux festgestellt. Nach seinem Tode[3] verpachtete Witwe Luise Crux die Apotheke, darüber hinaus erwarb sie sich große Verdienste als Leiterin karitativer Vereine. Am 1. Oktober 1918 übernimmt dann Heinrich Döltgen die Apotheke, zunächst als Verwalter, ab 1. April 1934 endgültig. Seit dem 1. Januar 1961 ist [war] seine Tochter Marie Luise Döltgen Inhaberin der 'Neuen Apotheke'.[4]

Baukauer Apotheker stirbt im Bunkergedränge.

An die Eingemeindung Baukaus erinnert mit ihrem Namen die 'Baukauer Apotheke' , die vorher 'Engel - Apotheke' hieß. Sie ist Anfang des Jahres 1900 als Apotheke in der Bismarckstraße 10 erbaut worden und steht neben dem alten Baukauer Amtshaus. Den ersten Besitzer der Apotheke Gregor Vater löste am 1. Dezernber 1938 der Pächter Drücke ab, der am 9. November 1944 im Gedränge am Bunker Moltkestraße umkam. Seit dem 1. November 1945 ist Dr. phil. Kurt Wetzel für die 'Baukauer Apotheke' verantwortlich, die nicht nur die erste Baukauer, sondern auch die erste Apotheke mit einer Personalkonzession , worüber wir im Vorwort lasen, ist.

'Glückauf-Apotheke' älteste Sodinger Apotheke

Diese Apotheke ist die erste von den bisher besprochenen, die in ihrem Namen auf den Charakter Hernes als Bergbaustadt hinweist. Als sie 1900 neu konzessioniert wurde, lag sie in der Hermannstraße 3, nach der Eingemeindung des Amtes Sodingen lautete die Anschrift infolge Straßenumbenennung zur Vermeidung doppelt vorkommender Namen Eupener Straße 3. Nach dem Tode des ersten Besitzers Emil Strenge, war die 'Glückauf-Apotheke' etwa seit Beginn des 2. Weltkrieges an den Apotheker Fahnenstich verpachtet, bis sie am 1. Mai 1949 Heinrich Böing in seine Obhut nahm und nach rund zehn Jahren, am 9. Juli 1959, in die Mont-Cenis-Str. 299 verlegte.

'Engel-Apotheke' einmal ohne Schutzengel

Die 'Engel-Apotheke' in der Bochumer Straße 27 besteht seit dem 1. 4. 1904, zuerst betreut von H. Rotermund. Ihn löste um etwa 1916 Karl Freericks ab, dem am 1. Juli 1930 Dr. Vinzenz Timmermann folgte. Doch am 3. Mai 1932 muß die 'Engel-Apotheke' ohne ihren Schutzengel gewesen sein: Schon seit längerem lag Dr. Timmermann mit dem Käufer seiner früheren Apotheke auf dem Lande wegen der Apothekeneinrichtung im Streit. An dem genannten Tage nun kam es wiederum zu einem erregten Wortwechsel zwischen den Kontrahenten, in dessen Verlauf der Kollege seinen Vorgänger erschoss. Am 9. Juni 1932 wechselte die 'Engel-Apotheke' ihren Herrn: AIfred Zumbusch verwaltet sie seitdem. Seit dem 1. Oktober 1936 ist er Pächter und im Februar 1951 hat er die Apotheke als Eigentümer übernommen.

'Hafen-Apotheke' älteste Horsthauser Apotheke.

Auch die 'Hafen - Apotheke' in der Roonstraße 52 hält mit ihrer Bezeichnung die Erinnerung an Herner Geschichte wach, nämlich an den alten Hafen der Zeche Friedrich der Große am früheren, inzwischen verschwundenen Stichkanal. Außerdem zeichnet sich die Apotheke dadurch aus, dass sie bis jetzt ständig im Besitz der gleichen Familie geblieben ist. Am 22.November 1912 machte Dr. Moritz Cruismann die Apotheke auf. Nach seinem Tode setzte seine Witwe Therese Cruismann zunächst einen Verwalter ein (1934). Ab 1936 trat die Tochter Marie Stolz-Cruismann als Pächterin auf, bis sie bei einem Bombenangriff in der Apotheke ums Leben kam. Nachdem der Wiederaufbau bewerkstelligt war, führt seit 1946 ihre Schwester Margarete Cruismann die 'Hafen-Apotheke'.[5]

Sonderbare 'Blüten' in der Besatzungszeit.

Im Verlaufe der 100jährigen Herner Apothekengeschichte - wenn wir 1865 als sicheres Geburtsjahr der 1. Apotheke annehmen wollen - kommen wir nun zu der bösen Besatzungszeit, die 1923 begann. Die Verordnungen der Franzosen trieben manchmal doch eigenartige Blüten, die allerdings im Falle des Apothekenwesens nicht einer gewissen Romantik, aber auch einer bitteren Komik entbehrten. Wie ein Gewährsmann berichtet, durfte man z.B. den Gang zum Apotheker, sofern er in die "Sperrstunden" fiel, nur "bewaffnet" mit dem Rezept eines Arztes und einer hell brennenden Laterne vornehmen, wenn man ungeschoren durchkommen wollte.

'Berg- und Hütten-Apotheke' - älteste Holthauser Apotheke

In dem zitierten Jahr wurde am 1. August 1923 in der Castroper Straße 320 die 'Berg- und Hütten-Apotheke' eröffnet, eine weitere Apotheke, welche die wirtschaftliche Struktur Hernes im Namen festhält. Die Neukonzession wurde am 1. August 1923 erteilt. Erster Apotheker war Paul Schneider. Am 1. Juli 1934 wurde Georg Zerres Besitzer, der schon am 14. September 1935 verstarb. Nachdem inzwischen ab 1. November 1935 Hermann Fahnenstich Verwalter und ab 1. Oktober 1945 Herr Schierbaum Pächter waren, ist die 'Berg- und Hütten-Apotheke' seit dem 2. Januar 1949 wieder in Händen der Zerres-Tochter Irene Ophüls.

'Rathaus-Apotheke', eigentlich 'Rats-Apotheke'

Auf die bauliche Struktur der Stadt Herne weist in ihrem Namen die in der Nähe des 1912 erbauten Rathauses gelegene Apotheke hin. Bei meinen Nachforschungen stellte sich heraus, dass unter dem 27. August 1926 eigentlich die Firmierung 'Rats-Apotheke' - wie beantragt - genehmigt wurde, was ja auch nicht übel geklungen hätte. Der erste Eigentümer der Apotheke, Friedrich Magdalinski hatte seine Räume im Hause Neustraße 25. Die Neustraße wurde 1934 in Franz-Seldte-Straße nach dem Stahlhelm-Führer umbenannt. Im Juli 1940.ging die "Rathaus- Apotheke' dann in den Besitz des Sohnes Kurt Magdalinski über, der sie im Jahre 1952 nach der Bebelstraße 2, ins 'Hansa-Haus', verlegte. Damit haben wir die zweite Apotheke, die bislang ausschließlich im Besitz derselben Familie ist.

Die Apotheken, die nunmehr behandelt werden sollen, sind sämtlich nach dem zweiten Weltkrieg gegründet worden. Sie können noch keine nennenswerte Geschichtehaben, dazu sind sie zu jung. Unter anderem ist ihnen als Kennzeichen gemeinsam, dass sie sämtlich noch ihren ersten Besitzer haben. Das schließt nicht aus, auch in ihnen berichtenswerte Erlebnisse zu haben. Die Apothekerin der 'Gysenberg-Apotheke', Frau Emma Meyer, die am 25. April 1951 in der Wiescherstraße 182 anfing und 1959 in die Kronenstraße 33 übersiedelte, kann solche mitteilen. Zugleich ist ihr Apothekennamen ein Teilbild der landschaftlichen Struktur Hernes.

"Da habt ihr den Salat!"

Jedenfalls, es muss im November 1951 gewesen sein, bot ein Mann der Apothekerin einen Korb roter Schnecken zur Herstellung von 'Schneckensyrup' an. Er war für seine Sammelaktion extra früh aufgestanden und erhoffte sich eine Nebeneinnahme für seine sicherlich anstrengenden Bemühungen. Leider musste man sein Angebot ablehnen, da der 'Schneckensyrup', der bei Erkältung an Kleinkinder verabreicht wird, aus einem Auszug der Eibischwurzel hergestellt wird, nicht aber aus roten Schnecken! In seiner maßlosen Enttäuschung übermannte den Mann der Zorn und mit den Worten: "Da habt Ihr den Salat!" stülpte er den Korb im Apothekenverkaufsraum einfach um und ging davon. Nur der dadurch verursachte Schmutz ging nicht so schnellweg und verursachte ein ganz schönes Stück Arbeit. - Inzwischen ist der Ärger verflogen und die Apothekerin denkt nur noch mit einem Schmunzeln an den seltsamen Vorfall zurück.

Ätherexplosion über der Apotheke

Nicht so harmlos war ein Ereignis, dass etwa um 1955 passierte. Über der Apotheke befand sich das Untersuchungslaboratorium des Werksarztes der Zeche Constantin IV/V. Eines Morgens um 8 Uhr ereignete sich eine Ätherexplosion, die zwei Assistentinnen des Arztes ganz in Flammen einschloss. Glücklicherweise wurden sie von der bereits nach 3 Minuten erschienenen Feuerwehr gerettet. Frau Meyer dagegen stellte nach abgeklungener Aufregung fest, dass sie angesichts der Gefahr allerlei Kinkerlitzchen in Sicherheit gebracht hatte, dass dagegen manch Unersetzbares liegen geblieben war. Sie gibt daher die Anregung, dass auch in Apotheken, wo noch nicht vorhanden, ein "Alarmplan" aufgestellt wird, der nicht zuletzt auch die Reihenfolge der in Notsituationen zu bergenden Sachen angibt.

Im gleichen Jahr wie die 'Gysenberg- Apotheke", von der die eben geschilderten Ereignisse berichtet worden sind, wurde am 19. Juni die "Bahnhofs-Apotheke' von Apotheker Wilhelm Möller, einem Ostvertriebenen, aufgemacht. Die Apotheke liegt in der Bahnhofstraße 106. In diesem Hause befanden sich vorher "Riese's gute Stuben", ein Weinlokal. [Anm. 1]

Weist die 'Bahnhofs-Apotheke' auf die gleiche bauliche Struktur hin, nämlich den nahen Bahnhof, so entsprechend die 'Glocken-Apotheke' im Steinweg 1 auf die in der Nähe liegenden Kirchen. Die Eröffnung dieser Apotheke fand durch Herrn Bruno Krogull am 25. März 1952, also ein Jahr nach den zuletzt besprochenen Apotheken statt.

Im selben Jahr öffnete noch eine weitere Apotheke ihre Pforten, und zwar am 29. Dezember 1952 die 'Barbara-Apotheke' des Herrn Josef Hammerling in der Mont-Cenis-Straße 198. Im Namen der Apotheke, der die Schutzheilige der Bergleute enthält, spiegelt sich ein weiteres Mal die wirtschaftliche Struktur Hernes.

Zwei Jahre später entstand wiederum eine Apotheke in Herne; Johanna Lerch leitet seit dem 15.April 1954 die 'Haranni - Apotheke', Bebelstr. 104. Sie gab ihrer Apotheke einen geschichtsträchtigen Namen, den alten Dorfnamen von Herne, der ja so viel wie "die Höhe" bedeutet. Die Inhaberin der am 22. Januar 1957 gegründeten 'Rosen - Apotheke' in der Blücherstraße 19 unseres Stadtteils Horsthausen, Erna Harten, ist die letzte in Herne, die im Besitz der bisher erforderlichen Personal- Konzession ist.

Lizenzen lösen die Konzessionen ab

Bereits bei der am 17. Oktober 1957 von Apotheker Hans-W. Meyer in der Heinrichstraße 11 eingerichteten Kronen - Apotheke wirkt sich das in der Einleitung gestreifte Gesetz vom November 1956 aus, nach dem zum Betrieb einer Apotheke anstatt der bisher notwendigen Personalkonzession lediglich eine Lizenz erforderlich ist. Diese erleichtert zwar die Eröffnung einer Apotheke, verlangt vom Apotheker aber natürlich das gleiche Maß an fachmännischer Qualifikation wie immer schon.

Zwei neue Apotheken gibt es auch im folgenden Jahre 1958. Die eine ist die 'Neumarkt - Apotheke' von Frau Ingeborg Wetzel im Ärzteviertel an der Ecke Schul- bzw. Schaeferstraße, die in ihrem Apotheken-Namen die städtebauliche Zuordnung des Standortes der Apotheke erkennen lässt. Die andere Apotheke ist die seit dem 2. September 1958 bestehende 'Sonnen-Apotheke' Erna Hoischens in der Altenhöfener Straße 85. Im Apothekennamen ist ebenfalls ein etwas versteckter Hinweis auf die städtebauliche Situation, auf die Lage im südlichen Stadtrandgebiet und auf das nahe Sommerbad enthalten.

Ein Jahr später eröffnet Apotheker Erich Hein in Baukau die 'Löwen-Apotheke' in der Bismarckstraße 118, die jedoch bald wieder geschlossen wird. Die bei Abschluss dieses Aufsatzes neueste Apotheke ist Joachim Soffners 'Süd - Apotheke', Bochumerstraße 174, die seit dem 24. Januar 1964 besteht.

Große Verantwortung vor dem Volk.

Selbstverständlich musste sich der Verfasser in dieser Heimatpublikation auf das rein Historische am Apothekenwesen beschränken. Um aber doch wenigstens in etwa die Bedeutung der fachhohen Arbeit des Apothekerberufes anklingen zu lassen, möchte ich mit einem Absatz aus einem einschlägigen Sachbuch schließen; "Die Apotheke ist eine staatlich zugelassene und überwachte Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, die der Arzneiversorgung der Bevölkerung dient. Sie ist der Ort, wo Arzneien gewissenhaft und fachkundig zubereitet, wo Heilmittel industrieller und eigener Anfertigung in ausreichenden Mengen vorrätig gehalten und in einwandfreier Qualität mit absoluter Zuverlässigkeit abgegeben werden. Stoffe und Zubereitungen, soweit sie in den Arzneibüchern oder den zugehörigen Ergänzungsbüchern verzeichnet sind, müssen nach dort gegebenen Normen überprüft werden, bevor sie zur Verarbeitung oder zur Abgabe gelangen, Fertigwaren nach den Angaben der Hersteller. Darüber hinaus müssen eine Reihe von Vorschriften, die zum Schutz der Bevölkerung und gegen Missbrauch erlassen worden sind, gewissenhaft beachtet werden. Der Berufspflicht des Apothekers ist somit eine große moralische und gesetzliche Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit aufgebürdet."

Anmerkungen

  1. "Am 19 Juni 1951 empfing der Gründer der Bahnhof-Apotheke Wilhelm Möller seine ersten Kunden. Vorausgegangen waren umfangreiche Umbaumaßnahmen am Haus Bahnhofstraße 106. Aus einer ehemaligen Weinstube machte man geeignete Räumlichkeiten für die Apotheke. Erst hatte Möller vergeblich versucht Räumlichkeiten in einem Dortmunder Gebiet zu finden, für das er eine Konzession zur Gründung einer Apotheke bekommen hatte. Aber in jenem Gebiet lag durch die Folgen des Krieges so viel in Trümmern, dass seine Bemühungen erfolglos blieben. So gab er diese Konzession zurück und bekam eine für Herne im Bereich Eschstraße bis Vinkestraße. So kam die Familie Möller nach Herne nach der Flucht aus Schlesien, wo der Apotheker in der Kleinstadt Haynau seine Apotheke und sein Haus zurücklassen musste.
    Wilhelm Möller führte die Apotheke bis zu seinem Tode im Jahre 1971. Ab dann übernahm seine Tochter Karin Rigos das Geschäft, das sie ihrerseits 37 Jahre führte und danach 2008 ihrer Tochter Elektra Rigos übergab.
    Mutter Rigos verlegte im Jahre 1984 ihre Apotheke von den ursprünglichen Räumen in das Nachbarhaus Bahnhofstraße 104. Früher stand dort das Hotel Tante Anna, an das alte Herner sich noch erinnern können. Nach dem Abriss des alten Gebäudes, das in der Zwischenzeit dem Gastronomie-Unternehmen Wienerwald gehörte, baute der Ehemann der Apothekerin Dr.-Ing. Efstratios Rigos das Apotheken und Ärztehaus, das heute das Hauptgebäude des Ärztezentrums am Bahnhof ist. In diesem Monat wurde das dritte Gebäude des Zentrums fertiggestellt. So ist die Bahnhof-Apotheke heute in einem großen Ärztezentrum, in dem 11 Arztinnen und Ärzte praktizieren, eingebettet. Mit seinen Baumaßnahmen hat Dr. Rigos in der langjährigen Geschichte der Bahnhof-Apotheke eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Gründer Wilhelm Möller wäre sicherlich zufrieden, auch wenn ihm vielleicht anfangs ein Apotheker als Schwiegersohn lieber gewesen wäre." https://www.youtube.com/watch?v=4bGnxTm4yv0

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Literatur

  • Dransfeld: ..Geschichte der ev. Gemeinde Herne, Essen 1875, Bädeker, S. 80; (L 9120)
  • Adreßbücher der Stadt Herne, st. 1900;
  • “Der Apothekerpraktikant", Herausgeber Dr. Kaiser, Wissensch. Verlagsges. Stuttgart 1955;
  • Zeitschrift „Wirtschaft und Wissenschaft", Oktober 1965,S. 2;
  • “Herner Zeitung" v. 15. 10. 1965.

Quellen

Herne - unsere Stadt - Dezember 1965 S. 7-10

Dokumente aus den Beständen des Stadtarchiv Herne
Auskünfte 1965 von 18 Herner Apothekerinnen und Apotheker; Diesen Damen und Herren sowie denen des Gesundheitsamtes und des Bildarchivs hier der Dank des Verfassers für die Unterstützung seiner kleinen Arbeit.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Stadt Herne, Pressebüro und des Stadtarchivs Herne.
  1. Aus der Geschichte der Bahnhofstraße VI
  2. Gustav Funcke war am 25. September 1845 in Herdecke geboren und verstarb in Herne am 21. Oktober 1892 an "Herzlähmung". Beigesetzt wurde er am 3. November (Reg.Nr.320) auf dem ev. Friedhof am Bergelmanns Hof
  3. Er verstarb am 1. Januar 1892. Quelle: Kirchenbücher der kath. St. Bonifatius Gemeinde Nr. 294 S. 98
  4. Seit dem 1. Januar 1961 war dessen Tochter Marie Luise Döltgen zunächst Pächterin, dann ab 1972 Inhaberin der 'Neuen Apotheke'. Nach ihrer Heirat unter dem Namen: "Neue Apotheke Maria-Luise Krämer-Döltgen". Am 26. Juli 1999 wurde diese gelöscht. (HRA349). "Die Neue Apotheke e.K." mit der Besitzerin Annegret Koglin wurde am gleichen Tag neu eingetragen. (HRA 835)
  5. Zur Schließung: http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-herne-und-wanne-eickel/apotheken-sterben-setzt-sich-fort-id8114274.html