Sinti und Roma

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Susanne Peters-Schildgen

Brachte die nationalsozialistische Gewaltherrschaft auf lokaler Ebene zunächst nur vereinzelt Beschränkungen im Alltagsleben ethnischer Minderheiten mit sich, verschärfte sich deren Situation ab der zweiten Hälfte der 1930er Jahre. Gemäß der NS-Rassenideologie wurden neben den Juden auch Sinti und Roma als "minderwertige Rassen" ausgegrenzt. Verhaftungen, Deportationen, Folterungen in Konzentrationslagern und letztlich die Ermordung zahlreicher Angehöriger dieser Minderheit waren die Konsequenz des unmenschlichen Vorgehens der Nazis.

Sinti auf der Cranger Kirmes in Wanne-Eickel, um 1930

Alljährlich kamen die Sinti und Roma mit ihren Pferden und Wagen zur Cranger Kirmes. Ihre Anwesenheit, über die regelmäßig in den Lokalzeitungen berichtet wurde, verlieh der Arbeiterstadt für kurze Zeit einen Hauch von Exotik, Freiheit, Weltoffenheit und Abenteuertum. Fremde Lebensgewohnheiten und auffällige Kleidung förderten in der ansässigen Bevölkerung jedoch Vorurteile gegenüber den "Zigeunern". In radikalisierter Form fanden derartige Klischees Eingang in die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten. "Minderwertige", "asoziale Elemente", Bettler, Wahrsager, "Arbeitsscheue" und Landstreicher, zu denen auch Sinti und Roma gerechnet wurden, fanden "im nationalsozialistischen Deutschland keinen Raum mehr" und waren somit der "Ausrottung" preisgegeben. Die Entrechtung und Vernichtung der Sinti und Roma erfolgte schrittweise und planmäßig. So erlaubte der Runderlass des Preußischen Reichs- und Innenministeriums vom 6. Juni 1936 den Behörden die Ausweisung in Deutschland weilender "ausländischer Zigeuner". 1938 wurde die eigens zur "Bekämpfung des Zigeunerwesens" beim Polizeipräsidenten in München eingerichtete "Zigeunerpolizei-Stelle" dem Reichskriminal-Polizei-Amt angegliedert. Deren Aufgaben bestanden in der Erfassung der im Deutschen Reich lebenden Sinti und Roma. Ab 1938 durften sich Sinti und Roma nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen. Sofern sie keinen festen Wohnsitz im Herner Stadtgebiet nachwiesen, waren sie gezwungen, auf dem ehemaligen Sportplatz an der Weichselstraße (jetzt Sodinger Straße) zu leben. Der "Festsetzungserlass" vom 17. Oktober 1939 ermöglichte den Nazis die Internierung aller "Zigeuner und Zigeunermischlinge" in Sammellagern. 1942 befahl Heinrich Himmler ihre Einweisung ins KZ nach Auschwitz-Birkenau.

In Herne waren davon zunächst sechs Mitglieder der Familie Petermann aus dem Lager an der Weichselstraße betroffen. Die Verhaftung und Deportation der übrigen, nachweislich 34 Sinti und Roma nach Auschwitz erfolgte am 9. und 10. März 1943. Die meisten von ihnen wurden ermordet, wie die in Stendal geborene, zuletzt in Wanne-Eickel ansässige Grete Grünholz. Ihr Vater, Wolf Grünholz, sowie Rudolf Grünholz und Georg Franz wurden kurz nach Kriegsende von den alliierten Truppen aus dem Konzentrationslager befreit.

Nach wie vor wird kaum eine Minderheit so stark abgelehnt wie die Roma. Ressentiments gegenüber den Roma brechen heute aufs neue hervor. Schon scheint man vergessen zu haben, dass mehr als 500.000 Sinti und Roma dem nationalsozialistischen Rassismus zum Opfer fielen.


Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Stadt Herne[1]
Der Text wurde für das Wiki redaktionell bearbeitet.

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Quellen