Vorwort zur Dokumentation Erinnerungsorte-Shoah-Denkmal

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Der Originaltext/Artikel dieser Seite stammt von Pressebüro der Stadt Herne und wurde für das Wiki redaktionell bearbeitet.
Autor Pressebüro der Stadt Herne
Erscheinungsdatum 2010, in: Erinnerungsorte - Shoah-Denkmal, S. 7 u. 8












Auf dem Weg der Erinnerung

Ein Vorwort von Oberbürgermeister Horst Schiereck zur Dokumentation „Erinnerungsorte – Shoah-Denkmal“ von Ralf Piorr im Auftrag der Stadt Herne, 2010.


Es sind 65 Jahre vergangen, seit am 27. Januar 1945 Soldaten der Roten Armee in dem polnischen Ort Oswiecim, 60 Kilometer westlich von Krakau, ein Konzentrationslager betraten. Was sich ihnen bot, war ein Bild des Grauens. Es war der größte Friedhof der menschlichen Geschichte. Seitdem ist im Lauf der Jahrzehnte, „Auschwitz", der deutsche Name des Ortes, im internationalen Sprachgebrauch zur zentralen Metapher für Unmenschlichkeit und das Böse in unserer Zeit geworden.[1]

Oberbürgermeister Horst Schiereck bei einer Erinnerungsfeier im Kulturzentrum Herne, November 2009

Am 27. Januar 1945 wurde auch der Häftling Nummer 174 517 befreit. Es war der italienische Chemiker Primo Levi. Nach Auschwitz begann er sein berühmtes Buch „Ist das ein Mensch?" zu schreiben, eines der ersten und bis heute ein ganz besonders bewegendes Dokument eines Überlebenden der Shoah. Er schilderte darin das Unmenschliche des Lagers mit menschlichen Augen und versuchte, den Schrecken in einer Sprache zu formulieren, die Ressentiments und Verallgemeinerungen vermied. Aber vor allem wollte er vor der Menschheit Zeugnis ablegen, auf dass „niemand jemals mehr wagen möge, die Existenz der Lager zu bestreiten: dass „es“, das Unnennbare, stattgefunden habe", wie er später schrieb. Das Datum des 27. Januar steht für uns alle im Sinne dieses „Nicht vergessen!". Der Tag soll uns erinnern an das Leiden und den millionenfachen Tod unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger unter dem nationalsozialistischen Terrorregime.

Wir erinnern. Aber wir schauen auch nach vorn. Der 27. Januar als Gedenktag für die Befreiung von Auschwitz soll unser Bewusstsein wachrütteln und unseren Blick schärfen, um mögliche Gefahren menschenverachtender Gewalt frühzeitig zu erkennen und abzuwenden. Der Tag soll uns Mut machen, laut und deutlich „Nein!" zu sagen gegen rechte Gewalt. Hiergegen wollen wir klar und vernehmlich „Ja!" rufen, wenn man uns nach der gegenseitigen Anerkennung und dem Miteinander der Kulturen in unserer Stadt fragt.

Die Tatsache, dass vor gar nicht so langer Zeit in der Mitte Europas eine große Zahl von Menschen sich zu nahezu unglaublich barbarischem Handeln bewegen ließ, muss im Bewusstsein der jungen Generation verhaftet bleiben. Es ist verständlich, dass junge Menschen dem grauenvoll Unbegreiflichen ausweichen möchten, weil es unbequem und aus unserem Alltagsleben heraus nicht vorstellbar ist. Und doch geschieht bis heute immer wieder Ähnliches in der Welt.

Der Umschwung von einer friedlichen Welt in eine Welt des Grauens geschah damals und geschieht heute nie mit dem vollen Wissen und Wollen der Beteiligten. Plötzlich ist es zu spät, man hat es nicht gewollt und dann kann man nichts mehr ändern - und schon gibt es die „willigen Vollstrecker" für jedes, auch das größte Unrecht. Das Bewusstsein für diese Gefahren muss rechtzeitig geschärft und der Wert eines jeden Lebens verdeutlicht werden. Die Beschäftigung mit diesem dunklen Teil der deutschen Vergangenheit kann dazu beitragen, Jugendlichen ihren eigenen Standort bewusster zu machen: Denn unsere Gegenwart ist zu weiten Teilen aus der Erfahrung mit dem NS-Regime gestaltet worden.

Im Auftrag des Rates der Stadt haben wir vor einigen Jahren mit dem Projekt „Nahtstellen, fühlbar, hier..." und der Schaffung dezentraler Erinnerungsorte einen Weg beschritten, den man im Bereich der „Erinnerungskultur" durchaus beispielhaft nennen kann.

Junge Menschen aus unserer Stadt haben „Gedächtnistafeln" gestaltet, die in den verschiedenen Stadtteilen aufgestellt wurden. Sie taten dies im Gedenken an die historischen jüdischen Gemeinden in Herne und Wanne-Eickel, in Erinnerung an die Menschen, an ihr Leben und Wirken und zugleich im Gedenken an die Opfer von Ausgrenzung, Verfolgung und Deportation.

Oberbürgermeister Horst Schierck mit Tessa Kücke und Lina Benthaus, die beide am Projekt des Otto-Hahn-Gymnasiums beteiligt waren. Aufgenommen bei der Gedenkveranstaltung im Ludwig-Steil-Haus am 27. Januar 2005

Wir sind damit ein kleines, aber sehr wichtiges Stück auf dem langen Weg der Erinnerung vorangekommen. Denn die Schülerinnen und Schüler haben auf die Frage „Interessiert das heute überhaupt noch jemanden?" mit einem klaren und deutlichen „Ja!“ geantwortet. Und es gab in den letzten Jahren weitere wichtige Zeichen sowohl für eine Erinnerungskultur als auch für ein erstarktes jüdisches Leben in unseren Städten.



So feierte die Jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen im Dezember 2007 endlich die Einweihung ihrer neuen Synagoge in Bochum.[2] Ich war zu dieser Feierstunde eingeladen und tief beeindruckt von der Kraft und dem starken Glauben der Menschen. Ich war beeindruckt von der herzlichen Offenheit und Gastfreundschaft der Jüdischen Gemeinde.

Ein weiteres wichtiges Zeichen wollen wir in unserer Stadt mit dem zentralen Mahnmal für die Opfer der Shoah aus Herne und Wanne-Eickel setzen. Dieser Ort des Gedenkens soll allen 401 namentlich bekannten Opfern des Holocaust aus unserer Stadt gewidmet sein. Auf Empfehlung einer unabhängigen Jury entschied sich der Rat der Stadt für den Entwurf der beiden Künstler Winfried Venne und Gabriele Graffunder aus Wuppertal. Durch die Wiedergabe jedes einzelnen Namens, des Todestages und des Sterbeortes werden die Opfer aus der Anonymität herausgehoben und in den Focus des Betrachters gerückt. Zugleich entsteht mit dem neuen Denkmal ein verbindendes Element zu den dezentralen Gedenktafeln im Stadtgebiet.

In zeitlicher Nähe zum Gedenktag der Befreiung von Auschwitz wird das Shoah-Denkmal am 29. Januar 2010 der Öffentlichkeit übergeben. Wir sind überaus dankbar, dass wir die feierliche Einweihung auch in Anwesenheit von ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern vornehmen dürfen, sie reisen u.a. aus Israel, England und den USA an.

Wir alle wissen, eine lebendige Erinnerungsarbeit endet nicht mit dem Bau neuer Synagogen in Deutschland. Sie ist auch nicht damit beendet, dass wir nun in Herne viele dezentrale Orte der Erinnerung geschaffen haben und ein zentrales Mahnmal für die Opfer der Shoah geschaffen wurde. Die neue Synagoge und das Herner Mahnmal sind wichtige und weithin sichtbare Symbole. Aber darin darf sich unsere Erinnerungsarbeit zu diesem schrecklichsten Kapitel deutscher Geschichte nicht erschöpfen. Was allein wichtig ist: diese Symbole müssen wir immer wieder mit lebendigem Dialog aufladen. Erinnerungsarbeit ist heute eine andere geworden. Sie endet nicht im Gedenken, sie entwickelt Zukunft im gelebten Miteinander. Das Erinnern und das Leben wird zukünftig von jungen Menschen gestaltet, die keine unmittelbare Beziehung mehr zum damaligen Geschehen haben. Deshalb ist es wichtig, dass sich am 27. Januar alle Generationen treffen, um der Opfer zu gedenken und dass wir alle gemeinsam für eine friedliche Zukunft unserer Kulturen und unserer Religionen eintreten.


Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Stadt Herne

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Quellen

Erinnerungsorte - Shoah-Denkmal - Zum Gedenken an die Opfer der Shoah aus Herne und Wanne-Eickel - Eine Dokumentation von Ralf Piorr im Auftrag der Stadt Herne, Seite, Herausgeber: Stadt Herne, 2010

Anmerkungen