Wirbelsturm über Horsthausen (1934)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Schwerer Schaden durch eine Windhose — Häuser abgedeckt, Bäume entwurzelt und abgedreht — Auch in Röllinghausen und Suderwich tobte das Unwetter

Nr. 255 - Drittes Blatt des Stadtanzeigers für Castrop=Rauxel und Umgebung

Freitag. den 21. September 1934

Ein Wirbelsturm wütete in Horsthausen
[1]

Schwerer Schaden durch eine Windhose— Häuser abgedeckt, Bäume entwurzelt und abgedreht— Auch in Röllinghausen und Suderwich tobte das Unwetter

Herne=Horsthausen. Das schwere Unwetter, das Mittwoch Nachmittag sich über dem Ruhrgebiet austobte, hat schwereren Schaden angerichtet, als es zuerst den Anschein hatte. So hat ein schwerer Wirbelsturm, der mit der Gewalt eines Orkans dahinbrauste, im benachbarten Horsthausen schweren Schaden angerichtet. Mit welcher Gewalt der Sturm gewütet hat, zeigt die Tatsache, dass Bäume von ziemlicher Stärke aus dem Boden gerissen und regelrecht abgedreht worden sind.
Zu dem Verlauf des Unwetters erfahren wir: Das Gewitter am Mittwoch war in Herne auf der Strecke von Herne=Horsthausen am Kanal entlang bis nach Recklinghausen=Süd von einer Windhose begleitet, die sich von der Erde bis zu den niedrig hängenden Wolken erhob und auf dieser Strecke furchtbare Zerstörungen anrichtete. Im Nu waren die Dächer zahlreicher Häuser abgedeckt, so dass nur die Dachbalken und=Sparren hervorlugten. Riesige Staubwolken, Steine, Bäume, Sträucher und Ziegel flogen durch die Luft. Etwa einhundert Schornsteine wurden an der Strecke umgestürzt, Bäume wurden entwurzelt und teilweise 50 Meter weit getragen. Bei vier in Mitleidenschaft gezogenen Häusern besteht Einsturzgefahr.
Stark mitgenommen wurde das Gartenrestaurant Wippermann[2] in Horsthausen. Hier wurden Tische und Stühle durch die Luft geschleudert. Von einer eisernen Bachbrücke wurden die Bohlen von den Trägern losgerissen. Schwer beschädigt wurde der 200 Jahre alte Bauernhof Pantring, wo das Dach abgedeckt und die Scheune zerstört wurde. Schlimmer noch erging es dem Hof Weber in Recklinghausen=Süd; es besteht die Gefahr, dass das Haus zusammenstürzt. Im Süder Stadtteil wurden weiter in einer Allee fast sämtliche Bäume entwurzelt und quer über die Straße gelegt.
Gleich nach Bekanntwerden der Katastrophe rückten die Feuerwehren an, wie auch Polizei und SA. sich an den Aufräumungsarbeiten beteiligten. Der entstandene Schaden ist außerordentlich erheblich, da fast in allen Wohnungen Beschädigungen zu verzeichnen sind.
Der „Hern. Anz.“ schreibt zu dem Unwetter u..: Die Krone eines Baumes ist abgedreht und über den ganzen Garten hinweg in einen anderen geschleudert worden. Auf einer kleinen Brücke, die gerade neu gemacht wurde, wurden schwere Eichenbohlen von den Eisenträgern losgerissen und mehrere Meter weit weggeschleppt.
Auf Recklinghäuser Gebiet hat der Sturmwirbel noch schwerer gehaust als in Herne.
Große Bäume von 15 Meter Höhe und 30 cm Durchmesser sind auf einer Strecke von 500 Metern fast alle entwurzelt und quer über die Straße gelegt. Zum Teil wurden die Bäume auf die Dächer der Häuser gedrückt, wodurch auch an diesen erheblichen Beschädigungen entstanden. Natürlich hat die Windhose auch die ganzen Dachziegel weggerissen. Bei einem Bäcker an der Merveldtstraße wurde ein großer Kamin umgelegt, Personen sind, so weit bekannt. glücklicherweise nirgendwo zu Schaden gekommen.
Sofort nach dem Unheilszug der Windhose, der nur zwei Minuten dauerte und von vielen Augenzeugen mit Schauder verfolgt wurde, eilte die Herner Freiwillige Feuerwehr mit dem Rettungswagen, der mit Hebezeugen, Schneid- und Brennapparaten, Äxten und allerlei sonstigen Geräten ausgerüstet ist, herbei, um zu helfen, Kamine, soweit sie umgerissen waren, abzubrechen, Hindernisse zu entfernen. Dächer zu sichern usw. Auch die Polizei war zur Stelle. In Recklinghausen war es die Feuerwehr der Zeche König Ludwig, die die erste Hilfe leistete.
Die Herner Stadtverwaltung, an der Spitze Oberbürgermeister Meister, Bürgermeister Meyerhoff und die Herren der Baupolizei eilten ebenfalls in das Unglücksgebiet, zumal gemeldet war, dass bei dem Hause Ludwigstraße 92 Einsturzgefahr bestehe. Dort war nämlich der Giebel herausgedrückt. Eingehende Untersuchung ergab aber, dass eine unmittelbare Einsturzgefahr nicht vorlag, eine Räumung des Hauses also nicht angeordnet zu werden brauchte. Der Schaden, den die zwei Minuten eines tollen Sturmwirbels angerichtet haben, ist enorm. Außer den Hausschäden kommen auch noch viele Mobilarschäden in Frage. In manchen Wohnungen, auch bei Erwerbslosen, sah es nämlich ganz toll aus, Tassen und Geschirr waren zertrümmert. Uhren und Bilder von der Wand gefallen, die Böden waren oft ein großes wüstes Durcheinander. Der Schaden ist bei kaum einem der Betroffenen durch Versicherung gedeckt, da wohl die wenigsten eine Sturmschädenversicherung abgeschlossen haben. Man wird daher versuchen müssen, für die bedauernswerten Geschädigten eine Staatshilfe zu erreichen.

Ein Augenzeuge erzählt:
Vom Kanal, etwa an der Stelle, wo an den Böschungsschäden gearbeitet wird, nahm die Windhose ihren Weg zu den Häusern der Gneisenaustraße. dann weiter über das freie Feld zur Zietenstraße, bog in die Ludwigstraße rechts ein, rast an den Häusern entlang bis zur Blücherstraße und deckte dort die beiden Beamtenhäuser halb ab. Im Garten zur Linken wurde ein Baum entwurzelt, die beiden Eckhäuser an der Ludwig= und Scharnhorststraße wurden gestreift. Im Wippermannschen Garten wurden ebenfalls Bäume entwurzelt und geknickt, zwei Kamine wurden von dem Haus heruntergerissen. das halbe Dach abgedeckt, sämtliche Fensterscheiben wurden zertrümmert. Weiter ging es zu den Zechenhäusern am Kanaldamm. Als die Windhose über den Kanal hinwegtobte, wurde eine haushohe Wassersäule hochgerissen und weiter stürmte sie auf Recklinghausen zu und drückte das Haus des Bauern Weber zusammen, wobei drei Personen verletzt wurden.“

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Einzelnachweise

  1. Stadtanzeiger für Castrop-Rauxel und Umgebung 60 (21.9.1934) 255. Online auf Zeitpunkt.NRW
  2. Heute ungefähr an der Straßenecke Horsthauser Straße/Scharnhorststraße. Frühere Adresse: Ludwigstraße 113.