Gewerbe und Migration
Susanne Peters-Schildgen
Unternehmertum und selbstständiges Gewerbe sind Ausdruck der Sesshaftwerdung und des Wunsches nach gesellschaftlicher Akzeptanz. In diesem Bereich scheint die Integration der Zuwanderer kaum Probleme zu bereiten.
In einer Phase weitgehender ökonomischer Stabilität gelang Anfang 1900 einigen Migranten der Aufstieg vom Arbeiter zum Unternehmer. Unter den 1902 in Herne registrierten 1.964 polnischen Männern befanden sich 27 Gewerbetreibende. Seitdem wuchs die Zahl der von Zuwanderern geführten Bäckereien, Barbier- und Friseurbetriebe, Betonunternehmen, Buchhandlungen, Drogerien, Kolonialwarenläden, Metzgereien, Milchhandlungen, Schneidereien, Schuhmachereien und Trinkhallen. Ihnen folgten Handelsgesellschaften, Bankfilialen und Zeitungsgesellschaften. 1913 gab es im Ruhrgebiet mehr als 1.330 polnische Gewerbetreibende. Über die Gewerbetätigkeit anderer Minderheiten liegen keine Zahlen vor. Zum Vergleich: Im August 1996 existierten rund 40.500 von türkischen Unternehmern geführte Betriebe in Deutschland. Etwa ein Drittel dieser Betriebe befanden sich in Nordrhein-Westfalen. Sprachprobleme spielten beim Schritt in die Selbstständigkeit kaum noch eine Rolle, da die türkischen Unternehmer vorwiegend zur zweiten und dritten Generation gehörten.
Als Fahrettin Kopan aus Istanbul 1963 an der Unser-Fritz-Straße in Wanne-Eickel die erste türkische Imbissstube einrichtete, war dies eine kleine Sensation. Zum Spezialitätenangebot zählten Döner Kebab, Sis Kebab und türkische Wurst. Im Februar 1972 eröffnete ein Ehepaar aus Lecce in Süditalien an der Hauptstraße in Wanne-Eickel die erste Pizzeria. Im selben Jahr entstand in Herne an der Bahnhofstraße in der Nähe des Bahnhofs das erste türkische Reisebüro, welches nicht nur preiswerte Flüge für Gastarbeiter in die Türkei vermittelte, sondern auch als "Beratungsstelle" für türkische Migranten diente. Der Inhaber und dessen deutsche Frau wurden häufig für das Ausfüllen von Antragen und Übersetzungen und bei Schwierigkeiten mit den Behörden zu Rate gezogen.
Längst haben sich die von ausländischen Migrantinnen und Migranten geführten Reisebüros, Änderungsschneidereien, Lebensmittelgeschäfte, Restaurants, Imbissstuben und anderen Unternehmen in dieser Region etabliert. Pizza, Gyros, Döner Kebab, Cevapcici, Nasi-Goreng, Chop Suey und italienisches Eis sind von unserem Speiseplan nicht mehr wegzudenken. Wir geben uns "international", sprechen selbstverständlich von "unserem" Italiener, Chinesen, Türken, Griechen etc., der uns mit Lebensmitteln, Obst, Gemüse und kulinarischen Köstlichkeiten versorgt.
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Quellen
- ↑ Aus: Auf dem Weg ins Paradies? Wanderungsbewegungen im Ruhrgebiet am Beispiel Herne, Seiten 31 - 32