Diamantene Hochzeit in Horsthausen (9. November 1935): Unterschied zwischen den Versionen
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<big><big>'''Diamantene Hochzeit in Horsthausen'''</big></big> | <big><big>'''Diamantene Hochzeit in Horsthausen'''</big></big> | ||
Heute begehen die Eheleute Karl Hugendiek und Frau Ludowkia, geb. Bömmer, Herne=Holthausen, das überaus seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Bei der jüngsten, verheirateten Tochter im kleinen Häuschen [[Josefinenstraße]] 12 verbringt das Jubelpaar seinen Lebensabend. Nebeneinander auf dem Sofa sitzen beide bei unserem Besuch im gemütlichen Stübchen. Opa Hugendiek ist zwar ans Haus gefesselt, über dem faltenreichen Antlitz schimmert das Silberhaar, aber regen Anteil nimmt er noch an allem. Die unermüdliche Oma – auch jetzt betätigt sie sich strumpfstrickend – ist 4 Jahre und einige Monate jünger, ihr Haar weist sogar noch hier und da eine schwarze Strähne auf. Sie hat noch in den letzten Tagen Gartenarbeit verrichtet, so wohl fühlt sie sich, trotzdem sie zehn Kindern das Leben gab. Auch davon hat sie dem Herrgott wieder zurückgeben müssen. So hat sie ein Mutterleben hinter sich, das die heutige Generation wohl kaum noch zu würdigen weiß. | Heute begehen die Eheleute Karl Hugendiek und Frau Ludowkia, geb. Bömmer, Herne=Holthausen, das überaus seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Bei der jüngsten, verheirateten Tochter im kleinen Häuschen [[Josefinenstraße]] 12 verbringt das Jubelpaar seinen Lebensabend. Nebeneinander auf dem Sofa sitzen beide bei unserem Besuch im gemütlichen Stübchen. Opa Hugendiek ist zwar ans Haus gefesselt, über dem faltenreichen Antlitz schimmert das Silberhaar, aber regen Anteil nimmt er noch an allem. Die unermüdliche Oma – auch jetzt betätigt sie sich strumpfstrickend – ist 4 Jahre und einige Monate jünger, ihr Haar weist sogar noch hier und da eine schwarze Strähne auf. Sie hat noch in den letzten Tagen Gartenarbeit verrichtet, so wohl fühlt sie sich, trotzdem sie zehn Kindern das Leben gab. Auch davon hat sie dem Herrgott wieder zurückgeben müssen. So hat sie ein Mutterleben hinter sich, das die heutige Generation wohl kaum noch zu würdigen weiß. | ||
Opa Hugendiek ist heimischer Erde entwachsen. Er wurde am 15. 12. [[1849]] in Börnig (Voßnacken) geboren, steht demnach im 86. Lebensjahr. Er erlernte nach der Schulentlassung bei seinem Vater das Schmiedehandwerk und trat dann, etwa 23 bis 24 Jahre alt, im Jahre [[1873]] in den Dienst der Gewerkschaft Friedrich der Große, bei der er weiter das Schmiedehandwerk ausübte. Er lernte dann seine Lebensgefährtin kennen, die am 11. 6. 1854 in Kirchlinde geboren ist, und heiratete am 9. November des Jahres [[1875]]. Die Trauung fand in der Pfarrkirche zu Castrop statt. Der Ehe entsprossen , wie gesagt, zehn Kinder, von denen heute nur noch die älteste und jüngste Tochter leben, die das Geschlecht in zwei Enkel= und zwei Urenkelkindern fortgepflanzt haben. Der Jubilar blieb bis [[1882]] seinem beim Vater erlernten Schmiedehandwerk treu, um dann einer ehrenvollen Berufung folgend, bei der gleichen Gewerkschaft Fördermaschinist auf dem Schacht | Opa Hugendiek ist heimischer Erde entwachsen. Er wurde am 15. 12. [[1849]] in Börnig (Voßnacken) geboren, steht demnach im 86. Lebensjahr. Er erlernte nach der Schulentlassung bei seinem Vater das Schmiedehandwerk und trat dann, etwa 23 bis 24 Jahre alt, im Jahre [[1873]] in den Dienst der [[Zeche Friedrich der Große|Gewerkschaft Friedrich der Große]], bei der er weiter das Schmiedehandwerk ausübte. Er lernte dann seine Lebensgefährtin kennen, die am 11. 6. 1854 in Kirchlinde geboren ist, und heiratete am 9. November des Jahres [[1875]]. Die Trauung fand in der Pfarrkirche zu Castrop statt. Der Ehe entsprossen , wie gesagt, zehn Kinder, von denen heute nur noch die älteste und jüngste Tochter leben, die das Geschlecht in zwei Enkel= und zwei Urenkelkindern fortgepflanzt haben. Der Jubilar blieb bis [[1882]] seinem beim Vater erlernten Schmiedehandwerk treu, um dann einer ehrenvollen Berufung folgend, bei der gleichen Gewerkschaft Fördermaschinist auf dem Schacht 1 / 2 zu werden. Der Bergknappe weiß zu schätzen, welch verantwortungsvollen Posten ein Fördermaschinist auszufüllen hat, dem bei der Seilfahrt das Leben Hunderter von Bergknappen anvertraut ist. So genoß auch der Jubilar die Wertschätzung aller Angehörigen der Gewerkschaft, und dieses Vertrauen belohnte er 44 Jahre lang mit vorbildlicher Pflichterfüllung. Im Jahre [[1913]] konnte er sein 40=jähriges Dienstjubileum begehen, das ihm große Ehrungen brachte. Im Jahre [[1926]] trat er endgültig in den Ruhestand, zumal seine Gesundheit oft zu wünschen übrig ließ. Dies war schon in seinen mittleren Lebensjahren der Fall gewesen, trotzdem hatte er mit Zähigkeit immer seinen Dienst bis ins hohe Alter hinein versehen. | ||
Neben dieser harten Lebensschule hatte Opa Hugendiek aber auch den Willen, kulturellen Idealen zu dienen. Die Allgemeinheit, insbesondere die Kirchen= und Schulgemeinde Herne=Horsthausen, wußte seine Tatkraft als Vorstandsmitglied in den Jahren [[1890]] bis [[1908]] sehr zu schätzen. Aber auch die Geselligkeit verschmähte er nicht, fehlte er doch in den jüngeren Jahren nie beim Skat bei Schulte=Middelmann in Börnig, wie er auch sonst Wert auf freundschaftliche Beziehungen zum alten Börnig legte. | Neben dieser harten Lebensschule hatte Opa Hugendiek aber auch den Willen, kulturellen Idealen zu dienen. Die Allgemeinheit, insbesondere die Kirchen= und Schulgemeinde Herne=Horsthausen, wußte seine Tatkraft als Vorstandsmitglied in den Jahren [[1890]] bis [[1908]] sehr zu schätzen. Aber auch die Geselligkeit verschmähte er nicht, fehlte er doch in den jüngeren Jahren nie beim Skat bei Schulte=Middelmann in Börnig, wie er auch sonst Wert auf freundschaftliche Beziehungen zum alten Börnig legte. | ||
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Und nun die Oma Hugendiek. Ach, Mütter sind immer sehr bescheiden, und sie sind, wie auch die Jubilarin, damit zufrieden, ein langes Mutter= und Gattinleben hindurch mit Liebe und Aufopferung ihre Pflicht erfüllt zu haben. Und ihr Stolz ist es, wenn ihrem Lebenspartner die Anerkennung, die ihm zusteht, eingeräumt wird. Heute noch ist die Oma so rüstig wie wenige ihres Alters. Den „Herner Anzeiger“, den sie schon seit Jahrzehnten in Treue bezieht, liest sie noch ohne Brille dem Opa laut vor. Neben den Gartenarbeiten, mit denen sie ihrer jüngsten Tochter zur Hand geht, ist er ihr ein Bedürfnis, bei gutem Wetter die älteste Tochter und ihre Enkel und Urenkel zu besuchen. Von der Josefinenstraße aus ist keine Fahrtverbindung nach Börnig vorhanden, also wagt sie mutig die Besuche zu Fuß. Daß der Empfang in Börnig darum ein doppelt freudiger ist, versteht sich am Rande. | Und nun die Oma Hugendiek. Ach, Mütter sind immer sehr bescheiden, und sie sind, wie auch die Jubilarin, damit zufrieden, ein langes Mutter= und Gattinleben hindurch mit Liebe und Aufopferung ihre Pflicht erfüllt zu haben. Und ihr Stolz ist es, wenn ihrem Lebenspartner die Anerkennung, die ihm zusteht, eingeräumt wird. Heute noch ist die Oma so rüstig wie wenige ihres Alters. Den „Herner Anzeiger“, den sie schon seit Jahrzehnten in Treue bezieht, liest sie noch ohne Brille dem Opa laut vor. Neben den Gartenarbeiten, mit denen sie ihrer jüngsten Tochter zur Hand geht, ist er ihr ein Bedürfnis, bei gutem Wetter die älteste Tochter und ihre Enkel und Urenkel zu besuchen. Von der Josefinenstraße aus ist keine Fahrtverbindung nach Börnig vorhanden, also wagt sie mutig die Besuche zu Fuß. Daß der Empfang in Börnig darum ein doppelt freudiger ist, versteht sich am Rande. | ||
Das heutige Jubelfest, das durch die Glückwünsche | Das heutige Jubelfest, das durch die Glückwünsche […], des Hochw. Herrn Erzbischofs, der Stadt- und Kirchengemeinde auch einen öffentlichen, volksgemeinschaftlichen Charakter erhält, möge dem Jubelpaare, welches in diamantener Treue zueinander stand und 60 Jahre lang Freud und Leid miteinander teilte, ein neuer Dank und eine kleine Anerkennung dafür sein, daß es das Ideal der christlichen deutschen Familie in Vorbildlichkeit durch seine Tage getragen hat. Wir alle der jüngeren Generation wollen uns ein Vorbild an dem Jubelpaare nehmen. | ||
Die herzlichsten Glück= und Segenswünsche senden auf diesem Wege auch der „Herner Anzeiger“ und alle seine Leder dem hochverehrten Jubelpaare und wünschen ihm einen weiteren geruhsamen und gemeinsamen Lebensabend. | Die herzlichsten Glück= und Segenswünsche senden auf diesem Wege auch der „Herner Anzeiger“ und alle seine Leder dem hochverehrten Jubelpaare und wünschen ihm einen weiteren geruhsamen und gemeinsamen Lebensabend. <ref>Originaltext aus dem [[Herner Anzeiger]] vom 9. November [[1935]]</ref> | ||
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Aktuelle Version vom 23. März 2017, 12:50 Uhr
Diamantene Hochzeit in Horsthausen
Heute begehen die Eheleute Karl Hugendiek und Frau Ludowkia, geb. Bömmer, Herne=Holthausen, das überaus seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Bei der jüngsten, verheirateten Tochter im kleinen Häuschen Josefinenstraße 12 verbringt das Jubelpaar seinen Lebensabend. Nebeneinander auf dem Sofa sitzen beide bei unserem Besuch im gemütlichen Stübchen. Opa Hugendiek ist zwar ans Haus gefesselt, über dem faltenreichen Antlitz schimmert das Silberhaar, aber regen Anteil nimmt er noch an allem. Die unermüdliche Oma – auch jetzt betätigt sie sich strumpfstrickend – ist 4 Jahre und einige Monate jünger, ihr Haar weist sogar noch hier und da eine schwarze Strähne auf. Sie hat noch in den letzten Tagen Gartenarbeit verrichtet, so wohl fühlt sie sich, trotzdem sie zehn Kindern das Leben gab. Auch davon hat sie dem Herrgott wieder zurückgeben müssen. So hat sie ein Mutterleben hinter sich, das die heutige Generation wohl kaum noch zu würdigen weiß.
Opa Hugendiek ist heimischer Erde entwachsen. Er wurde am 15. 12. 1849 in Börnig (Voßnacken) geboren, steht demnach im 86. Lebensjahr. Er erlernte nach der Schulentlassung bei seinem Vater das Schmiedehandwerk und trat dann, etwa 23 bis 24 Jahre alt, im Jahre 1873 in den Dienst der Gewerkschaft Friedrich der Große, bei der er weiter das Schmiedehandwerk ausübte. Er lernte dann seine Lebensgefährtin kennen, die am 11. 6. 1854 in Kirchlinde geboren ist, und heiratete am 9. November des Jahres 1875. Die Trauung fand in der Pfarrkirche zu Castrop statt. Der Ehe entsprossen , wie gesagt, zehn Kinder, von denen heute nur noch die älteste und jüngste Tochter leben, die das Geschlecht in zwei Enkel= und zwei Urenkelkindern fortgepflanzt haben. Der Jubilar blieb bis 1882 seinem beim Vater erlernten Schmiedehandwerk treu, um dann einer ehrenvollen Berufung folgend, bei der gleichen Gewerkschaft Fördermaschinist auf dem Schacht 1 / 2 zu werden. Der Bergknappe weiß zu schätzen, welch verantwortungsvollen Posten ein Fördermaschinist auszufüllen hat, dem bei der Seilfahrt das Leben Hunderter von Bergknappen anvertraut ist. So genoß auch der Jubilar die Wertschätzung aller Angehörigen der Gewerkschaft, und dieses Vertrauen belohnte er 44 Jahre lang mit vorbildlicher Pflichterfüllung. Im Jahre 1913 konnte er sein 40=jähriges Dienstjubileum begehen, das ihm große Ehrungen brachte. Im Jahre 1926 trat er endgültig in den Ruhestand, zumal seine Gesundheit oft zu wünschen übrig ließ. Dies war schon in seinen mittleren Lebensjahren der Fall gewesen, trotzdem hatte er mit Zähigkeit immer seinen Dienst bis ins hohe Alter hinein versehen.
Neben dieser harten Lebensschule hatte Opa Hugendiek aber auch den Willen, kulturellen Idealen zu dienen. Die Allgemeinheit, insbesondere die Kirchen= und Schulgemeinde Herne=Horsthausen, wußte seine Tatkraft als Vorstandsmitglied in den Jahren 1890 bis 1908 sehr zu schätzen. Aber auch die Geselligkeit verschmähte er nicht, fehlte er doch in den jüngeren Jahren nie beim Skat bei Schulte=Middelmann in Börnig, wie er auch sonst Wert auf freundschaftliche Beziehungen zum alten Börnig legte.
Und nun die Oma Hugendiek. Ach, Mütter sind immer sehr bescheiden, und sie sind, wie auch die Jubilarin, damit zufrieden, ein langes Mutter= und Gattinleben hindurch mit Liebe und Aufopferung ihre Pflicht erfüllt zu haben. Und ihr Stolz ist es, wenn ihrem Lebenspartner die Anerkennung, die ihm zusteht, eingeräumt wird. Heute noch ist die Oma so rüstig wie wenige ihres Alters. Den „Herner Anzeiger“, den sie schon seit Jahrzehnten in Treue bezieht, liest sie noch ohne Brille dem Opa laut vor. Neben den Gartenarbeiten, mit denen sie ihrer jüngsten Tochter zur Hand geht, ist er ihr ein Bedürfnis, bei gutem Wetter die älteste Tochter und ihre Enkel und Urenkel zu besuchen. Von der Josefinenstraße aus ist keine Fahrtverbindung nach Börnig vorhanden, also wagt sie mutig die Besuche zu Fuß. Daß der Empfang in Börnig darum ein doppelt freudiger ist, versteht sich am Rande.
Das heutige Jubelfest, das durch die Glückwünsche […], des Hochw. Herrn Erzbischofs, der Stadt- und Kirchengemeinde auch einen öffentlichen, volksgemeinschaftlichen Charakter erhält, möge dem Jubelpaare, welches in diamantener Treue zueinander stand und 60 Jahre lang Freud und Leid miteinander teilte, ein neuer Dank und eine kleine Anerkennung dafür sein, daß es das Ideal der christlichen deutschen Familie in Vorbildlichkeit durch seine Tage getragen hat. Wir alle der jüngeren Generation wollen uns ein Vorbild an dem Jubelpaare nehmen.
Die herzlichsten Glück= und Segenswünsche senden auf diesem Wege auch der „Herner Anzeiger“ und alle seine Leder dem hochverehrten Jubelpaare und wünschen ihm einen weiteren geruhsamen und gemeinsamen Lebensabend. [1]
Genealogische Anmerkungen
- Karl Hugendiek, * 15. Dezember 1849 in Börnig-Voßnacken
- ⚭ 9. November 1875 zu St. Lambertus, Castrop
- Ludowika Bömmer, * 11. Juni 1854 in Kirchlinde
- Kinder: 10
Siehe auch
Quellen
- ↑ Originaltext aus dem Herner Anzeiger vom 9. November 1935