Schauburg (25. Jahre Herner Kinogeschichte - 1932)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 2. Dezember 1932 widmete der Herner Anzeiger einen besonderen Artikel über die alte Herner Kinogeschichte.[1].

25 Jahre Kino in Herne.

„Photo Kinematoscope Theater“ zur „Schauburg

Bevor das Jahr 1932 zu Ende geht, will die „Schauburg“ ihres 25jährigen Bestehens als Kino gedenken. Dieses Jubiläum fiel eigentlich schon in den Juni dieses Jahres, aber die Sommerzeit war einer solchen Jubiläumsfeier nicht günstig

Was sind schon 25 Jahre?, wird mancher denken. da lohnt sich doch ein großes Aufsehen gar nicht. Indes ist nicht ein Silberjubiläum wie das andere. 25 Jahre Kino bedeutet mehr als ein silbernes Geschäftsjubiläum, es bedeutet die Entwicklung eines Amüsements zum Kulturfaktor. Des „Kientops“ zum Theater, es bedeutet die Entwicklung des Kinowesens in Herne überhaupt und umfaßt zugleich die Geschichte des Films von seinen primitiven Anfängen - 1895 wurden zum erstenmal lebende Bilder gezeigt. um 1900 kamen die Kinos auf - zur heutigen technischen und künstlerischen Vollendung.

Was war der Film noch vor 25 Jahren? Eine Angelegenheit, die zum Kirmesrummel in enger verwandtschaftlicher Beziehung stand. Nichts vermag uns besser m die damaligen Verhältnisse zurückzuversetzen, als die ersten Inserate des Herner Kinos. Es war am 21. Juni 1907, als im „Herner Anzeiger“ ein Inserat erschien, das einen auf der Weltkugel stehenden riesigen Amerikaner mit Streifenhose, Frackrock und Zylinder mit Sternenband zeigte, der geöffneten Mundes etwas hinausrief und mit dem Arm auf einen Text wies der also lautete:

Phono-Kinematoscope.
Die Eröffnung des ersten weltstädtischen
Photo=Kinematoscope=Theaters.
Herne. Bahnhofstraße 72, im Hohenzollernsaal,
mit singenden, sprechenden, musizierenden
Photographien findet statt
Samstag, 22. Juni, nachmittags 5 Uhr
Die Eröffnungsvorstellung wird Aufsehen erregen.

Diese Ankündigung unterschied sich in nichts von dem bombastischen Geschrei der Jahrmarktssensationen. Schon der Name der neuen Errungenschaft war möglichst imponierend gewählt. Phono=Kinematoscope, das bedeutet so viel wie Ton=Bewegungsschau. Geschaut wurden allerdings nur die bewegten Bilder, den Ton machte ein Klavierspieler oder ein Grammophonapparat. Die Verbindung von Schallplatte und Bild, die nie so recht klappte, weil beide unabhängig voneinander liefen, schuf die „singenden, sprechenden, musizierenden Photographien“.

Vergleichanzeige aus dem Herner Anzeiger vom 13. Juli 1912

Man muss sich in der Erinnerung an Jugenderlebnisse noch einmal zurückversetzen in jene Kinderzeit des Films, um die geradezu primitive Art der damaligen Darbietungen gegenwärtig zu haben. Da war eine flimmernde Leinwand, die die Augen zum Schmerzen brachte, und dem, der vorne auf billigem Platz saß, die schönsten Kopfschmerzen bescherte, da umfasste ein Programm etwa 10 Filme und war doch in 1—1 1/2 Stunden abgespielt, da zahlte man 10 oder 20 Pf. Eintritt und wurde alle Augenblicke kontrolliert, ob die Eintrittskarte nicht auch schon abgelaufen war. Und was sah man auf der Leinwand? Das erste Programm des Herner Phono=Kinematoscope=Theaters sagt es uns: „Clown als Arzt“, hochaktuelles Bild: „Mar malt“, äußerst belustigend: „Die Schule des Lebens“, hochdramatisch: „Durchgegangenes Auto“, sehr humoristisch: „Lehmanns Lehrzeit". Lachen ohne Ende: „Seelenwandlung", wunderbar koloriertes Bild: „Die Rache des Dieners“, humorvoll. Dann lief als „außerordentlicher Schlager": „Das Abenteuer von Polichinelle". großes Zauberstück aus der „Puppensee“ mit 22000 Aufnahmen, die größte bisher erreichte kinematographische Vorführung. wundervoll koloriert, Vorführung dieses Bildes in zwei Abteilungen. Spieldauer ca. ½ Stunde. Das waren acht Filme in einem Programm, wovon allein sieben kleine Einakter von 5—10 Minuten Spieldauer waren. Meist kitschig lächerliches Zeug oder ebenso kitschige dramatische Szenen, die aber die Zuschauer aufs köstlichste ergötzten oder aufs tiefste erschütterten, dann aber gab es schon die ersten größeren Filme, nach Theaterstücken gedreht, die in der Folgezeit immer mehr das Hauptprogramm bildeten, während die Kurzfilme die sogenannten Einlagen wurden.

Der erste Autorenfilm, dessen Manuskript nach dem Werk eines anerkannten Schriftstellers verfasst und dessen Hauptrolle von einem berühmten Bühnenschauspieler verkörpert wurde, entstand erst 1913. Max Mack gewann damals Albert Bassermann für den Film „Der Andere“ nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Paul Lindau. Filmstars kannte man allerdings auch damals schon. Henny Porten filmte zum ersten mal Mal bereits 1908, außer ihr ist aber alles vergessen, was damals an Film „größen" Namen hatte.

Indes gab es auch damals schon eine Reportage von Zeitgeschehnissen und Weltwundern. So brachte der zweite Spielplan des Herner Phono=Kinematoscope=Theater: „Die heilige Stadt Rom“, großartige Naturaufnahmen, u. a. S. Heiligkeit Papst Pius X aus seinem Spaziergange in den Gärten des Vatikans. Gezeigt wurden aber auch „Weibliche Ringkämpfe", Schlusskämpfe um die Meisterschaft von Europa. Das waren die ideellen Anfänge der Film=Wochenschau.

Aus dem gleichen Inserat erfährt man auch die Eintrittspreise des Herner Kinos: Sonntags für Kinder 20, für Erwachsene 30 Pf., wochentags für für Kinder 10, für Erwachsene 20 pf. Da war es kein Wunder, dass das Kino sich ständig eines Massenandranges zu erfreuen hatte. Sonntags standen die Menschen - der Eingang des Herner Kinos was damals noch durchs Tor über den Hof, während in dem übrigen Teil des Hauses der Tewes´sche Automat - vom Saal über den Hof bis auf die Bahnhofstraße Schlange, und im Palast Theater, das einige Jahre später als das Phono=Kinematoscope=Theater entstand, standen immer Sonntags nachmittags um 2 Uhr, wenn das Kino geöffnet wurde, mindestens 100—150 junge Leute an, so dass es gar nicht möglich war, ordnungsgemäß Kasse zu führen, einige kräftige Arme mussten den Strom bändigen und jeder Besucher warf seine 2 Groschen in eine offen gehaltene Schürze. Dass die Jugend bei solchen Eintrittspreisen oft genug das Hauptkontingent der Besucher stellte, war selbstverständlich, trotzdem oder gerade weil Schule, Kirche und Elternhaus streng dagegen waren. Vom erzieherischen und moralischen Standpunkt aus wurde das Kino auch in Herne lebhaft bekämpft, nicht zuletzt, weil neben dem burlesken Humor vielfach Räuber=, Wildwest=, Mord= und Sittlichkeitsgeschichten gezeigt wurden, die alles andere als einen günstigen Einfluss auf die jugendlichen Gemüter ausübten.

Im Jahre 1917 mietete Herr [Friedrich] Käseberg, der schon in Gelsenkirchen ein Kino besaß, das mittlerweile in „Hohenzollerntheater“ umgetaufte Phono=Kinematoscope=Theater und erwarb es dann später käuflich. Er gab ihm im Jahre 1918 den Namen „Schauburg“.[2] In sorgfältiger Auswahl der Filme und weiser Erziehung des Publikums gelang es, allmählich den Geschmack der Herner Kinobesucher zu läutern und den Kientop=Charakter abzustreifen. Auch äußerlich kam das dadurch zum Ausdruck, dass im Jahre 1922 das Theater umgebaut und der Eingang dahin verlegt wurde, wo er jetzt ist. 1927 ist dann das Theater nochmals räumlich verbessert worden, die vorgesehene Aufstockung und moderne Gestaltung des Vorderhauses musste jedoch wegen Zerschlagung dahingehen der Verhandlungen mit der Stadt unterbleiben.

Schauburg Anzeige vom 30. November 1918

Mittlerweile war zwischen Schauburg und Palasttheater (Tewes) eine Spiel= und später Firmengemeinschaft entstanden, in die einige Jahre darauf auch das von einem gewissen Krips geschaffene Alhambra-Theater in Sodingen aufgenommen wurde. 1927 entstand im Steffenschen Saalbau nach großartigem Umbau, durch Berliner Kinogeschäftsleute das Capitol, das einige Zeit danach mit den drei Herner Kinos zu der „Vereinigte Herner Lichtspieltheater Gmbh.“ zusammengeschlossen wurde.

In der Käsebergichen Zeit hat die „Schauburg" - im großen und ganzen gesehen— nicht nur ein achtbares kulturelles Niveau zu halten und eine künstlerische Mission zu erfüllen gesucht - dass die Kulturfilme vor den Unterhaltungsfilmen zurücktreten, ist Schuld des Publikums - sie hat sich auch bemüht, in der Auswahl und Art der Darbietungen mit führend unter den westdeutschen Lichtspieltheatern zu sein. So ist z. B. in der Zeit der Stummfilme die Schauburg eins der ersten Kinos gewesen, das mit vorzüglichem Orchester (worauf immer Wert gelegt wurde) den Film sinngemäß musikalisch zu illustrieren suchte. An Stelle der Ouvertüren Märsche und dergl., die ohne Übereinstimmung mit dem Geschehen auf der Leinwand gespielt wurden, ließ man - genannt sei nur der Name Franz Chapelier - eine musikalische Untermalung und Begleitung geben, die für jeden Film aus zahlreichen Piecen besonders zusammengestellt wurde und nach völliger Einheit zwischen Bildgeschehen und Musik strebte. Als dann 1929 die neue große Etappe des Filmwesens, der Tonfilm, begann, war es wieder die Schauburg, die sofort eine Nadelton= und dann eine Lichttonapparatur bekam. Und heute bietet die Schauburg— wir reden nur von ihr als dem Jubiläumskind— Tonfilmdarbietungen, wie sie herrlicher in keiner Großstadt geboten werden. Ja, es besteht sogar der Ehrgeiz, uns die neuen Filmschöpfungen möglichst schnell zuzuführen, so dass man immer wieder beobachten kann, dass in Städten wie Bochum, Dortmund, Essen, Düsseldorf Filme angekündigt werden. die in Herne schon 2 und mehr Wochen vorher gelaufen sind. Es erübrigt sich, etwas über den gegenwärtigen künstlerischen und technischen Stand der Filmwesens zu sagen, jeder hat täglich Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, aber es ist doch gut, sich anlässlich des Silber Jubiläums des Herner Kinowesens dessen durch Erinnerung an die primitiven Anfänge vor 25 Jahren einmal wieder bewusst zu werden und dann auch derer zu gedenken, die in Verantwortungsbewußtsein die Entwicklung am Orte maßgebend in der Richtung der künstlerischen Aufwärtsentwicklung gefördert haben. Denn wer möchte den guten Kulturfilm, den künstlerischen Unterhaltungsfilm, die beschwingte Tonfilmoperette heute noch im kulturellen Leben unserer Stadt missen? Möge sich die „Schauburg“ und die Direktion der vereinigten Herner Lichtspieltheater ihrer kulturellen, künstlerischen und geistigen Mission stets bewusst bleiben, dann wird auch eine wirtschaftlich bessere Zeit unsere Kinos wieder als blühende, sorgenunbeschwerte Faktoren im Herner kulturellen Leben sehen und freudig bejahen.


Verwandte Artikel

Quellen

  1. Vgl. Online Quelle auf Zeitpunkt.NRW
  2. Anmerkung: Noch ende Oktober 1918 war der alte Name beworeben worden, am 15. November 1918 schon Geschichte..