Neue interessante Baustellen 1928
Dr. Leo Reiners widmete am 3. Juli 1928 im Herner Anzeiger einen besonderen Artikel über weitere Neubaumaßnahmen in der Stadt Herne für das Jahr 1928.[1] Vgl.:Bauten in Herne 1928 I und Bauten in Herne 1928 II
Neue interessante Baustellen. Wiederum steht die Bahnhofstraße im Mittelpunkte des Interesses der bauenden Welt und der Beobachtung durch die Öffentlichkeit. Vier Baustellen daran behindern zwar ein wenig den Verkehr, machen ein wenig Staub und Schmutz. Aber es wird etwas Neues! Und dem Neuen ist alle Welt noch niemals abhold gewesen. Besonders dann nicht, wenn durch dieses Neue Schöneres entsteht, wenn eine Art Wiedergeburt neues Leben verheißt. Und mit Wissbegier verfolgt man aufmerksam den Bauvorgang, wie er hier und dort sich abwickelt, wie vom ersten Spatenstich, vom Abbruch eines alten Hauses an sich die Neubauform entwickelt, die Bautechnik zuerst, dann die schmückenden Gewerbe die Neubauten zur Vollendung führen.
Der Neubau Wehling unter Leitung des Architekten Meyer steigt bereits mit dem ersten Obergeschoß auf. Man konnte beobachten, wie eine Hohlsteindecke (zur Schallisolierung) über dem Erdgeschoß konstruiert wurde. Am Neubau Sayn u. Hüls (gegenüber dem Neubau Wehling), unter Architekt Sprenger, entwickelt sich das „neue Handtuch“ schnell zur Höhe. Die alten Giebelwände bleiben erhalten. Ein neuer Anbau zum Hof hin und eine neue Straßenfront, dazu die neuen Innenwände, hauptsächlich die tiefer als beim alten Hause gelegten Decken machen den Neubau aus. Vor Cremers Hof fiel jetzt auch die vielfach angefeindete Mauer, bevor der Neubau dahinter fertig ist. Und ein Bauzaun tritt an ihre Stelle. Die alten Steine sind ja noch tragfest und beim Neubau sehr gut wieder zu verwerten. Auch hier hat Architekt Sprenger die Leitung.
Architekt Albert Fimpler baut das alte Eckhaus Bahnhof= und Marienstraße um. Früher waren hier die Konditorei Feldkämper und das Kaffee Weiher. Das alles wird jetzt Konditorei und Cafe Feldkämper, denn Weiher hat ja sein neues Cafe in der Behrensstraße. Die eigentliche Hausecke bleibt, wie sie ist. In dem umzubauenden Teile des Eckhauses bleibt vom Alten nicht viel übrig. Das Innere wird völlig erneuert. Es entsteht ein 110 Quadratmeter großer Caferaum, der schon Saalgröße, wenn auch nicht Saalhöhe hat, also die Gemütlichkeit für eine solche Gaststätte in sich birgt. Zum Hofe hin, nach Osten, wird ein Wintergarten eingerichtet, als Neuerscheinung bei Gaststätten in Herne. Der Eingang zum Cafe wird sich etwa dort, wo der Eingang zum Cafe früher war, befinden. Das wird das Gute für sich haben, daß der Verkaufsraum Konditorwaren vom Cafeverkehr nicht berührt, dennoch mit diesem verbunden sein wird. Aborte, Toiletten, Küchen= und Wirtschaftsräume werden in praktischem Zusammenhang mit dem Cafe stehen. Die Innenausstattung ist aus Holztäfelung für die Wände, teilweise oder ganz bis zur Decke, gedacht. Die Decke wird neu unterzogen und für Zwecke der guten Beleuchtung und Entlüftung konstruiert und ausgestaltet Die Einrichtung soll aus völlig neu herzustellenden Mobeln bestehen. Mit der Eröffnung ist in der zweiten Julihälfte, spätestens bis zum 1. August zu rechnen. Ausstattung und Einrichtung wird in den Werkstätten von H. F. W. Veuhoff hergestellt. Ein Wohnhausneubau in der Nähe des Stadtgartens, an der Stammstraße, entsteht unter Leitung vom Architekten Fimpler für den Malermeister Sons. Der Neubau erhält zwei Vollgeschosse. Im Erdgeschoß wird eine Wohnung für den Bauherrn, aus sechs Räumen und den nötigen Zubehörraumen bestehend, und im Obergeschoß werden zwei Wohnungen zu je drei Räumen mit Zubehör eingerichtet. Da der Bauherr Malermeister ist, legt dieser Wert darauf, an der zu verputzenden Front späterhin sein Können als Malermeister zu erweisen. Mit der Bauausführung ist Bauunternehmer Friedrich Schrader betraut.
Ebenfalls unter Fimplers Leitung ist die große Eckhausgruppe, deren Frontenbild wir heute noch einmal des Interesses wegen veröffentlichen, an Bebel- und Freiligrathstraße mit den Kellermauern und der Kellerdecke bereits zum größten Teile hergestellt. Bauherr ist Schlossermeister Zimmermann. Vorerst kommt nur ein Teil davon, jedoch dreiviertel des Entwurfs, zur Ausführung. Nur zwei der fünf Häuser, die später in der Freiligrathstraße bis an den städtischen Großmarkt reichen, werden in diesem Jahre nicht, jedoch voraussichtlich im nächsten Jahre ausgeführt und dann den Schluss bilden. Die Bauausführung ist an vier Baufirmen vergeben. Und zwar führt aus: den Eckbau Franz Kraus, Maurer= und Eisenbetonarbeiten, den Bau Bebelstraße Emil Veuhoff, Maurerarbeiten, den Bau Freiligrathstraße August Hamann, Maurerarbeiten, und für beide letztgenannten Bauten Wilh. Poppenburg die Eisenbetonarbeiten.
Bedeutungsvoll wird durch diese Neubautengruppe, dass sich die Form der Bebelstraße durch das Gegenüber des Polizeiamtsgebäudes und die in den Blickpunkt der Straße entstehende Rathausfront abgrenzt. Wer mit liebendem Interesse das Werden des Stadtbildes gerade an dieser Stelle betrachtet, der wird auch mit besonderem Verlangen die Weiterentwicklung sich ausmalen mögen. Lange dürfte es zweifelsohne nicht mehr dauern, dann wird auch der noch von Kleingärtnern bewirtschaftete Baublock zwischen Freiligrathstraße und Markgrafenstraße, an dessen Grenze der Neubau Gödde unter Leitung des Architekten Fimpler von Bauunternehmern Pleßmann u. Schrader ausgeführt wird, nach und nach zugebaut. So auch wird es der Ecke Behrens= und Bebelstraße bis an den Großmarkt ergehen, die mit einem städtischen Wohnhause (für das Arbeitsamt) zugebaut werden wird; wenn auch nicht mehr in diesem, so doch im nächsten Jahre. Ein übriger Wunsch lässt erwarten, dass schon bald es sich als nötig herausstellen möge, den Bau für das Polizeiamt so zu erweitern, dass die Sicht auf die vergitterten Fenster des Polizeiamtsgefängnisses verschwindet. Der demnächstigen Inangriffnahme des Erweiterungsbaues Rathaus und des Neubaues für die Sparkasse sehen wir mit größtem Interesse entgegen.
Ecke Shamrock= und Bebelstraße entsteht unter Leitung des Architekten F. J. Kraus der von uns gleichfalls schon veröffentlichte Neubau für Metzgermeister Niggemeyer, der bereits gleichfalls bis zur Kellerdecke fertig ist. Die Bauarbeiten führt hier Bauunternehmer Wilh. Finke aus. Wegen spärlicher Baugelder können die an diesen Bau an der Front Bebelstraße weiter anzuschließenden Häuser in diesem Jahre nicht mehr zur Ausführung kommen. Gleichfalls unter Leitung vom Architekten Kraus hat die Ketteler Baugenossenschaft den ersten Neubau ihrer projektierten Siedlung an der Mont-Cenis-Straße durch Bauunternehmer Friedr. Schrader beginnen lassen. Alle begonnenen Neubauten, auch andere, hier bereits früher genannte, dürften bis zum Herbst bezugsfertig werden und eine merkbare Lücke im Mangel an Wohnungen schließen."