Kohle heizte die Entwicklung von Röhlinghausen an (WAZ 13.10.2014)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Von Gabriele Heimeier

Kohle heizte die Entwicklung von Röhlinghausen an


Wanne-Eickel. Der Bergbau ließ im heutigen Herner Stadtteil Röhlinghausen die Einwohnerzahl binnen 50 Jahren regelrecht explodieren: von 1974 Einwohnern im Jahr 1875 auf 14 264 im Jahr 1925. Röhlinghausen entwickelte sich zu einem Stadtteil mit vielen Angeboten.

Als aus ihrem Stadtteil bei der Gebietsreform 1926 Wanne-Eickel III werden sollte, waren davon nicht alle Röhlinghauser begeistert. Sie hatten eigentlich alles, was sie brauchten, selbst: Geschäfte und Gaststätten entlang der Bochumer Straße (Edmund-Weber-Straße) und der Plutostraße, eine katholische und evangelische Kirche, Friedhöfe, Schulen, Gasanschluss, einen eigenen Bahnhof, ein Postamt, Drogerie und Fotogeschäft. Was vielleicht fehlte, war ein richtiges Zentrum, mit Markt und Kirche und Rathaus, wie man es so kennt. Auch ein Krankenhaus gab es nicht.

Bergleute mit Migrationshintergrund

Röhlinghausen verdankt seine Entwicklung in jeder Hinsicht der Schwerindustrie, vor allem den personalintensiven Zechen, die der ehemaligen Bauernschaft ein Bevölkerungswachstum von 1974 Einwohnern im Jahr 1875 auf 14 264 Einwohner im Jahr 1925 bescherte. Zogen die Arbeiter anfangs aus Ostwestfalen zu, kamen sie später aus Schlesien, Westpreußen, Ostpreußen, Posen, Masuren, Polen und Österreich. Sie alle mussten irgendwo leben. Im Umfeld der Schachtanlagen entstanden Kolonien wie „Königsgrube“, die „Alte Kolonie“, Lakenbruch. 1889 ließ die Zeche die „Schübbeskolonie“ an der Gudrun- und Siegfriedstraße bauen, benannt nach einer ehemaligen Gaststätte.

Volkshaus seit 1921

1921 beschloss die Gemeindevertretung Röhlinghausen, den alten Stratmanns Hof aufzukaufen, ein Anwesen, das in der Röhlinghauser Geschichte keine unbedeutende Rolle gespielt hat: Einst der größte Hof der Umgebung, hielt man um 1800 in dem alten Fachwerkhaus noch das Hofgericht ab, vor dem alle anfallenden Streitigkeiten der Bauernschaft verhandelt wurden. Nach den Plänen des Bochumer Architekten Hoffmann wurde der Hof zum Volkshaus Röhlinghausen umgebaut und am 2. April 1923 feierlich eröffnet. Ein Bombenangriff 1943 zerstörte das Volkshaus, 1958 wurde es wieder aufgebaut. 1994 gründete sich der „Verein zur Förderung der Stadtteilarbeit Röhlinghausen“, der die Trägerschaft für das Volkshaus übernahm und es bis heute mit finanzieller Unterstützung der Stadt führt. Früher wie heute ist es eine Begegnungsstätte mit vielseitigem Angebot.

Zeche Königsgrube

Die Arbeit auf den Zechen war überall hart, besonders aber auf der Zeche Königsgrube, als dort von 1894-1925 Direktor Daniel Bonacker das Sagen hatte. Er wirtschaftete die Vorzeigezeche zur „Zeche Schrotthaufen“ ab. Weil sich die Förderung nicht wie auf anderen Zechen durch neue Schachtanlagen erweitern ließ, müsse aus der Königsgrube herausgeholt werden, was nur eben ging, war seine Devise. Während er den Aktionären jährlich 30 Prozent Dividende ausschüttete, investierte er in Zeche und Belegschaft keinen Pfennig. Nach seinem Abgang 1925 schrieb der Gewerkschafter Fritz Goihl: „Durch seine Schikanen seinen Arbeitern, Angestellten und Beamten gegenüber bis tief in die Bürgerschaft hinein, hat er sich selbst sein Renommee untergraben.“

1936 kaufte die Deutsche Erdöl-Aktiengesellschaft die Zeche, 1954 folgte die Vereinigung mit den Zechen Hannover und Hannibal. Die Förderung wurde 1961 eingestellt, die Zeche von Hannover übernommen. 1967 kam es zur Stilllegung; die Tagesanlagen wurden 1974 abgebrochen.

(Quellen: Stadtarchiv; Heinrich Lührig, Gerhard Schmitz, Röhlinghausen)

Die alte und die neue Mitte Röhlinghausens

Was die Industrie freute, war und ist für die Bürger immer noch ein Hindernis: Die vielen Bahntrassen, zum Teil noch in Betrieb, zum Teil stillgelegt, die Röhlinghausen durchschneiden. Berüchtigt: der Bahn­übergang an der Plutostraße.

Zwischen zwei Bahntrassen und in zentralster Lage hinter dem Röhlinghauser Markt lag auch der für viele Jahre größte Arbeitgeber des Stadtteils: das Mannesmann-Röhrenwerk mit rund 700 Beschäftigten. Unter dem Namen Mannesmann-Seifert Rohrbau hatte es sich 1943 dort niedergelassen und folgte damit an dem Standort den Firmen Witzig und Winter bzw. Raacke & Co. Das Röhlinghauser Werk war der größte metallverarbeitende Betrieb in Wanne-Eickel. Nach dem Krieg wurde das Werk wieder auf- und ausgebaut und modernisiert. Von Röhlinghausen aus gingen die Rohre in alle Welt. Bekannt ist vor allem das Erdgas-Röhrengeschäft mit der Sowjetunion in den 70er- Jahren. Am 1. Januar 1980 machte Mannesmann das Röhlinghauser Werk dicht - eine riesige Industriebrache mitten im Ortskern.

1987 wurden einige Werkshallen abgebrochen, in das Verwaltungsgebäude zog das Finanzamt-West ein und vor einigen Jahren wieder aus. Es soll nun abgerissen werden und einem Discounter Platz machen. Das Mannesmann-Gelände hat die Ruhr-Lippe Wohnungsbaugesellschaft in den 90er-Jahren mit 150 Wohnungen bebaut. Im gleichen Zuge wurde auch der Marktplatz zur „Neuen Mitte“ umgestaltet. [1]

Gabriele Heimeier

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Siehe auch

Quellen und Anmerkungen