Hafthaus Herne
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Das Hafthaus Herne war (und ist als Bauwerk erhalten) das Gerichts- und Strafgefängnis der Justiz in Herne. Es steht in räumlicher Nähe zum Amtsgericht Herne am Bergelmanns Hof und ist als Baudenkmal geschützt.[2] Im Nationalsozialismus bildete es zusammen mit dem im Polizeipräsidium untergebrachten Polizeigefängnis Herne am heutigen Friedrich-Ebert-Platz (damals Adolf-Hitler-Platz) einen zentralen lokalen Repressionskomplex.[3][4]
Lage und Bau
Das Hafthaus befindet sich am Bergelmanns Hof 6 in Herne-Mitte, hinter dem Gerichtsgebäude des Amtsgerichts Herne (Friedrich-Ebert-Platz 1).[5] Der Zellentrakt entstand in der Zeit um den Ersten Weltkrieg (1910er Jahre) als Teil des Gerichtsensembles und diente der Justiz als Gerichts- und Kurzstrafgefängnis (»Hafthaus«).
Ursprüngliche Aufgabe (bis 1933)
Als Hafthaus der Justiz diente der Bau der Untersuchungshaft im Rahmen laufender Verfahren vor dem Amtsgericht sowie der Verbüßung kurzer Freiheitsstrafen. Das Herner Hafthaus war damit – wie ähnliche Gerichtsgefängnisse – organisatorisch der Justiz unterstellt und räumlich an das Amtsgericht angebunden.[6]
Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945)
In der NS-Zeit bildeten das Justiz-Hafthaus (Bergelmanns Hof) und das Polizeigefängnis im Polizeipräsidium am Friedrich-Ebert-Platz (damals Adolf-Hitler-Platz 3) einen eng verknüpften Haft- und Verfolgungskomplex. Das Polizeigefängnis war polizeilich/gestapomäßig geführt und diente willkürlicher Schutzhaft, Vernehmungen und der »Durchschleusung« von Verfolgten; das Justiz-Hafthaus nahm u. a. Untersuchungs- und Kurzstrafgefangene der ordentlichen Justiz auf. In der Praxis kam es zu Verlegungen zwischen beiden Häusern; beide Einrichtungen waren Teil derselben lokalen Repressionslandschaft.[7]
Im Polizeigefängnis Herne waren in der Kriegszeit neben politischen Gegnern auch Zwangsarbeiter*innen aus der Sowjetunion, Polen, Frankreich, den Niederlanden u. a. inhaftiert; dokumentiert sind Überfüllung, Misshandlungen und Verlegungen in andere Haftstätten der Region (etwa Dortmund/»Steinwache«).[8] Die Verflechtung von Justiz- und Polizeihaft in Herne in der Spätphase des Krieges (»Evakuierung« von Gefängnissen, Liquidierungsbefehle) ist lokal dokumentiert; von Herne aus führte der Weg zahlreicher Opfer über Dortmund in den Tod (u. a. Erschießungen im Rombergpark).[9][10]
Abgrenzung: Polizeigefängnis Herne
Das Polizeigefängnis befand sich im Gebäude des Polizeiamtes am heutigen Friedrich-Ebert-Platz (damals Adolf-Hitler-Platz). Es war keine Justiz-, sondern eine polizeiliche Haftstätte und ist als eigener Erinnerungsort in der Stadtgeschichte aufgearbeitet worden.[11]
Nachkriegszeit und spätere Nutzung
Nach 1945 blieb das Gebäude als Justiz-Hafthaus in Nutzung. In der Bundesrepublik wurde das »Hafthaus Herne« als Zweigstelle der Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel betrieben; Ende 2007 wurde der Betrieb eingestellt.[12] In den 1990er Jahren war Herne zeitweise Standort von Abschiebungshaft (öffentlich kritisiert).[13] Für die bauliche Zukunft wurden Reaktivierungs-/Umnutzungskonzepte diskutiert; die Erinnerungsarbeit zum NS-Unrechtsort richtet sich jedoch auf das frühere Polizeigefängnis am Friedrich-Ebert-Platz und ist davon unberührt.[14]
Der Tod des Flüchtlings Thomas Emanuel Tout hier berührte weite Teile der Gesellschaft, was letztendlich zur Schließung führen musste.
Einen verkauf des Hafthauses an einen Investor mit umbauten der Hafträume zu Studierendenwohnungen, oder einem angesetzten Neubau eines Justizzentrums für ganz Herne an seiner Stelle gelangen auf verschiedenen Gründen nie.
Mahnstätte und Erinnerung
Die Stadtgesellschaft arbeitet seit den 2010er/2020er Jahren an einem Erinnerungsort Polizeigefängnis Herne am Friedrich-Ebert-Platz. Ausstellungen, Recherchen und pädagogische Formate machen die Geschichte der NS-Haft in Herne sichtbar (u. a. »Unrecht benennen«; »Karfreitag 1945 – Golgatha-Weg«).[15][16] Das Hafthaus selbst ist als Baudenkmal gesichert; eine eigenständige Mahnstätte befindet sich – dem historischen Ort der polizeilichen NS-Haft entsprechend – im Bereich des früheren Polizeiamtes. Ergänzend bestehen in Herne stadtweite Erinnerungszeichen (u. a. Shoah-Mahnmal am Rathaus, Stolpersteine ab 2026).[17]
DENKMAL NR. 7 und NR. 205
- Amtsgericht
- Friedrich-Ebert-Platz 1, Herne Mitte
- Erbaut: 1914 -1921
- Architektur: Wilhelm Kreis
- Details: Es handelt sich um ein vornehm gestaltetes, dem Neubarock zuzuordnendes Gebäude mit stilistischen Einschlägen aus der italienischen manieristischen Architektur. Das zugehörige südöstlich angebaute Gerichtsgefängnis an der Straße Bergelmanns Hof, ist mit strenger neoklassizistischer, dreigeschossiger Frontfassade aus dunklem Klinker ausgeführt. Innerhalb des Baugeschehens in der Stadt Herne stellten Amtsgericht und Gerichtsgefängnis hochwertige Bauten des späten Historismus, am Übergang zu einer expressionistischen Formtendenzen verpflichteten und die Sachlichkeit betonenden Architektur, dar. Amtsgericht und Zellentrakt gehören zu den aus architektonischer Sicht bemerkenswerten Gebäuden der öffentlichen Hand, die das Stadtzentrum der jungen Industriestadt (Stadtrechte seit 1897) prägen und ihren Aufstieg manifestieren. Rathaus, Polizeipräsidium, Amtsgericht und der ostwärts gerichtete Flügel des Zellentraktes bilden zusammen mit der Fassadenfront anliegender späthistorischer Wohn- und Geschäftshäuser die Randbebauung für den Friedrich-Ebert-Platz als Stadtzentrum. Es ist als ein Ensemble von hohem städtebaulichem Rang zu bewerten.
Siehe auch
Polizeigefängnis Herne (Erinnerungsort am Friedrich-Ebert-Platz)
Literatur
Norbert Arndt: Bedenkliche Elemente. Zur Geschichte von Hafthaus und Polizeigefängnis in Herne. Werkstattstudie, Herne 2021
Weblinks
Projekt »Erinnerungsort Polizeigefängnis Herne« (mit Beiträgen, Quellen, Materialien).[18]
Verwandte Artikel
Quellen
- ↑ https://commons.wikimedia.org
- ↑ Stadt Herne (Denkmalliste): »Bergelmanns Hof 6 (Hafthaus)«; »Friedrich-Ebert-Platz 1 (Amtsgericht)«, PDF-Liste der Baudenkmäler (Stand: 15.12.2023), S. 39 u. 46. URL: https://www.herne.de/kontrast/de/Stadtportal/Bauen-Umwelt-und-Verkehr/Stadtentwicklung/Baudenkmalpflege/ (Direkt-PDF: »Denkmalliste Stadt Herne«, abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ Norbert Arndt: »Bedenkliche Elemente. Zur Geschichte von Hafthaus und Polizeigefängnis in Herne« (Werkstattstudie), Juli 2021, 60 S. URL (PDF): https://herne-damals-heute.de/wp-content/uploads/2021/07/Geschichte-Hafthauses-Polizeigefaengnis-Norbert-Arndt-Juli-2021.pdf (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ HSPV NRW (Orte der Polizeigeschichte, Region Westfalen): Eintrag »Herne – Polizeiamt und Polizeigefängnis«, o. J. URL: https://www.hspv.nrw.de (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ Denkmalliste Stadt Herne (wie oben Anm.), Einträge Bergelmanns Hof 6 und Friedrich-Ebert-Platz 1.
- ↑ Arndt 2021 (wie oben Anm.), Gesamtdarstellung zur Entstehung und Funktion des Justiz-Hafthauses in Herne im Kontext des Gerichtsensembles.
- ↑ Arndt 2021 (wie oben Anm.).
- ↑ Stadtmagazin »inHerne«: »Unrecht benennen. Ein Erinnerungsort für das Polizeigefängnis«, 10.07.2020 (Hintergrund zu Häftlingsgruppen und NS-Funktion des Polizeigefängnisses), URL: https://inherne.net/unrecht-benennen-ein-erinnerungsort-fuer-das-polizeigefaengnis/ (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ Erinnerungsort Polizeigefängnis Herne: »Karfreitag 1945: Der Golgatha-Weg von Herne in den Tod«, 9. April 2020 (mit Dokumentation der Verlegungen/Ermordungen), URL: https://erinnerungsort-herne.de/aktuell/karfreitag-1945-der-golgatha-weg-von-herne-in-den-tod/ (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ Arndt 2021 (wie oben Anm.).
- ↑ halloherne.de (Stadtportal): »Unrechtsort bleibt Unrechtsort – Klarstellung: Das Polizeigefängnis bleibt Erinnerungsort«, 09.07.2020, URL: https://www.halloherne.de/artikel/unrechtsort-bleibt-unrechtsort-44125.htm (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ WAZ Herne: »Hafthaus Herne schließt Ende 2007« (auch: Hinweise auf Funktion als Zweigstelle der JVA Castrop-Rauxel), 13.06.2007, URL: https://www.waz.de (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ taz: »Im Herner Abschiebeknast«, 09.08.1993 (kritischer Bericht zur Abschiebungshaft; Zeitzeugnis der Nutzung), URL: https://taz.de (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ halloherne.de: »Unrechtsort bleibt Unrechtsort – Klarstellung«, 09.07.2020 (Abgrenzung zur baulichen Zukunft des Hafthauses), URL: https://www.halloherne.de/artikel/unrechtsort-bleibt-unrechtsort-44125.htm (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ inHerne: »Unrecht benennen. Ein Erinnerungsort für das Polizeigefängnis«, 10.07.2020, URL: https://inherne.net/unrecht-benennen-ein-erinnerungsort-fuer-das-polizeigefaengnis/ (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ Erinnerungsort Polizeigefängnis Herne (Projektseite): Überblicksartikel und Beiträge zur Geschichte, URL: https://erinnerungsort-herne.de/ (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ Stadt Herne (Kultur/Erinnerungskultur): Hinweise auf Mahnmale und Stolpersteine, o. D., URL: https://www.herne.de (abgerufen am 18. August 2025).
- ↑ Erinnerungsort Polizeigefängnis Herne: https://erinnerungsort-herne.de/ (abgerufen am 18. August 2025).
