Gysenberger Mühle
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Die Gysenberger Mühle, oder die Mühle am Gysenberg hat eine bewegte Vergangenheit und ist seit 1997 als gesicherte Ruine zugänglich.
Die Adresse lautete „Gysenberg No. 2“ und zuletzt Nr. „8“.
Sie gehört zur Herner Geschichte als eine der wichtigen Mahlstätten an.
Am Haus Gysenberg lagen vormals zwei Mühlen: Eine Öl- und eine Kornmühle![1]
Jede dieser Mühlen hatte einen eigenen Mühlenteich, die Oelmühle den oberen, die Kornmühle den unter Teich. Gespeist werden die Teiche vom Ostbach, auch Schmedebecke genannt.
Der alte, heute noch vorhandene Mühlenteich ist, von der Mühle aus betrachtet, der recht der Brücke. Er war ursprünglich in Richtung des Streichelzoos etwas größer. Sein Ablauf zum Mühlenkanal der Mühle, die direkt auf dem Mühlen(stau)damm gesetzt war, ist noch zu erkennen.
Die Mühle hatte gleich hinter dem Damm ein Oberschlägiges Mühlenrad, das heißt, dass es von oben am Scheitelpunkt des Wasserrades mit Wasser versorgt wurde. Das Rad bestand aus Zellen, indem sich das Wasser staute und so durch ihr Gewicht in Fließrichtung antrieb.
Der Mühlenteich der Ölmühle, diese stand ungefähr am Wendekreis der Kindereisenbahn „Jolante“, lag weiter südöstlich zur Gysenbergstraße hin (zufahrt zum Forsthaus). Der vor Jahren denaturierte Teich war nicht identisch mit dem älteren Mühlenteich. Jenseits dieses Teiches lag der alte Hof Voss.
Die beiden Mühlen gehörten als „Privatmühle“ zum Haus Gysenberg und wurden als eine wirtschaftliche Einheit gesehen. Die Mahlgenossen bestanden aus den Gysenberger Bauern, die im Mühlenbann dieser Mühle/n lagen. 1739 werden 43 Personen angegeben. [2]
Das Recht, Mühlen zu errichten, war seit dem Mittelalter im Mühlenregal geregt und unterstand dem Landesherrn. Da seit 1648 in unserer Gegend keine neue Mühle errichtet wurde[3], ist anzunehmen, dass diese älter war.
In einer Reform des Mühlenwesens im Jahre 1739 wurde das Mühlenwesen in der Grafschaft Mark verändert. Die Besitzer einer Mühle wurde als Pächter der Mahlgenossen angesehen und diese auf 6 Jahre verpachtet. Hier handelte es sich aber um eine adelige Privatmühle, die ebenfalls Besteuert wurde, aber mit wesentlich leichteren Bedingungen. In der Rentei Bochum, zu der die Gysenberger Mühle gezählt wurde, war die Reform zum 20. Juli 1740 als umgesetzt gemeldet.
1757 stellte von Steinen im Zusammenhang mit dem Gysenberg fest, dass diese Mühlenanlage „eine schöne und einträgliche Mühle“ sei.
Über die Gysenbergische Erbschaft, bzw. Schenkung - der letzte männlich von Gysenberg überschreibt seinen Besitz seinen angeheirateten Neffen von Westerholt mit der Bedingung, den Namen Gysenbergs anzunehmen - kam der Besitz an die Herren bzw. Grafen von Westerholt und Gysenberg.
1849 sind folgende Einwohner verbürgt:
Nr. | Haus | 1849 Einwohner in Gysenberg | Stand/Gewerbe | Alter | Religion |
---|---|---|---|---|---|
126. | Nr. 1 | 1. Uhlenbruch Georg | Pächner | 67 | K |
127. | Nr. 1 | 2. Mina | Tochter | 60 | K. |
128. | Nr. 1 | 3. Johann | Sohn | 40 | K. |
129. | Nr. 1 | 4. Hötting (N. N.) | Knecht | 60 | K. |
130. | Nr. 1 | 5. Aechmann Wilhe | Hierte | 15 | K. |
131. | Nr. 1 | 6. Wicking Klementin | Köchin | 23 | K. |
132. | Nr. 1 | 7. Feldkühler Lisette | Magd | 20 | E. |
133. | Nr. 1 | 8. Hermann Anna | Magd | 40 | K. |
134. | Nr. 1 | 9. Bussmann Joseph | Müller | 30 | K. |
135. | Nr. 1 | 10. Eliesabet | Efrau des at 1 | 25 | K. |
136. | Nro. 2 | 1. Tüllmann Friedrich | Müller | 42 | E |
137. | Nro. 2 | 2. Lehmkühler Netta | Efrau des at 1 | 32 | K. |
138. | Nro. 2 | 3. Tüllmann Heinrich | Sohn | 11 | K. |
139. | Nro. 2 | 4. Lisette | Tochter | 8 | K. |
140. | Nro. 2 | 5. Friedericke | dito | 2 1/2 | K. |
141. | Nro. 2 | 6. Berta | dito | ein Halb | K. |
142. | Nro. 2 | 7. Heinrich | Bruder des a1 1 | 33 | K. |
143. | Nro. 2 | 8. Lehmkühler Wilh. | Taglöner | 28 | K. |
144. | Nro. 2 | 9. Schlingmann Anna | Magd | 19 | E. |
Das Mühlengebäude und die technische Einrichtung stammten aus dem 18. Jahrhundert, wurden aber 1903 in der Form eines Fachwerkhauses mit Satteldach renoviert. 1908 wurde die Mühle auf Maschinellen Antrieb umgestellt. Was heutzutage als Ressourcenverschwendung gegeißelt wird, ermöglichte zu Beginn des 20 Jahrhunderts aber eine gleichbleibende Mahltätigkeit der Mühle, also eine Hebung der Wirtschaftlichkeit.
1927 gelangte die Mühle als festes Inventar der Gräflich Westerholt-Gysenbergischen Besitztümer durch Ankauf an die Stadt Herne.
Die letzte Müllerfamilie hieß Höltmann. Höltmanns betrieben vorher die Castroper Mühle und 1910-29 war Heinrich Höltmann Pächter des Mühlenbetriebes, nach dem zweiten Weltkrieg Johannes Höltmann. 1954 war die Adresse nicht mehr vergeben.
Danach wurde das – wie es in einem Bericht heißt – „schmucke Fachwerkhaus, das noch heute angenehm auffällt“, betriebsfremd gastronomisch genutzt.
Denn „es gibt zu wenig Imbissmöglichkeiten in diesem Bereich“[4], hatte der Unternehmer Pelani geäußert - und mit seinem Selbstbedienungsimbiss, der „Tische und Stühle im Außenbereich sowie ein Bootsverleih zur Erkundung der ehemaligen Mühlteiche“ ermöglicht, selber umgesetzt und betrieben.
Seit Juli 1980 bat der Heimatforscher Günter Habijan die Stadt Herne, die geschichtstächtige Mühle unter Denkmalschutz zu stellen. 1982 veröffentlichte die WAZ Herne einen Artikel mit dem sinnigen Titel: „Altes Mahlwerk verrottet neben Affenküche“[5] und beschrieb, dass das historische Fachwerkhaus als Imbissbude „höchst profan“ genutzt werde und untertstütze den Wunsch von Habijan.
1986 erfolgte dann die notwendige Eintragung in die Liste der Baudenkmäler und seit 1990 wurde erwogen, die Mühle wieder in Betrieb zu setzten.
Das daraus nichts wurde, lag an einer zerstörerischen Brandstiftung aus dem Jahre 1997, dass das Holzfachwerk vom Erd- und Dachgeschoss sowie die Holzbalkendecke über dem Kellergeschoss vollständig zerstörte. Ein Wiederaufbau des Mühlengebäudes war nicht leider unrealisierbar, mit der Konsequenz, dass die Mühle wieder aus der Denkmalliste gestrichen wurde.
Da das Mahlwerk - mit Ausnahme geringfügiger Beschädigungen -weitestgehend erhalten geblieben war und die Technik der Gysenberger Mühle nur noch bei vier weiteren Ruhrgebietsmühlen zu finden ist, plädierten Fachleute entschlossen für eine Instandsetzung der noch erhaltenen Anlagen. Mit Erfolg, die Ruine wurde abgeräumt, die erhaltenswerten Mauerreste gesichert und die Mahlwerktechnik über eine Glasplatte in einer neuen Bodenlösung öffentlich sichtbar gemacht. Im Laufe der Jahre erblindete allerdings das flach gelegene Glas so stark, das ein Durchblicken nicht mehr möglich war. Auch hatten weitere Putzschäden durch Feuchtigkeit sowie Schmierereien der Ruine zugesetzt.
2019 wurden Haushaltsmittel bereitgestellt, um die Mühle wieder auf Vordermann zu bringen. Die Stadt Herne erhält hierfür knapp 88.000 Euro aus Landesmitteln zur Pflege von Baudenkmälern und leistet einen Anteil von rund 105.000 Euro.
Die Sicherung des Gebäudes wurde abgeschlossen und das Mahlwerk unter einem steilen Glasdach wieder sichtbar gemacht. Das Mühlrad allerdings ist weiterhin vom Verfall bedroht.
Insgesamt spielt die Mühle am Gysenberg eine wichtige Rolle im kulturellen Erbe von Herne. Sie ist ein bedeutendes Denkmal und ein Zeugnis der Vergangenheit.
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Verwandte Artikel
- Aus der wechselvollen Geschichte der Wieschermühle (← Links)
- Gutshaus Gysenberg (← Links)
- Von alten Mühlen in Herne (← Links)
- Kindereisenbahn "Jolante" (← Links)
Quellen
- ↑ Vgl. Ortschronik Castrop 1822. Die Heimatseite. In: Castroper Anzeiger vom 8. September 1936. Online auf zeitpunkt.nrw
- ↑ Vgl.: Dorider, Dr. Adolf: Die Entwickelung des Mühlenwesens in der ehemaligen Grafschaft Mark : ein Beitrag zur Domänenpolitik der brandenburgisch-preußischen Herrscher im 17. und 18. Jahrhundert. Witten 1909. Online auf WWU Münster
- ↑ Vgl.: Dorider, Dr. Adolf: Von der Castroper Kornmühle und einiger Nachbarmühlen, Castroper Anzeiger vom 12. Januar 1914. Online auf Zeitpunkt.nrw
- ↑ Ruhr-Nachrichten vom 4. Mai 1971
- ↑ WAZ vom 17. Februar 1982