Die ersten "Badeanstalten" in Herne

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Von Karl Brandt

Die ersten Badeanstalten in Herne

Die erste bekannte Freibadegelegenheit der Herner war zweifellos die Emscher, die ja noch vor knapp 100 Jahren so klar war, daß Fische, und zwar auch Forellen, darin gefangen wurden. Auch später noch, als die ersten Zechen ihre Abwässer in die Emscher leiteten, wurde das Wasser nicht so verunreinigt, daß darin nicht gebadet werden konnte. Noch vor 50 Jahren haben alte Herner Bauern, Kötter und Knechte erzählt, wie sie im vorigen Jahrhundert regelmäßig zur Emscher baden gegangen sind. Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts jedoch war die Verunreinigung der Emscher bereits sehr unangenehm geworden.

Aber inzwischen war für die Badelustigen "Ersatz" entstanden. Beim Bau der "Westfälischen Eisenbahn" in den siebziger Jahren, die am heute nicht mehr vorhandenen Hafen des Stichkanals des Dortmund-Ems-Kanals die Bahnhofstraße überquerte, entstanden im Stadtteil Baukau mehrere große Teiche. Man hatte an diesen Stellen das Erdreich für den Bau der hohen Bahndämme ausgehoben. Vom Bahndamm dieser ehemaligen Eisenbahnstrecke ist noch ein Stück vorhanden, und zwar etwas nördlich der Bismarckstraße mit dieser parallel verlaufend, dann eine Strecke nördlich parallel der La-Roche-Straße und der Cranger Straße.

Da war zunächst vor der Eisenbahnbrücke am Ende der La-Roche-Straße und Beginn der Cranger Straße der sogenannte Koops Teich. Er lag in dem westlichen Dreieck am Beginn der Baukauer Straße, die an der genannten Brücke beginnt. Gegenüber lag das Besitztum der alten Baukauer Familie Koop. An diesem Teich entwickelte sich in den Sommermonaten ein reger Badebetrieb unter wohlwollendem Dulden der Behörde. Da aber passierte etwas Schreckliches: Der Anstreicherlehrling Georg Schumacher ertrank in diesem Teich. Von nun an duldete die Polizei das Baden im Koops Teich nicht mehr. Aber man fand trotzdem genügend Gelegenheit, dort weiter zu baden. Wie alte Baukauer erzählten, war dieser Teich namentlich an besonders warmen Tagen von hunderten Bergleuten belagert. Da drückten die Ortspolizisten schon wohl oder übel ein Auge zu und sahen besser nichts. Aber Koops Teich wurde mit den Jahren immer kleiner, und zwar durch Zuschüttungen. Dadurch litt natürlich nicht nur die Sauberkeit des Wassers, sondern auch der Eindruck der näheren Umgebung. Schließlich ist dann nach 1918 der letzte Rest mit Müll ganz zugeschüttet worden.
Der Badebetrieb zog sich nun mehr zu dem viel größeren Grüters Teich "hinter der Bahne", wie man im Volksjargon sagte. Hier war man ungestörter. Auch aus Herne erschienen im Sommer hier ganze Trupps Badelustiger, wobei es häufiger zu herzhaften "Keilereien" zwischen den Hernern und den Baukauern kam.
Grüters Teich hat aber viele Todesopfer gefordert. Es sind mindestens zehn Menschen in wenigen Jahrzehnten ertrunken. Hier traten daher die Alt-Herner Polizisten mit Pickelhaube und langem Säbel häufiger in Erscheinung - besonders der alte Prigulla mit seinem Polizeihund.
- Prigulla war im alten Herne durch seine Redeblüte während eines Bergarbeiterstreiks "berühmt" geworden:

"Was steht ihr hier auf Haufen?! Ist nicht genug, daß einer steht auf Haufen?!"

Dieser Polizist war tatsächlich sehr gefürchtet. Er war von untersetzter Statur und robust und kräftig. Damals räumte so ein Pickelhaubenpolizist allein eine ganze Wirtschaft von krakelenden Zechern. Auch der Polizist Sauerbrey hat viele Stunden seiner Dienstzeit damit zubringen müssen, Badende von Grüters Teich fernzuhalten. Prigulla war ansonsten ziemlich gemütlich, besonders wenn er die "entsprechende Anzahl binnen" hatte.
Überraschte er Badende im Teich, dann forderte er sie auf, ans Ufer zu kommen. Aber man kam meistens nicht. Gut, sagte sich Prigulla, dann warte ich bei euren Kleidern solange, bis ihr kommt. Dauerte ihm das doch zu lange oder sein Schnapsvorrat war alle, dann schickte er seinen Schäferhund ins Wasser. Der scheuchte dann schon einen nach dem anderen aus dem Wasser. Die übrigen kamen dann von selbst. Natürlich hagelte es dann Strafmandate. - Nicht nur wegen des verbotenen Badens, sondern auch, weil manchmal das Korn vom Bauern Grüter niedergetreten worden war.

Als schließlich das Baden in Grüters Teich allgemein als gefährlich erschien, verzogen sich die Badelustigen auf Cranger Gebiet, in den letzten verbliebenen Teich, den man Möllers Teich nannte.

Die "Wildbaderei" hatte aber auch ihre guten Seiten: Die Baukauer und Herner Jungen konnten meist alle schon mit acht und zehn Jahren schwimmen wie die Karpfen. Merkwürdigerweise sind auch nie Kinder ertrunken, sondern immer Halberwachsene oder Erwachsene, und das kam daher, weil diese auch die tiefen Stellen in den Teichen aufsuchten oder auch viel zu lange hin- und herschwammen.

In Ergänzung dieser Ausführungen von KarI Brandt werden noch von Eduard Peter, der ebenfalls aus seinen "Jungenjahren" alle die Wege und Winkel abseits der gebahnten Straßen, die Bachläufe und Teiche und Büsche kennt, die jedem richtigen Jungen in der Heimatstadt geläufig sein müssen, noch weitere Einzelheiten berichtet:

Nach Bleistiftnotizen in einem Plan von 1892 hieß das später allgemein "Koops Teich" genannte Grundwasserloch vorher "Neptun-Teich". Auch später soll dieser Name noch gelegentlich gebraucht worden sein. - Vielleicht können einige unserer alten Leser genauere Auskunft geben, was es mit dieser Bezeichnung auf sich hatte und ob vielleicht ein Zusammenhang mit einem Schwirmmverein gegeben ist.

In unseren Kartenausschnitt, der übrigens ein Auszug aus dem oben erwähnten Plan von 1892 ist, ist bei der für unsere Veröffentlichung vorgenommenen Einzeichnung dieser frühen Bade- und Schwimmgelegenheiten die Bezeichnung "Neptun-Telch" eingetragen. Der Kartenausschnitt zeigte weiter den von Karl Brandt geschilderten "Grüters Teich" (in der Karte nach der im alten Kartenmaterial augewandten Schreibweise bezeichnet!) und den "Neveling-Teich". Er wurde bis um das Jahr 1930 durch die Müllabfuhr zugekippt. Der letze Rest von "Grüters Teich" soll etwa bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges verfüllt worden sein.

Das erste offiziell zugelassene öffentliche Freibad ist wohl seit 1897 die Badeanstalt in dem vom Ostbach (Herner Mühlenbach oder auch Wiescher-Mühlenbach) gespeisten Mühlenteich der Wieschermühle gewesen. Diese Anlage, zu der eine Eintrittsgebühr genommen wurde, war durch einen Bretterzaun gegen Sicht von draußen abgeschirmt. Wie die heute um die sechzig Jahre alten Herner berichten, hielt damals zunächst ein Teil des Bürgertums diese Einrichtung für ein bedauerliches Zugeständnis an einen unguten "Zeitgeist". Die damalige Jugend aber schaute gern einmal durch oder über den Bretterzaun, um sich das ihr doch schon etwas ulkig anmutende Treiben in den damaligen "Bademoden" anzusehen. Der Blick hinter den Zaun gelang jedoch selten oder nie, wenn es auf dem Familienspaziergang mit Vater oder Mutter dort vorüberging. Dann wurde das Tempo beschleunigt und "es gehörte sich" absolut nicht, anders als geradeaus zu schauen.

- In dem hier wiedergegebenen Ausschnitt eines Planes von 1902 ist unter der alten Bezeichnung "Mühle Voortmann" der Teich der Wieschermühle mit der Abzweigung und dem Durchlauf des Ostbaches eingezeichnet. Die letzten Gebäudeteile dieses alten Mühlen-Anwesens haben bekanntlich 1964 dem Bau der Schule Schillerstraße weichen müssen. Vor deren Eingang erinnert jetzt einer der letzten Mühlensteine daran, daß hier einmal der klare Wasserlauf nützliche Kraft spendete. - Unsere Monatsschrift brachte im September Heft 1964 eine Arbeit über die Geschichte der Wieschermühle. [1]

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Quellen