Die Limburger Lehen der Strünkeder XI.

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Leo Reiners widmete sich in den Jahren 1938/39 in einer Artikelserie den Limburger Lehen der Strünkede.

Herner Anzeiger
Samstag, den 18. Februar 1939
Nr. 42 (Drittes Blatt)

Die Limburger Lehen der Strünkeder

Der Siebenjährige Krieg im Land.- Unruhe und Unsicherheit.- Die Strünkeder in Geldschwierigheiten.- Die Gläubiger halten sich schadlos und lallen Höfe zwangsversteigern.— Lehen, von denen der Belehnte nichts hat.- Ein Lehen unauffindbar
XI.[1]

Am 15. 2. 1760 ist Karl Joseph August, Graf von Limburg=Styrum, gestorben. Ihm folgte, da er nur eine Tochter hatte, sein Bruder Philipp Ferdinand. Bei diesem hatten nun die Vasallen um Lehnserneuerung nachzusuchen. Der junge Freiherr von Strünkede wurde— wahrscheinlich am 21. April 1761, denn an diesem Tage hat er mit seiner Petschaft besiegelt, daß „Anton in Meitenpauer“ einen Brief vom Grafen von Styrum richtig auf Strünkede abgeliefert hat— aufgefordert, „zur Erneuerung der Lehnspflichten" am 8. Juni 1761 in Styrum zu erscheinen. Dagegen wendet sich am 3. Juni 1761 C. R. Frantzen von Hoerde[2] aus in einem Schreiben, in dem er als Curator „pflichtmäßig“, anzeigt, „daß bey diesen Kriegeszeiten“[3] die in Sicherheit seyende Strünckedische Hauß=Briefschaften nicht so bald zur Hand gebracht und nachgesehen werden können, wie es um die Styrumsche Lehne bewandt und wie selbige vorhin belehnet, um die etwa erforderliche Lehnbriefe und Specification beyzubringen“. Er bittet, die Lehngüter, für die die Lehnserneuerung erbeten werden soll, namhaft zu machen, und schließt: „Neberdem träget man auch bisher Bedenken, wegen täglich noch mehr besorgenden Unruhen auch nur von hier (= Hörde) nach Strunckede geschweige weiter sicher reisen zu können". Der Curator bittet daher, um sich mit seinem Curanden besprechen und die Lehnsbriefschaften nachsehen lassen zu können, um mindestens 3 Monate Terminsverlängerung. Der Brief Frantzens ist erst nach 5 Tagen, nämlich am 8. 6. in Styrum vorgezeigt worden. Auf ihn hat der Lehnssekretär Martin Marx geantwortet, der Termin sei bis auf den 22. September verlängert. Jetzt ist auch von Gebühren für solche Terminsverlängerungen die Rede, denn es steht vermerkt „Pro hac prolongatione 1 rthlr“.— Frantzen hat indes auch den neuen Termin nicht wahrnehmen lassen, sondern in einem Schreiben aus Hörde (15. 9. 1761) dem Lehnsrichter und der Lehnskammer mitgeteilt, „die impedimenta (= Hindernisse), welche in vorigem Memorial vom 3ten Juny c. angezeiget worden, dauren noch immerfort, so daß man den auf den 22ten hujus kostbar (hiermit ist wohl der Reichstaler Prolongationsgebühr gemeint) prolongirten Terminum renovationis investiturge noch nicht wird respiciren können.“ Er bittet, den Termin wegen Fortdauerns der Hindernisse „wahrender Kriegerischer Landes=Unruhen". d. h. so lange diese Unruhen währen, aufzuheben. Styrum ist indes anderer Auffassung. Die Lehnskammer setzt einen neuen Termin auf den 1. Dezember fest und schreibt, der größte Teil der im Märkischen wohnenden Vasallen hätten, ungeachtet des angegebenen Hindernisses, zum festgesetzten Termin die neue Lehnshuldigung vorgenomm oder doch nur um 1—2 Monate Terminsverlängerung nachgesucht, „ohnehin es sehr ungewis ist, wie lange das angegebene Impedimentum noch währen dürfte, sonsten auch vor und nach noch sonders im Winter viele ruhige Stunden sich vorfinden werden". Am 24. November 1761 antwortet Frantzen, indem er auf die Bemerkung von den ruhigen Stunden, die sich besonders im Winter vorfänden, eingeht: „Weilen aber selbige nicht genug, sondern verschiedene Tage und Zeit nebst gewißheit der Ruhe bey hin und herreise erfordert wird, wovon zwischen hier und dem loco termini (= Terminsort, d. i. Styrum) noch nicht gehoredt noch versichert bin, sondern das gegen theil zu Befürchten, die gesinnung (= Erwerbung) durch einen Bevollmächtigten aber bewandten umstanden nach nicht schicklich ist", bitte er, die Erneuerung bis zur baldigen Großjährigkeit des jungen Barons von Strünkede auszusetzen.
Jetzt schweigt der Briefwechsel bis 1763. Am 11. 6. 1763 schreibt Lehnssekretär Marcks im Auftrage der Lehnskammer (auch diese Verfügung war offenbar gebührenpflichtig, denn auf dem Entwurf steht: pro decreto 1 rh.) an Msr. le Baron de Strunkede, Seigneur de Herne et Castrop a Strunckede, nachdem die von Curator Frantzen angeführten „impedimenta Gott Lob! gantzlich cessiren“[4] und es deshalb billig sei, daß die so lange aufgeschobene Lehnserneuerung endlich vorgenommen werde, werde ein neuer Termin auf den 14. Juli bestimmt. Am 11. Juli antwortet Conrad Ludwig von Strünkede, er sei noch nicht volljährig, und „da es nun den Lehn rechten gemäß sein soll, biß dahin mit Eydhuldigung, oder Lehns Erneuerung anzustehen, ohne mit unnöthigen Eyden, und deren Verfältigung vor und nach gleichsam zu spielen: So habe um solchen noch kurtzen ausstand nicht weit über ein jahr dienstlichst ersuchen wollen.“
Daraufhin wartet man in Styrum wieder geraume Zeit. Nach 2 Jahren, am 29. Juni 1765, schreibt Lehnssekretär Marcks dem Herrn von Strünkede, es sei nun nach so viel Jahren endlich an der Zeit, die rückständige Lehnserneuerung vorzunehmen, weshalb ein letzter Termin auf den 23. Juli festgesetzt werde“ [5] Am 16. Juli aber erwidert der junge Freiherr von Strünkede, er habe das Styrumer Citationsschreiben erst „vorigen Donnerstag“ erhalten. Bis zum 23. Juli sei die Zeit zu kurz, um sich mit allem Nötigen zu versehen und mit dem Kurator Rücksprache zu nehmen. Er bittet, den Termin auf September zu verschieben. Unter dem 23. August wird der Bitte stattgegeben und der Termin auf den 16. September verlängert. Für dieses Decretum ist wieder 1 Rthlr. zu zahlen. Aber auch der neue Termin kann nicht wahrgenommen werden. In dem Schreiben, das der junge Freiherr Conrad Ludwig deswegen am 15. September an den Lehnsrichter sendet, wird dargelegt (was schon in dem Schreiben vom 16. Juli als Unmöglichkeit, sich mit allem Nötigen zu versehen, umschrieben und auch 1752 schon als Rückgang der Umstände auf Haus Strünkede bezeichnet war), daß die Strünkeder sich in Geldschwierigkeiten befinden. „Wie gerne ich auch wolte“, schreibt Conrad Ludwig von Strünkede, „so ist es mir doch ohnmöglich auf den 16ten Dieses zur Lehns renovation gehörig zu erscheinen, Da ich weil einer so mir schuldig war, ausgeblieben, ohnmöglich die nöhtige Gelder dazu habe beysammen bekommen können; binnen 14 Tage lebe aber der Hoffnung, solches beysammen zu haben; Habe dahero gang ergebenst ersuchen wollen, mir doch die Uebe zu erzeigen und biß dahin mit der lehns renovation ohne fernere Citation zu patientiren“. Der Bitte wird stattgegeben, aber auch vor dem neuen Termin schickt der Strünkeder ein Entschuldigungsschreiben. Unter dem 4. 10. 1765 teilt er dem Lehnsrichter Kopstadt mit, der 9. Oktober, auf den der neue Termin zur Lehnserneuerung festgesetzt sei, falle „justament auf einen der hiesigen Gerichtstage“, sein Bevollmächtigter könne also unmöglich in Styrum erscheinen. Dieser habe auch „bei seiner dortigen Gegenwart“ nicht daran gedacht, „dero wegen ich nochmahlen so dreist sein muß", um eine Terminsaussetzung um 1—2 Tage zu bitten.
Wieder ist aus der Lehnserneuerung nichts geworden. Wieder vergeht fast ein Jahr. Jetzt aber zeichnet sich der Strünkeder Vermögensverfall deutlicher ab. Das Schreiben, das die Lehnskammer am 18. August 1766 an den Freiherrn von Strünkede schickt, ist zwar nicht im Entwurf unter den Styrumer Archivalien zu finden, wohl aber die Antwort des Strünkeders vom 26. August (angerommen 28. 8.: Porto 6 Stbr.). Aus ihr geht her vor, daß das Strünkeder Grundvermögen derart mit Schulden belastet ist, daß sich die Gläubiger selber daraus schadlos halten und den Düngelmans Hof bereits zur Zwangsversteigerung gebracht haben, ohne daß allerdings bisher der Zuschlag erteilt ist.[6] Zunächst schreibt der Freiherr von Strünkede, er könne auf das Schreiben vom 18. August versichern, daß unter dem bisherigen Aufschub der Lehnserneuerung nichts Gefährliches verborgen liege. Daß er sie aber der Kosten wegen aufzuhalten gesucht habe, bis er wegen der sämtlichen Lehnsstücke gesichert sei, werde ihm die Lehnskammer nicht verdenken. „Meine Sachen Können nicht so detabriret(= abgesunken, heruntergekommen) sein, „daß ich nicht in den besitz gedachter Lehnhöfe solte verbleiben können; den nach den Lehn rechten kan ja ein Lehnguth ohne Consensum alienandi (= Genehmigung zur Veräußerung) des Domini directi nicht veralieniret werden; zumal wen die darauf haftende Schuld nicht Consentiret ist: Der Weyland Etatsminister von Strünckede als Erblaßer meines Vaters Seel... hat die Schulden auf hiesiges Hauß gemacht, und davor denen Creditores so wohl andere, als auch die zur Limburg=Styrumschen Lehnkammer gehörige Lehngüther Verschrieben. So daß mein Vater Seel. so wenig, alsich, bißjetzo von denen Revenuen dieser Lehnhöfe etwas genoßen habe, Dem ohnerachtet hat mein Vater Seel. die Lehnspflicht allezeit beobachtet, und bin ich nach deßen absterben auch wirklich wieder belehnet worden... worauß deutlich erhellet, daß die Schuld nicht von mir pröperlich herrührt: Da nun aber die Creditores nicht alleine die früchte stetshin davon genoßen, sondern auch noch täglich dieselbe zum Verkauf angreifen, Könte mir also wohl Verdacht werden, wen ich nochmals um außetzung des Termini Dienstgehorsambst bäte, biß ich wegen den besitz gedachter Höfe gesichert wäre, so sich ohnedem bald ausweisen muß, den das Schicksal, so den Düngelmans Hoff betreffen wird, wird auch denen andern Lehnhöfen überfallen, indem die umstände fast einerley; Um aber zu zeigen, daß ich unter dem aufschub nichts gefährliches suche und daß ich jederzeit bereitwillig bin, meine Schuldigkeit als Lehn vasal in acht zu nehmen, so werde am 18ten Septhr meinen dazu ernanten Mandatarius Hr. tit. Kivp mit gehoriger instruction, um die Lehnspflicht laut seiner vollmacht(zu) erneuern übersenden. In der festen ZuVersicht, daß alsdan eine Hochgräfl. Lehnkammer auch gnädig geruhen werde, mich bey dem besitz gedachter Lehnhöfe und übrigen Lehngüter, daselbst lehnrührig, wieder alle Creditores bestmöglichst zu manuteniren (=schützen); Wobey ich auch anzeigen muß, daß ich so wenig, als meine Vorfahren je in den Besitz des im Lehnbriefe erwehnten hofes zu Berge, Vest Recklinghausens, im Kirchpiel Buer, gewesen sind; ich kan auch im Kirchspiel Buer, kein Hoff ged. nahmens ausffindig machen, aber wohl liegt da ein Rittersitz Berge, wovon die Frh. von Boenen in besitz sind. Mir wird also nicht übel ge(deustet werden Können, wen ich einige bedenklichkeit trage, wegen geo. Hofes zu Berge, wovon gar keine spuhr finden Kan obwohl ich alle mühe angewendet habe, solchen auszuforschen: wiederum das Lehen renoviren zu laßen, biß daran ich in den Besitz solchen Hofes bin... Auf die geschhene Protestation wegen des Düngelmans Hofes, habe Keine schriftliche Resolution zurück erhalten; wie aber der letzte Verkaufstermin ist gehalten worden, so hat das Landgericht öffentlich gegen die daselbst gegenwärtig gewesene erklährt, daß weil der selbe Lehn sein solte, so würde der Verkauf vor der Hand noch aufgeschoben; sch werde aber noch um schriftliche Resolution anhalten laßen, den beweiß, daß Hemertsguth, und Schulten Hoff in der Langfort einerley sey, stellet sich in Copien hiebey ein; dieser gewinbrief ist das einzigste stück, welches ich davon habe finden können,[7] so es aber sattsam beweiset.“ Der Brief schließt mit der Bitte, schnellstens beim Strünkeder Gericht das Nötige zu besorgen, zumal der letzte Termin nahe vor der Tür stehe.
Am 15. September sendet der Freiherr von Strünkede Herrn Kipp als Bevollmächtigten nach Styrum, um die Belehnung zu empfangen. In einem Be gleitschreiben teilt er mit, am Mittwoch der nächsten Woche, dem 24. September, sei „letzter Terminus Distractionis (= Veräußerungstermin) des Hemerts guth modo Schultze in der Langfort“, er bitte daher den Lehnsrichter, die dagegen einzulegende Protestation ihm sofort „zur ferneren Besorgung" zu übersenden.[8] Auf sein ferneres Anhalten um Resolution auf die geschhene Protestation wegen des Düngelmans Hofes habe ihm das Landgericht zu Bochum zu wissen getan, es habe die Resolution sofort schriftlich nach Styrum geschickt.
Aus der Vollmacht, die Herr Kipp überbringt, geht hervor, daß es sich nicht um den Strunkeder Gerichtsschreiber Kipp handelt, sondern um den „Herrn Joh Dethmar Kipp, Rahtsherr der Kayserlich freyen Reichs Stadt Essen". Seine Vollmacht lautete dahin, die bekannten Limburger Lehnsstücke, einschließlich des Hofes zu Berge, für einen Auftraggeber zu empfangen.
Der Lehnsbrief des Grafen Philipp Ferdinand ist am 13. Januar 1767 in Styrum ausgestellt. Die Belehnung geschah danach durch Ratsherr Kipp vor dem Hofrat, Lehenkanzleidirektor, Richter und Bürgermeister zu Essen, Kopstadt, und in Gegenwart der dazu besonders ersuchten Zeugen Friedr. Wilh. Melchert und Valentin Winold, Burger und Schulbediente zu Essen. Auch nach dem Lehnsprotokoll ist Conrad Ludwig von Strünkede am 13. Januar 1767 mit dem Hof zu Berge, dem Zehnten zu Pöppinghausen, „Hermers modo Langfurts Hof vor Strünckede", Düngelmans Hof und dem Zehnten aus den Gütern Risse und Büchte zu Holthausen belehnt worden nach vorhergegangener Zahlung von 5 Goldg. und 5 Silberstücken für den Lehnsherrn und gewöhnlichen Kanzleigebühren, „so diesmalen citra consequentiam für 20 rthlr. belaßen worden".

Zurück | (Fortsetzung folgt.) Dr. L. Reiners.

Verwandte Artikel

Quellen

  1. Online auf Zeitpunkt.nrw
  2. Anmerkung Reiners: 1753 war der Landkreis Hörde gebildet worden, zu dem das alte Amt Bochum und die Gerichte Strünkede, Alt- und Neu-Castrop gehörten.
  3. Anmerkung Reienrs: Es handelt sich um den Siebenjährigen Krieg, der die Franzosen jahrelang in unserer Gegend sah. Sie stritten sich mit Prinz Ferdinand von Braunschweig zwischen Krefeld und Minden herum.
  4. Anmerkung Reiners: Am 15. Februar 1763 war der Siebenjährige Krieg durch den Frieden von Hubertusburg beendet worden.
  5. Anmerkung Reiners: *) Wie aus einer Notiz auf der Rückseite des Entwurfs zu diesem Schreiben hervorgeht, ist derselbe Text auch an Msr. le Baron de Syberg, Seigneur de Kemnade, Wischlingen et Stiepel a Kemnade gesandt worden.
  6. Anmerkung Reiners: Der Zuschlag wird auch nicht erteilt, denn erst 1796 kommt der Hof Düngelmann zum Verkauf, wobei ihn die Familie Düngelmann erwirbt.
  7. Anmerkung Reiners: Dieser Gewinnbrief ist nicht unter den Styrumer Archivalien, vielleicht war es der von uns bereits mitgeteilte Gewinnbrief von 1579, der schon früher eine Rolle gespielt hat.
  8. Anmerkung Reiners: Auch dieser Hofverkauf ist nicht zustande gekommen, erst 1789 bei der großen Versteigerung Strünkeder Besitzes ist der Hof von Schulte=Langfort angekauft worden.