Die Bauernhöfe an der Wiescherstraße (Reiners 1935)
Am 18. Mai 1935 wurde im Herner Anzeiger ein Artikel von Leo Reiners über die Bauernhöfe an der Wiescherstraße veröffentlicht. [1]
Die Bauernhöfe an der Wiescherstraße
Wiesmann Hernes ältestes Bauernhaus.— Koppenbergs und Sehrbruchs Beziehungen zum Reichshofverband Castrop.
Die Höfe der alten Herner Bauern lagen entweder einzeln verstreut oder— was für die meisten zutrifft — in Gruppen beieinander. Eine solche Gruppe bildeten auch die Bauernhöfe an der Wiescherstraße. Hier war scheinbar kein Bach der Grund für die Wahl des Siedlungsgeländes. Dafür haben der reiche Weidegrund, der sich heute noch von Wiesmann bis über die Düngelstraße hinüber und jenseits der Wiescherstraße durch das Sehrbruch (hinter der Flur „Sehrbruchskamp“) bis zum Ostbachtal erstreckt, sowie die Nähe des guten Lößbodens südlich der Siedlung auf dem höher gelegenen Gelände (Feldstraße und Weg nach Altenhöfen) zur Ansiedlung verlockt. Auch der uralte Verkehrsweg der Wiescherstraße mag dabei eine Rolle gespielt haben. Er war nämlich bis zum Jahre 1840 die „Landstraße nach Bochum“ und führte südlich der Herner Mark, eine Abzweigung (die jetzige Fortsetzung der Wiescherstraße) ins Dorf Hiltrop entsendend, über Grumme nach Bochum. Er verband den Hellweg mit der Lippestraße (diese führte von Xanten über Dorsten und Haltern nach Münster), wenn er auch nicht die Bedeutung der Parallelstraße hatte, die als „Gahlenscher Kohlenweg“ und heutige Dorstener Straße von Dorsten über Buer — Crange— Eickel nach Bochum führte. Erst 1840 ist an die Stelle der Wiescherstraße im Nord=Süd Verkehr (d. h. von Hattingen über Bochum— Herne — Recklinghausen— Haltern— Münster) die jetzige Bochumer Straße getreten.
Betrachten wir nun die Höfe im Einzelnen, so haben wir zunächst den Hof
Breilmann
Zwischen ihm und Koppenbergs Hof geht heute die Düngelstraße her, in deren Mitte die alte Grundstücksgrenze, die einst die beiden Höfe trennte, gefallen ist. Man sieht noch heute in den Wiesen nördlich der Straße die Böschungen, die einst den Breilmannschen Brandteich einfassten. Neben dem Teich stand ein (nach 1870 gebautes und in der Zeichnung punktiert wiedergegebenes) Backhaus. Das große Hofgebäude existiert leider nicht mehr. Es ist 1898 einem Brand zum Opfer gefallen. Als Ersatz entstanden die in Backstein errichteten heutigen Wohnhaus=, Stall= und Scheunengebäude an der Ecke der Düngel= und Wiescherstraße. Von dem alten Hof zeugt aber noch eine alte Holzscheune an der Düngelstraße. Sie ist in der Karte punktiert gezeichnet.
Nachweislich der Katasterunterlagen muss sie nach 1870 anstelle einer etwas südlicher platziert gewesenen Scheune entstanden sein. Das kann aber nur so erklärt werden, dass sie aus dem alten Material an der jetzigen Stelle neu errichtet wurde, denn das Aussehen, das Holzwerk und nicht zuletzt die Inschrift über dem Scheunentor erzählen von sehr hohem Alter. Die Anschrift, die sich auf dem Balken über dem westlichen Scheunentor befindet, lautet nämlich:
- „Wer ein und ausgeet durch die Thür der mus Gott danken für und für Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihm er wird es wohl machen.
- Johan Diederich Breilman Anna Margaretha Höltring Eheleute 1801 d. 24. Jun MRSM.“
Danach stammt wenigstens ein Teil des Materials der Scheune aus dem Jahre 1801. Das Zeichen MRSM bezeichnet offenbar den Zimmermeister (MR= Meister, SM = Siepmann oder ähnlich?), der die Scheune von 1801 erbaute.
Die Familie Breilmann hat ihren Namen von der Flur „In dem Breil“, die sich westlich des Hofes beiderseits der Düngelstraße erstreckt. Zum ersten Male ist die Familie mit Sicherheit in der Türkensteuerliste von 1542 als Breylmann erwähnt. Sie zahlte damals 1½ Goldgulden Steuer, ebenso viel wie z. B. Schulte=Sodingen. Es ist indes auch möglich, ja wahrscheinlich, dass mit dem 1486 im Märkischen Schatzbuch erwähnten Arnt Keylman ein Breylman gemeint ist, denn der Verfasser des Schatzbuches hat sich nachweislich bei der Niederschrift der Namen öfter verlesen und verschrieben. Aus der Feuerstättenliste von 1664 geht hervor, dass der Hof, der dort als Kotten, sonst aber als Hof und Gut verzeichnet ist, den Herren von Strünkede gehörte. Um 1800 gehörte er, wie die Scheuneninschrift besagt, den Eheleuten Johann Diederich Breilmann und Anna Margaretha Höltring. Johann Diederich war 1755 geboren und starb 1815. Seine Frau, die drei Jahre jünger war und die er 1784 geheiratet hatte, starb 1813. Sie hatte 7 Kinder, von denen das dritte, Johann Diederich Rötger (geb. 1790, gest. 1863), den Hof erbte. Er vermählte sich 1817 mit Anna Engel Cath. Westerwordt zu Baukau, die 1837 starb. Aus der Zeit des Sterbelagers besitzt die Familie Breilmann noch das damals von dem Gerichtsschreiber Baltz „in dem vorderen Zimmer linker Hand“ niedergeschriebene Testament der Eheleute. Sie hatten 8 Kinder, von denen das dritte, Georg Heinrich, 1856 den Hof als Eigentum übernahm. Dieser war mit Wilhelmine Jäger-Hülsmann aus Pöppinghausen vermählt, nahm auch später deren unverheiratete Schwester Lisette und deren verwitwete Mutter, eine geborene Schulte zu Sodingen, bei sich auf und musste einen Prozess, dessen Akten noch in der Familie vorhanden sind, gegen den rabiaten auf dem Hülsmannshof verbliebenen Schwager Friedrich Heinrich Jäger=Hülsmann führen. Von ihm ging der Hof auf Ludwig Breilmann, dann auf dessen Witwe, eine Emma geborene Kampmann, mit ihren 6 Kindern über, heute besitzt ihn Friedrich Breilmann. Aus einem alten Hypothekenschein geht hervor, dass der Hof jährlich an die erste lutherische Pastorat zu Herne 1 Scheffel Hafer alt Bochumer Maßes und an jeden der beiden lutherischen Küster 1 Brot und eine Stiege Roggengarben zu liefern hatte. Der Hof
Koppenberg
ist der Stammhof der Familie, den viele Herner irrtümlich nach Baukau verlegen. Der dortige Hof Koppenberg ist der ursprüngliche Petermanns Hof, den der Vater des Rechtsanwalts Koppenberg von einer Tante geerbt hat. Schon seit Jahrhunderten saßen die Koppenbergs auf dem Hofe an der Wiescherstraße. Dieser lag ursprünglich, wie die Karte zeigt, weiter von der jetzigen Düngelstraße entfernt. Sein Teich stand mit dem von Breilmann in Verbindung. Das Wohnhaus ist in der Zeit von 1823, wo die Katasteraufnahme erfolgte, bis zum Jahre 1870 verschwunden und durch das punktiert gezeichnete Gebäude an der jetzigen Düngelstraße ersetzt worden. Von diesem steht aber nur noch das westliche Ende, während der übrige Teil, der um 1900 abbrannte, durch neue Backsteingebäude ersetzt wurde. Im Jahre 1926 ging der Hof in den Besitz der Stadt Herne über und bildet jetzt den Wirtschaftshof des Städt. Altersheims.
Erhalten geblieben ist auch noch das (punktiert gezeichnete) Backhaus am ehemaligen Teich. Die Familie Koppenberg ist schon durch das Märkische Schatzbuch für das Jahr 1486 nachgewiesen. Damals sollte Henrik Koppelberg (dies muss die ursprüngliche Form des Namens gewesen sein, der von Koppel = Land, das mehreren gemeinsam gehörte [s. Koppelheide in Herne], herrührt) 1 Gulden Steuer zahlen, er zahlte aber aus Unvermögen nichts, so dass der Verfasser des Schatzbuches hinter der Veranlagungssumme vermerkte: Nil habet (er hat nichts). In der Türkensteuerliste von 1542 ist der Name Koppenberg seltsamerweise überhaupt nicht enthalten, während die Feuerstättenliste von 1664 mitteilt, dass der Hof Koppenberg ein Erbe sei, als dessen Grundherr S. Churfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg genannt wird. In der Tat war der Hof Koppenberg wie der „große“ Overkamp ein freier Hof, was Decker in seinem Heimatbuch Anlass gibt, ihn zu den durch Karl den Großen an fränkische Krieger verliehenen kleineren Reichshöfen zu zählen. Wie es sich wirklich verhält, ist aus Wiggermann „Die Reichshöfe Castrop und Frohlinde" (im Castrop=Rauxeler Heimatbuch zur 1100=Jahrfeier) zu entnehmen. Nach ihm zählte Koppenberg zu den von altersher freien Höfen, die (mit einer Reihe von nicht freien Höfen) den Hofesverband des Reichshofes Castrop bildeten. Nach der (von uns bei der Behandlung der ersten Erwähnung Vellwichs zitierten) Urkunde von 1019, in der ein Ehepaar Azo und Adzila den Herrenhof Castrop von der Abtei Deutz zu Nutzungsrecht erhielt, gehörten zum Reichshof Castrop 6 Höfe und 33 Unterhöfe. Eine Urkunde von 1520 nennt (nach Wiggermann) 9 Höfe, die allein freien Reichshofbauern gehörten, während die anderen in Pacht gegeben wurden. Unter diesen 9 zählt Wiggermann Tabe Overkamp, Bergelmann und Koppelmann (1809 als Coppenberg verbeutlicht) aus Herne auf. Wie aus einem Protokoll des Hofestages von 1809 hervorgeht, war Coppenberg damals Hobsgeschworener. Als Glieder des Reichshofverbandes waren die freien Hofesbesitzer nur dem Landesherrn und nicht etwa einem niederen Adel dienstbar. (Daher die Angabe der Feuerstättenliste, dass Koppenbergs und Overkamps Grundherr S. Churfürstliche Durchlaucht von Brandenburg sei.)
Aus der jüngeren Geschichte der Familie Koppenberg haben wir folgendes festgestellt:
Im 18. Jahrhundert heiratete ein Georg Schulte zu Sodingen auf den Hof. Aus dessen Ehe mit Anna Cath. Koppenberg (gest. 1792) entstammte der nachfolgende Besitzer, Johann Caspar Koppenberg. Eigentlich hätte er Schulte=Sodingen heißen müssen. Er war 1746 geboren und starb 1807. Im Jahre 1776 vermählte er sich mit Anna Elsa Pasmann von Stockum (gest. 1817). Dieses Paar hatte zwei Kinder, Johann Georg und Johann Wilhelm, während der Nachbar Sehrbruch zwei Töchter, Maria Elisabeth und Anna Catharina, hatte. Zwischen ihnen kam es zur Doppelheirat, der eine Eheberedung vom 3. Juni 1807 voraufging. Diese ist noch in den Grundakten des Grundbuchamtes vorhanden. „Ausweise des Gerichts Strünkede, diesen Hypothekenbuches sind das Coppenberg und Sehrbruchs Guth Uhralte Erbbesitzungen“, so heißt e in einer Koppenbergschen Eingabe von 1816. In der Eheberedung selbst wird festgelegt, daß die Witwe Koppenberg ihrem Sohne Georg (Jürgen) u. seiner Verlobten, der Elisabeth Sehrbruch, den Koppenbergs Hof übergibt, während die Eheleute Sehrbruch und die am elterlichen Hofe verbleibende einzige Tochter Anna Catharina sich verpflichten, den Wilhelm Koppenberg zum Besitzer des Sehrbruchs Hofes anzuerkennen und zwar auch dann, wenn Anna Catharina Sehrbruch vor der Heirat sterben sollte. Dafür wurde dem Wilhelm Koppenberg von seinem Bruder Georg ein Kapital von 400 Reichstaler, ein Stück Land in der Größe von 14 Scheffelse, auf der Voerde bei Nortmanns Ländereien gelegen, und eine einfache Ausrüstung, so wie die jetzige Braut von Sehrbruchs Hof erhält, zugesichert. In der Tat fand die Heirat des Georg Koppenberg mit Elisabeth Sehrbruch am 18. 6. 1807, die Heirat des Wilhelm Koppenberg mit Anna Caiharina Sehrbruch am 6. 3. 1808 statt. Die Koppenbergs auf Sehrbruchs Hof hießen seitdem Koppenberg genannt Sehrbruch (Aus ihr stammt Rechtsanwalt Koppenberg.) Der Georg Koppenberg auf dem Stammhof hatte 8 Kinder. Er starb aber bereits 1827, die Witwe heiratete zum zweiten Male und zwar einen Diederich Henrich Thomas aus Ückendorf, dem sie noch einen Sohn schenkte, der später auf Nüllmannshof bei Linden einheiratete. Von den 8 Kindern erster Ehe erhielt der zweitgeborene Sohn Wilhelm den Hof. Dieser war in erster Ehe mit einer Heiermann aus Horsthausen vermählt. Der Sohn Heinrich Wilhelm aus dieser Ehe, der eine Christine Hesse geheiratet hatte, war noch um die Jahrhundertwende Eigentümer des Hofes. Von dessen Sohne Friedrich kaufte ihn die Stadt, während Friedrich Koppenberg selbst sich einen neuen Hof in Bielefeld kaufte.
Der nächste Hof auf der westlichen Seite der Wiescherstraße ist
Wiesmann
Bei diesem haben wir es mit einem besonders wertvollen Hof zu tun, denn er stellt sich uns in seiner— wie wir sehen werden— sehr alten Schönheit vor.
Von den Gebäuden der Katasterkarte ist zwar das an der Straße und am Teich verschwunden, die Scheune zwischen Wohnhaus und Straße ist 1903 durch Brand zerstört und in Backsteinfachwerk neu errichtet, auch das Gebäude an der Wohnhausecke ist nicht mehr da, dafür aber steht das hohe schmale Fachwerk=Stallgebäude noch da (in der Photographie links), das parallel zum Wohnhaus punktiert gezeichnet ist, ebenso das (gleichfalls punktierte) Backhaus im Hintergelände, die beide zwischen 1870 und 1886 gebaut wurden. Das Schönste an dem sehr gepflegten und von der Wiescherstraße aus einen sehr gefälligen Eindruck machenden Gebäudekomplex ist aber das hier im Bilde wiedergegebene Wohnhaus. Eine Inschrift auf dem Deelenbalken lautet:
- „Wo Got zum Hausz nicht gibt sein Gunst, so arbiit jederman umb sonst. wo Got die Stadt nicht selbst bwacht (w klein übergeschrieben) so ist umbsonst der Wachter Macht. Henrich Wiszman Margreita Uhlenbruch den 16 Juni 1706“.
Hier haben wir also ein (auch durch die Altertümlichkeit der Sprache bestätigtes) Alter vor uns, dass unseres Wissens von keinem anderen Herner Bauernhofgebäude erreicht wird. Damit stellt sich uns Wiesmanns Bauernhaus das älteste des Stadtgebietes vor.
Es zählt rund 230 Jahre(!) und übertrifft damit das aus dem Jahre 1734 stammende Bauernhaus von Pantring in Pöppinghausen und das (ehemals) Hülsmannsche Fachwerkhaus an der Ecke der Rosenstraße und des Alten Marktes, das aus 1714 stammt.
Über die Geschichte der Familie Wiesmann ist leider nicht mehr allzu viel zu sagen, da alle Familienpapiere vernichtet sind. Der Name hängt offenbar mit der schon eingangs gekennzeichneter wiesenreicher Umgebung zusammen, der auch die Wiescherstraße (= Wiesenstraße) und die Flur „Wiescherfeld“ ihre Bezeichnung verdanken. Wiesmann war der Mann in der Wiese oder Wiesche. Darum ist auch sicherlich der im Märkischen Schatzbuch von 1486 genannte Herman oder der Lambert „up der Wyesch“ Inhaber dieses Hofes gewesen. Jeder von ihnen zahlte 6 Gulden Steuer, wovon 3 Gulden schon bezahlt waren. Diese 6 Gulden waren der Höchstsatz, wodurch der Wiesmanns Hof als besonders wohlhabend charakterisiert ist. Nach der Türkensteuerliste von 1542 zahlte „Wißman“ aber nur 1 Gulden, „Breylman“ dagegen 1½ und „Wosthoff“ 2. Die Feuerstättenliste von 1664, die einen Johan Wyßman aufzählt, verrät, dass der Hof dem Herrn von Strünkede gehörte. Als Enkel der in der Balkeninschrift genannten Eheleute Henrich Wiszman und Margreita Uhlenbruch haben wir den 1748 geborenen und 1826 verstorbenen Johann Georg Wiesmann festgestellt, der seit 1779 mit Maria Cath. Gülicker aus Börnig verheiratet war. Der erstgeborene Sohn Johann Henrich (geb. 1780, gest. 1827) übernahm später den Hof und heiratete Maria Cath. Althoff (gest. 1847). Als deren Enkel war zum Ausgang des vorigen Jahrhunderts Johann Heinrich Wiesmann Besitzer des Hofes, danach dessen Sohn Fritz Wiesmann und seit 1931 des letzteren Schwester Frl. Else Wiesmann.
Gehen wir jetzt zur anderen Straßenseite über, so haben wir den alten Hof
Sehrbruch,
von dem das Wohnhaus der Schmerfeldschen Mineralwasserfabrik noch ein Rest ist. Ursprünglich war der ganze Komplex — auch wohl einschließlich „Jöhe“ — Sehrbruchs Besitztum. Das Bauernhaus lag am hintersten Ende des Grundstücks, wurde aber in der Zeit von 1870—77 durch ein neues, in Fachwerk und teilweise mit Schieferbekleidung in der Nähe der Straße (punktiert gezeichnet) errichtetes ersetzt. Dieses brannte 1913 ab, wurde aber in dem erhalten gebliebenen Wohnteil wieder hergerichtet und mit einem Walmdach versehen. Seitdem gehört es Schmerfelds, die ihm ein schmuckes Aussehen zu erhalten bestrebt sind. Die dem alten Bauernhaus vorgelagerte Scheune und das hinter ihm gelegene Gebäude (anscheinend Backhaus) verschwanden mit ihm in der Zeit um 1880. Das neue Backhaus (neben dem Wege punktiert gezeichnet) ist nicht mehr vorhanden. Ferner ist verschwunden das alte Einliegerhaus an der Wiescherstraße. Es hat allerdings bis 1923 Bestand gehabt. Der einzige steinerne Zeuge des Sehrbruchschen Hofes, wie er bei der Katasteraufnahme 1823 war, ist das Einlegerhaus „Koester“. Der Zugangsweg zu ihm ist, seitdem der (in der Zeichnung allen enthaltene) alte Weg durch das neue Bauernhaus versperrt wurde, einige Schritte weiter südlich verlegt, so dass er heute in einem rechten Winkel die Wiescherstraße verlässt und um „Koester“ herum in einem wenig bekannten, aber hübschen Feldweg ins Grüne führt. Wir sprechen von Koester, weil um 1800 die Familie, die hier wohnte— Eigentümer war Sehrbruch—, den Namen „Koester am Sehrbruch“ führte. Es war Georg Koester (geb. 1748, gest. 1814), der seit 1776 mit Anna Maria Schlingermann verheiratet war. Von den 9 Kindern heiratete das älteste, Johann Georg (gest. 1850), eine Anna Louisa Vedder, diese hatten 11 Kinder. Das älteste war Heinrich Georg (gest. 1870), der im Jahre 1829 Helena Louisa Kortnack heiratete.
Die Familie Sehrbruch wird zum ersten Male in der Türkensteuerliste von 1542 genannt. Dort ist ein „Rutger im Seirbroicke“ aufgeführt, der 2½ Goldgulden Steuer bezahlen muss. Damit steht er höher als selbst Weusthoff und der „große“ Overkamp. Nach der Feuerstättenliste von 1664 ist allerdings sein Wohlstand wieder abgesunken. Das geht aus einem notariellen Vertrag vom 25. Juni 1700 hervor, der „in Fleigenschmidts Haus im Beysein der Jürgen Fleigenschmidt, Johann Feldmann und Heinrich Mumme“ geschlossen wurde und sich bei den Grundakten des Grundbuchamtes befindet. Danach bekannte Jürgen sehrbruch für sich, seine Ehefrau Margaretha Grüter und seine Erben, dass seine Mutter, Agnes Sehrbruch, „in hoher Not zur Rettung ihres guts in anno 1683, en 21. octobris, von Johann Overkamp genannt Behmer zu Vosnacken 120 Reichstaler geliehen und ihm dafür eine Malterse Säeland nächst Wismanns Bredde (die Flur „auf der Bredde“ schließt sich nach hinten an den Hof Wiesmann an) verpfändet habe. Im Jahre 1695 habe die Evangelisch=Lutherische Kirche zu Herne auf sein, Sehrbruchs, Begehren nicht nur die 120 Reichstaler an Behmer abgelöst, sondern ihm auch noch weitere 30 Reichstaler geliehen, so dass er jetzt der Kirchengemeinde 150 Reichstaler schulde. Er verspricht, jährlich auf Martini zu Händen der zeitlich Evangelisch=Lutherischen Kirchräte zu Herne die gebührende Pension (= Zinsen) mit 7 Rtlr 30 Sthr ohnweigerlich zu bezahlen und sein Erb, Hab und Güter, besonders die schon 1683 genannte Malterse Landes, dafür zu verpfänden. Diese Schuld bestand noch 1819, als sie ins Hypothekenbuch eingetragen wurde. Außerdem wurden damals als alte Lasten gerichtlich anerkannt: 1 Scheffel Hafer alt Bochumer Maßes an die 1. lutherische Pastorat zu Herne, 1 Scheffel Roggen und 1 Scheffel Gerste alt Bochumer Maßes an die lutherische Kirche daselbst, 1 Brot an den lutherischen Armenfonds und 2 Brote sowie 2 Stiegen Roggenbrot an den zeitlichen lutherischen Küster in Herne.
Schon bei der Behandlung des Koppenbergschen Hofes haben wir die in einer Eingabe gemachte Bemerkung erwähnt, dass auch Sehrbruchs Gut eine uralte Erbbesitzung sei. Sehrbruchs waren also auch freie Bauern und von keinem Grundherrn abhängig. In der Feuerstättenliste von 1664 wird das dadurch bestätigt, dass unter der Rubrik Grundherr „Erbgut“ steht. Der Erbe war damals Jorgen Sehrbruch, er „hat an dem rechten Wohnhaus zwei Feuerstetten, wie auch ein Leibzuchters Haus, in welchem der Sohn seine Wohnung hat". Wahrscheinlich hat auch Sehrbruch, bei dem im Gegensatz zu Overkamp und Koppenberg nicht der Landesherr unter der Rubrik Grundherr erwähnt ist, zum Hofesverband Castrop gehört. Bei Wiggermann steht zwar nichts davon, doch schreibt Dransfeld, der sich als zuverlässig erwiesen hat, in seiner 1875 erschienenen Schrift („Geschichte der evangelischen Gemeinde Herne“), Sehrbruchs Hof habe zum Hofe von Castrop gehört Wie die beiden Töchter der Eheleute Johann Diederich Sehrbruch (geb. 1748, gest. 1815) und Anna Maria Sudkamp (gest. 1821) die Brüder Koppenberg heirateten und so Wilhelm Koppenberg auf den Hof am, haben wir schon geschildert. Aus Wilhelm Koppenberg genannt Sehrbruchs Ehe mit Anna Catharina Sehrbruch entsprossen 4 Kinder, von denen das vierte, Georg Henrich Wilhelm (geb. 1816, gest. 1851), der im Kirchenbuch nur mehr den Namen Sehrbruch führt (erst später hat die Familie den Namen Koppenberg wiederherstellen lassen), den Hof übernahm. Er heiratete 1843 Cath. Elis. (auf den) Horsthöfen, während seine Schwester Christine sich mit H. Sudkamp auf Petermanns Hof in Baukau vermählte. Von den drei Kindern des Georg Heinrich Wilhelm, die sehr früh die Eltern verloren und ihre Jugend bei dem Onkel auf den Horsthöfen bzw. Hof Schalke verlebten, während der elterliche Hof verpachtet war, erhielt der Sohn Heinrich Wilhelm (geb. 1847 und später verheiratet mit Anna Maria Masthoff), der Vater des Rechtsanwalts Koppenberg, bei der Großjährigkeit den Sehrbruchshof, erbte aber auch von seiner kinderlos gebliebenen Tante, deren Mann sein Vormund gewesen war, den Petermanns Hof in Baukau. Er blieb auf diesem, erst später übernahm sein Sohn Heinrich den Sehrbruchshof und sein Sohn August den Petermanns Hof. Heinrich Koppenberg erbaute an der anderen Seite der Wiescherstraße gegenüber dem alten Besitztum den jetzigen neuen Hof Koppenberg (bzw. Sehrbruch). Sein Sohn Otto ist der Ortsbauernführer und leitet von dort den Mischwirtschaftsverband Herne—Wanne=Eickel.
Der nunmehr noch zu behandelnde Besitz ist
Jöhe.
Unter diesem Namen ist er indes kaum noch bekannt. Heute heißt er Beckmann. Jeder Friedhofbesucher kennt dieses alte Fachwerkhaus, das schräg zur Wiescherstraße steht und mit einer Hausecke fast bis an den Bordstein in die Straßenflucht vorspringt. Über Alter und Besitzverhältnisse gibt eine Inschrift auf dem Deelentorbalken Auskunft, die lautet:
- „Herman Jöhe und Anna Catbarina Sehrbruch Eheleute und Johan Henrich Schmit genant Sehrbruch Anno...? den 20 Junius Georg Externest Altmeister.
- Bauen und flanzen las euch nicht verdriesen denn euer Nachkommlinge werdens wol genießen.“
Die Jahreszahl ist leider gegenwärtig nicht zu entziffern, da die Schrift zu dick mit Teer überstrichen ist. Decker will 1804 gelesen haben. Wer sind nun diese drei: Jöhe, Sehrbruch und Schmit? Nach unseren Feststellungen heiratete am 25. 5. 1756 ein „Johan Rotgert Schmied zu Soedingen, des abgelebten Johan Hennerich Schmied zu Sodingen ehelicher Sohn, und Anna Catharina Serbruch des Johan Hennerich Serbruch eheliche Tochter“. Von diesem Ehepaar zeugt noch ein Brett, das sich innen über der Stalltür des Beckmannichen Hauses befindet und aus dem zu lesen steht:
- „Johan Rotger Schmitz zu Soinge Ano 1756 Den 7... Anna Catharina“
Danach stammt der Besitz wohl von Sehrbruchs, und ein Schmidt zu Sodingen heiratete darauf ein. Dieser starb aber und seine Witwe heiratete zum zweiten Male. Das Kirchenbuch enthält darüber folgende Copulationseintragung vom 10. 12. 1771: „Herman Jühe zu Westerfild, des Johan Herman Jühe und Anna Elisabeth Holthöfen zu Westerfild, Kirchspiels Mengede, ehelicher Sohn, mit Anna Catharina Serbruch des abgelebten Johan Rötger Schmied am Serbruch nachgelassener Witwe.“ Aus dieser Notiz gebt hervor, dass der zweite Mann der Anna Catharina Sehrbruch aus Westerfild bei Mengede stammte und der erster Mann zur Unterscheidung von Schmidt zu Sodingen (daß er daher stammte, bezeugt auch noch das Vorhandensein eines Pachtbriefes der Strünkeder an Schmidt zu Sodingen aus dem Jahre 1727 im Hause Beckmann) den Namen Schmidt am Sehrbruch erhalten hatte. Auch von der zweiten Ehe ist ein Erinnerungsstück im Hause Beckmann vorhanden: ein heute noch benutztes verziertes Waffeleisen mit der Inschrift: „Herman (d. i. Jöhe) und Anna Catrin Anno 1793“. Wenn nun der erste Mann der Anna Catharina Sehrbruch Johann Rötger hieß, wer ist dann der „Johan Henrich Schmit genant Sehrbruch“ in der Balkeninschrift? Es war wohl nicht der im Kirchenbuch unter anno 1757 eingetragene „Johan Hennerich Schmied, Fuselier beym Hochlödl. Salmutschen Regiment, des abgelebten Rötgers Schmied am Serbruch ehelicher Sohn“, der sich damals mit Engel Margareta Hesse aus den Altenhöfen verheiratete. Dieser könnte ein Vetter des bisher genannten Rötger Schmied zu Sodingen gewesen sein, des ersten Mannes der Anna Catharina Sehrbruch der später auch Schmied am Sehrbruch hieß. Da aber schon der Vater des Füseliers „Schmied am Sehrbruch" hieß muss diese Familie schon vorher hier bei Sehrbruch ansässig gewesen sein. Der „Jodan Henrich Schmit genant Sehrbruch" der Balkeninschrift ist u. E. der Sohn aus Anne Cathrina Sehrbruchs erster Ehe gewesen, der nach dem zu Lichtmess 1814 innerhalb viererzehn Tagen erfolgten Tode seiner Mutter und seines Stiefvaters das Anwesen übernahm. Aus einer Prozeßakte von 1890, die die Familie Beckmann noch besitzt und die eine Klage der Anna Cathrina Jöhe gegen ihren Stiefbruder Johann Heinrich Schmid betrifft, geht hervor, dass aus der ersten Ehe neben Johann Heinrich eine Cath. Elisabeth Schmidt, die 1784 einen Budde in Westerfild geheiratet hatte, und eine Anna Maria Schmidt, die mit einem Möller zu Heven vermählt war existierten. Aus der zweiten Ehe war eine Maria Catharina Jöhe vorhanden und mit einem Peter Kutte verheiratet, ferner ein Georg Jöhe in Westerfild und die unverheiratete Klägerin Anna Catharina Jöhe, damals Magd auf Haus Rechen.
Der Verklagte, Tagelöhner Johann Heinrich Schmidt, war verheiratet mit Elisabeth Catharina Bonnermann. Aus dieser Ehe entsprossen zwei Töchter, von denen Anna Catharine den Böttcher Died. Henrich Arnold Beckmann gt. Flache heiratete, der 1889 starb. (Die Beckmanns stammten aus Höntrop und waren 1797 auf den Flasche Kotten in der Rosenstraße, jetzt Adolphen. eingeheiratet. Auch aus dieser Ehe entsprossen zwei Kinder. Der Sohn Heinrich (geb. 1841) ist der Vater des jetzigen Besitzers August Beckmann gt. Flasche.
Zum Schluß bleiben noch zwei Häuschen an der Wiescherstraße zu erwähnen die auch schon vor 1886, also vor 50 Jahren entstanden. Es sind das einstöckige Backsteingebäude neben dem Städt. Altersheim, das ein Einliegerhaus des Hofes Wiesmann war (1922 an Krehmer, von diesem 1927 an die Stadt Herne verkauft), und des Haus an der Ecke der Schillerstraße. Diese war, wie die Zeichnung zeigt, ein alter Weg, der den Namen „Weg nach Sodingen“ führte. Das zuerst einstöckige Häuschen gehörte dem Schneidermeister Heinrich Wietelmann, 1917 ging es auf Lehrer Masthoff über, dessen Frau eine geborene Wietelmann ist. Inzwischen war es aufgestockt worden.
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