Das Zehntrecht der Gysenberger. Reiners 1936

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Dr. Leo Reiners veröffentlichte folgenden Artikel am 12. September 1936 im Herner Anzeiger.

Das Zehntrecht der Gysenberger

Jahrhundertelang ausgeübt. - Eine eigene Zehntscheune. - Ablösung im Jahre 1843 für rd. 24 000 Mark.

Der Hiltroper Frucht= und Garbenzehnt.

Der Zehnt ist eine Abgabe, die nicht nur im Mittelalter eine große Bedeutung gehabt haben, sondern sogar noch bis ins 19. Jahrhundert erhoben wurde. Sie betraf den zehnten Teil des Rohertrages der Wirtschaft und erstreckte sich entweder auf alle landwirtschaftlichen oder gewerblichen Erträgnisse oder auf bestimmte Arten von ihnen. Im Archiv des Hauses Düngelen finden wir z. b. aus der Zeit um 1500[1] vermerkt an adeligen Einnahmen: „uthe einem gude to Adner, geheiten de Rodenbecke, twee schillinge, ein scheppel weites, eine goeß, ein hoen, ein penning und vorth (= ferner) uth demselven gude dat teinde kalf, dat teinde lamm, dat teinde imme (Biene) und einen boten plasses.

Soweit hier neben den anderen Abgaben, der Zehnt in Frage kommt, handelt es sich also, abgesehen von Flachs, um Abgaben an Tieren, den sogenannten Blutzehnt. Häufiger war der sogenannte Feldzehnt, der hauptsächlich von Getreide erhoben wurde.

Der Zehnt als Abgabe und Abgabebemessung geht bis ins Altertum zurück. So ist er z. b. aus dem Alten Testament als Tempelabgabe bekannt (Lev. 27, 30ff.[2]), worauf sich später der Kirchenzehnt der christlichen Kirche, der im Abendland im 5. Jahrhundert als üblich und dem 6. Jahrhundert als kirchliche Vorschrift nachgewiesen ist, stützte. Die erste kirchliche Anmahnung zur Zehntentrichtung im Abendlande (fränkisches Reich) stammt aus dem Jahre 567. In ihr ermahnen die Bischöfe die Gläubigen, sie möchten „Abrahae documenta sequentes decimas ex omni facultate Deo offere“ (Abrahams Beispielen folgend, den Zehnten aus jedem Vorrat Gott opfert). Neben dem Kirchenzehnt bestand schon seit der Römerzeit die weltliche (privat= und öffentlich=rechtliche) Zehntpflicht. Karl der Große verschmolz beide Arten insofern miteinander, als er die Zehntleistung in die Kirche zur staatlich geforderten und staatlich erzwingbaren Pflicht machte. Da der Zehnt später wie Grundbesitz, Gerichtsbarkeit u.s.w. Gegenstand der Belehnung, Verpfändung und dergleichen wurde, kamen auch kirchliche Zehnte in Laien Hände. Rückschauend ist es oft nicht mehr möglich, zu sagen, ob ein bestimmter örtlicher Zehnt kirchlichen oder weltlichen Ursprungs gewesen ist.

In der Geschichte unserer Herner Heimat ist bisher von Zehnten so gut, wie nichts bekannt gewesen. Im Jahre 1482 wird einmal erwähnt, dass in der Herrlichkeit und das hohe Gericht der Herrschaft Strünkede der „Zehende zu Overn=Castrop“ gehören, weiter ist bekannt, dass die Grafen von Limburg den Zehnten zu Pöppinghausen besaßen, der nach den ältesten, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Hypothekenbuch des Gerichts Strünkede später ein Lehen an die Herren von Strünkede gewesen ist, aber mehr wusste[3].

Nun haben aber wohl die Gysenberger ein Zehntrecht und zwar in Hiltrop und Bergen gehabt. Woher es seinen Ursprung hat, lässt sich nicht sagen, da darüber noch nichts gefunden worden ist, wo steht fest, dass sie es jahrhundertelang besessen und ausgeübt haben. So wird 1841 festgestellt, dass „das in der Gemeinde Giesenberg, Bürgermeisterei Castrop, Kreises Dortmund gelegene Rittergut Giesenberg seit Jahrhunderten das Recht, in dem angrenzenden Hiltroper Felde den Frucht= und Garbenzehnten auszunehmen, ausgeübt“ habe. Es handelt sich also um einen Frucht= und Garbenzehnt, der sich auf die Zehnte Garbe und den zehnten Teil der sonstigen Früchte erstreckte.

Im unterlagen alle Fruchtgattungen mit Ausnahme von Klee, Rüben und Flachs. Der Besitzer des Hauses Gysenberg hat eine besondere „Zehntscheune“, die in die Zehntabgaben eingebracht wurden.

Nachdem die Westerholter den Gysenberg Besitz mitsamt Wappen und Namen im Jahre 1725 geerbt hatten, erhoben die Grafen von Westerholt=Gysenberg den Hiltroper Zehnt. Im Jahre 1836 haben sie ihn verkauft. Der Reichs= und Burggraf Wilhelm zu Westerholt=Gysenberg schloss am 17.12.1836 in Bochum einen notariellen Vertrag ab, durch den er das Zehntrecht an den Landrichter Bölling[4], den „Communalempfänger“ Ostermann[5] und den Gastwirt Falkenberg[6], alle drei zu Bochum, für 6200 Taler verkaufte. Da aber damals die Ablösung solche Abgaben durch Gesetz angestrebt wurden, beantragten die drei Ankäufer am 24.11.1837 bei der „Kgl. Generalkommission zur Regulierung der Gutsherrlich=bäuerlichen Verhältnisse und der Gemeinheitsteilung in Westfalen pp“ zu Münster die Verwandlung dieses Naturalzehnts in eine jährliche fixe Geldrente bzw. Ablösung. Am 14.07.1841 wurde, nachdem alle Vorarbeiten erledigt waren, der Ablöserezess von den Beteiligten unterschrieben und ab 18.07.1843 von der Generalkommission bestätigt.

Aus dem doch vorhanden Ablöserezess, aus dem auch die obigen Angaben über Alter und Ausmaß dieses Zehnten entnommen sind, ergibt sich, dass die Zehntpflicht nicht auf Familien, sondern auf Grundstücke lastete. Da z.b. Masthoff in Altenhöfen ein Grundstück im sogenannten Wolfsthal (der Schlucht zwischen Bergen und dem Constantiner Wald, durch den jetzt die Zechenbahn von der Vödestraße aus in das Zechengelände eingeführt wird) besaß, war er als einziger Herner den Gysenberger Zehntpflichtig und demgemäß auch an der Zehntablösung beteiligt. Wie aus dem Ablöserezess hervorgeht, Unterlagen dem Hiltroper Frucht= und Garbenzehnt an das Haus Gysenberg: Schrage, Bussmann, Siepmann, Trösken, Kaldewey, Höltring, Schulte im Güstenberg, Dietrichs zu Bergen, Möllenhoff, Masthoff, Drenkmann, Höper und Springkämper. Es handelte sich also durchweg um Hiltroper. Der größe Teil der zehntpflichtigen Grundstücke, so heißt es auch im Ablöserezess, liegt in der Gemeinde Hiltrop, Bürgermeisterei Herne des Kreises Bochum, nur wenige in den Gemeinden Berge und Grumme der Bürgermeisterei Bochum. Die gesamte zehntpflichtige Fläche betrug 390 Morgen 123 Ruten 29 Fuß. Pro Morgen wurden (an Wert des Zehnten) 22 Silbergroschen 6 Pfg., zusammen 293 Taler 5 Pfg. berechnet. Dieser jährliche Zehntertrag ergab (als 4%ige Rente eines Kapitals berechnet) einschließlich dreijährige Rückstände 7965 Taler 23 Groschen Ablösekapital. Die drei Ankäufer Bölling, Ostermann und Falkenberg, die 6200 Taler für das Zehntrecht gegeben hatten, hatten also ein gutes Geschäft gemacht. Der Betrag von 7965 Talern wurde nach Größe ihrer zehntpflichtigen Grundstücke auf die einzelnen Beteiligten umgelegt. So hatte Wilhelm Masthoff 3 Taler 22 Gr. (einschließlich 12 Groschen Rückstände) zu zahlen. Er kam also noch recht billig davon. Außerdem wurde in die Zahlung des Betrages in zwei Raten gestattet.

Dr. Leo Reiners


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Quellen

  1. Vtl.: U 104u / Haus Bladenhorst (Dep.) / Urkunden, Nr. 42 vom 21.02.1530
  2. www.die-bibel.de
  3. Hier ist im Originaltext der zeitung ein unvollendeter Satz
  4. Moritz Hermann Adolf Bölling (1766-1844). Vgl.: www.heidermanns.net
  5. Albert Wilhelm Moritz Ostermann (1798-1865)
  6. Moritz Falkenberg