Das Bauerhaus und sein Hausrat (Hartmann 1921) Gestaltung a: Technik

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Bauernhaus und sein Hausrat (Hartmann 1921)
Seite 32 - 37

Gestaltung der dortigen Bauernhäuser. a.) Bautechnik.

Die Zusammensetzung der Erdrinde war mit für die natürliche Entwickelung der Bauweise bestimmend. Unser Gebiet ist von einer durchschnittlich 1-2 m mächtigen, alluvialen Schicht bedeckt. Darunter abgelagert finden sich durchweg diluviale Lehmschichten, die hier und da noch mit lockeren Sandmassen durchsetzt sind. In diesem Sande gibt es abgeschliffene Quarze, Kieslinge genannt, deren Ursprung auf die Eiszeit zurückgeführt wird. Vorwiegend werden die Kieslinge nördlich unserer Gegend, besonders in den diluvialen Sanden der Hardt gefunden, wo sie für die Auslegung von Dielen und Küchen gefördert werden. Das stellenweise mit kompakten Tonschichten durchzogene Diluvium unseres Gebietes ist 6-7 m dick. Darunter lagern festere Mergelschichten, aus durchweg tonigen, aber auch stellenweise bereits sandigen Bestandteilen. Die Dicke dieser Schicht nimmt in der Linie von Altenbochum -5 km südlich von Herne nach Recklinghausen-Süd erheblich zu. Während durch die Aufschlüsse in den Bochumer Tiefbauschächten eine Dicke von 70 m festgestellt wurde, beträgt diese am Nordrande unseres Gebietes bereits 300 m. Dieser Umstand erklärt sich aus der Bildung der Mergelablagerung. Es soll vorausgeschickt werden, dass der Mergel direkt auf dem Kohlengebirge in konkordanter Form aufgelagert ist, während das Kohlengebirge selbst unter ihm in diskordanten Schichten, an allen Stellen des Ruhrgebietes und daher auch bei uns, aufgeschlossen wurde. Diese Tatsache findet Ihre Erklärung durch die Art, wie die Ablagerung entstand. Das ältere Kohlengebirge wurde an der Oberfläche bis zu einer im Süden des in Frage kommenden Bezirkes verlaufenden Grenze durch häufige, Abrasionen herbeiführende, Überflutungen geglättet und in diesen Abrasionsgebieten gelangten die Mergelmassen zur Ablagerung.

In dem Kohlengebirge finden sich abwechselnd 80 Flöze mit ihren verschiedenen Nebengesteinen, Tonschiefern, sandigen Schiefern, Sandsteinen und Konglomeraten. Ausser der wertvollen Kohle sind für die Bautechnik insbesondere die Schiefertone, sowie die festen Sandsteinbänke von Wichtigkeit. Während man die Schiefertone zu Ziegelsteinen verarbeitet, finden die besten Sandsteine als Bausteine Verwendung. So findet sich also heute in unserm Gebiet Bausteinmaterial in genügenden Mengen. Bevor man die Mergelschichten durchteuft hatte, war man für die Bruchsteingewinnung auf das südlich der Mergelablagerung gelegene Kohlengebiet, das in der Ruhrgegend frei zu Tage austritt, angewiesen. Wegen der schwierigen Beschaffung der Bruchsteine konnten früher in der Hauptsache also nur die Fundamente in Massivmauerwerk ausgeführt werden, während der ganze Oberbau in Lehmstakwerk und die Gefache aus Eichenholz, das ja in der das Gebiet durchziehenden Emscherniederung in Fülle vorhanden war, errichtet wurde.

Im südlich gelegenen Sauerlande, wo aus dem Bergland die Bruchsteine leicht zu beschaffen waren, sind außer den Fundamenten auch die unteren Geschosse massiv, und nur das obere Stockwerk besteht aus Fachwerk. Die ältesten der für die Bruchsteingewinnung in Angriff genommenen Sandsteinbrüche befinden sich an der Peripherie des Herner Bezirkes, in der Gegend von Altenbochum. Als man später dazu überging, die anfänglich mit Lehmmörtel aufgeführten Bruchsteinfundamente mit Kalkzusatz zu binden, stieß man auf Schwierigkeiten, weil dieser Baustoff in unserer Gegend fehlte und nur aus dem südlich des Ruhrkohlengebietes gelegenen Devon zu gewinnen war. Die nächsten Kalksteinbrüche lagen in der Gegend von Letmathe, Iserlohn und Schwerte, wo ihre Ausbeutung auch heute noch betrieben wird. Zum Kalkbrennen benutzte man in jener Zeit lieber Holz als Kohlen. Den so gewonnenen Holzkalk nannte man "mit Holte gebrannter Kalk". Der zu den Fundamenten verwandte Ruhrkohlensandstein ist ein harter, schwer zu verarbeitender Stein von blaugrauer Farbe. Für unser Gelände werden vornehmlich die Lager bei Altenbochum und im Ardey bei Witten ausgebeutet. Zu feineren Steinmetzarbeiten eignete sich dieses Material nicht besonders. Man musste sich mit ihm auf einfache Profilierungen und einfache Bildhauerarbeiten beschränken, wie das die Abbildungen XLVIII/1 & 2 dartun.

Zur Herstellung künstlicher Steine boten die Tonlager der diluvialen Lehmschichten reichen Vorrat. Damit hat man bei uns hauptsächlich aber erst dann begonnen, als man das althergebrachte und allgemein eingeführte Lehmstakwerk, das infolge der geringen Last der Stakenfüllung wesentlich zur Erhöhung der Standsicherheit des Gebäudes, insbesondere der Giebelwände beitrug, nicht mehr verwenden konnte, weil geeignete Stakhölzer nicht mehr vorhanden waren. So wählte der Bauer bei notwendigen Ausbesserungen oder bei Erweiterungen der Gebäude statt des Holz- und Füllungswerkes die Ziegelsteinausmauerung. Man verließ damit einen Werkstoff dessen Vorteile in der leichten Herstellbarkeit und in der Wärmehaltenden, der Kälte wehrenden Dichtung bestanden. Was nun die Ausfüllung der Gefache mit Lehmstakwerk betrifft, so erfolgte diese nach Art der in vorgeschichtlicher Zeit gebräuchlichen Gebäude und Hürdeneinrichtung, wobei die senkrechte Ausstäbung, die sogenannten Ribbelhölzer aus etwa 1"[1] dicken Knüppelhölzern bestehen, die zwischen 2 mit Rillen versehenen Querriegeln eingekeilt, in horizontaler Richtung mit 1-1,5 cm starken Haselnussruten durchflochten sind. Die Ribbelhölzer stehen in Abständen von ca. 30 cm. Das auf diese Weise hergestellte Geflecht wurde, beiderseits mit Strohlehm bis zur Bündigkeit mit dem Gefach beworfen, an der Oberfläche glatt gestrichen, der Bewurf sodann äußerlich durch Einkratzen von kreuzweise laufenden Linien aufgeraut und überkälkt. Die Abmessung der das Lehmstakwerk ablösenden Backsteine stimmte wie ich feststellte, mit dem heute geltenden Reichsformat nicht überein, auch unter sich weichen sie darin von einander ab. So traf ich bei einem Bauernhause in Altenhöfen das Format 25/12/5 cm und beim Hause Giesenberg ein solches von 28/13,5/6,5 cm.

Der Ton hat blass rote Farbe. Die das Strohdach verdrängenden Hohlziegel haben eine Länge von 42 cm, eine Bogensehne von 20 und einen Stich von 4 cm. Sie wurden hauptsächlich aus der bei Herne belegenen Gemarkung Pöppinghausen bezogen, wo noch vor einigen Jahren eine Dachziegelfabrik in Betrieb war, die aber im Gegensatz zu der dort in früherer Zeit üblichen Handstrichfabrikation, maschinelle Produktionseinrichtungen besaß. Die Dicke der Hohlziegel beträgt 1,3 cm. Der Brand erscheint hellrot. Die Firste weisen keine Ziegel auf, sie sind vielmehr mit Haarkalkmörtel verstrichen. Der zum Mauern der Fundationen verwandte Sand wurde an vielen Stellen um Herne gewonnen und zwar in eigens zu diesem Zwecke angelegten Sandgruben. Das Material ist mittelfein und eignet sich sehr gut zum Mauern. Über die übliche Mörtelmischung gibt nachstehende, aus dem Laboratorium der Zeche Friedrich der Große stammende Analyse Aufschluss:

Kieselsäure 61,33 %
-Kalk (CaO) 21,20 % (16,24 % nicht an CO₂ gebunden)
Eisen und Tonerde 6,52 %
(Fe₂O₃ + AC₂O₃)

Das Mischungsverhältnis war somit 1:3. Der Mörtel entstammt dem in Oberkastrop belegenen Hause Callenberg. Die zum Bau der für uns in Betracht kommenden Fachwerkhäuser erforderlichen Hölzer wurden zumeist in der Herner-Mark, jener alten Holzmark gewonnen, wo einst ein reicher Holzbestand an Eichen sich erstreckte, der auf der Ostseite Hernes beginnend, sich durch Sodingen südlich bis in die Grumme und westlich bis an die Riemker Grenze hinzog und nur wenig durch Äcker oder Weideland unterbrochen war. Heute ist dieser Hochwald auf einen schmalen Streifen beschränkt, auf dem das steil ansteigende und hügelige Gelände die Anwendung der Pflugschar nicht gestattet. Aber auch diese Waldung würde infolge der hohen Holzpreise immer mehr gelichtet werden, wenn nicht volksgesundheitliche Bestrebungen das verhinderten. Als nach dem 30jährigen Kriege die Entwaldung das Land in ähnlicher Weise verödete, wurden Regierungsverfügungen erlassen, zuletzt 1691, wonach jedes junge Ehepaar gezwungen war, zum mindesten 6 Obstbäume und 6 Eichen an einem passenden Orte zu pflanzen. Wenn man bei uns zulande bei den Gehöften heute kleine Obstgärten und Kränze alter Eichen erblickt, so erinnern diese Anpflanzungen wohl an jene Art altpreussischer Volkserziehung, die in solchen Verfügungen sich kund tat.

Am 9. April 1781 wurden diese indessen aufgehoben. Man nahm jetzt an, ihr Zweck sei erreicht und werde sich fortan ohne Zwang erfüllen. ...

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