Aus Hernes kirchlicher Vergangenheit - Was die reformierten und die lutherischen Kirchenbücher erzählen

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 12. August 1937 veröffentlichte Leo Reiners im Herner Anzeiger einen weiteren Artikel seiner Forschungen, hier „Aus Hernes kirchlicher Vergangenheit„. [1]

Aus Hernes kirchlicher Vergangenheit

Was die reformierten und die lutherischen Kirchenbücher erzählen.

In der Festschrift zum 75jährigen Bestehen der St.-Bonifatius Gemeinde ist versucht worden, „den Spuren wiedererwachenden katholischen Glaubens in Herne nach der Einführung des lutherischen Bekenntnisses nachzugehen". Dabei wird behauptet, schriftliche Aufzeichnungen aus dem 17. Jahrhundert, die uns über die Anwesenheit von Katholiken im Herner Kirchspiel Aufschluss geben könnten, seien nicht vorhanden. Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts seien wieder Katholiken in Herne nachweisbar. Diese hätten zur Missionspfarrei Eickel gehört. Daher wird anhand der Kirchenbücher von Eickel versucht, die ersten katholischen Bewohner des Kirchspiels Herne in nachreformatorischer Zeit aufzuspüren. Wir haben schon bei der Besprechung der Festschrift gesagt, dass man sich hier der unrechten Quelle bedient habe. Hätte man nämlich die Kirchenbücher der Herner lutherischen wie der reformierten Gemeinde zu Rate zogen, so wäre man zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. Es sei daher zur Förderung der Herner Heimat- und Kirchengeschichtsforschung, die mit konfessioneller Interessenpolitik nichts zu tun hat, eine Aufzählung der Katholiken gegeben, die im 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts festzustellen sind. Dabei wird sich zeigen, dass damals überhaupt noch keine kirchenpolitische Beziehung der Katholiken in Herne zur Pfarrei Eickel vorhanden gewesen ist.

Erste Eintragungen im reformierten Kirchenbuch

Wir beginnen mit den Kirchenbüchern der reformierten Gemeinde, die ab September 1686 geführt sind. Hier finden wir die erste Bemerkung über einen Katholiken im Jahre 1688 (25. 7.), wo ein „Johannes Derfeld von Ketwich im Brandenburgischen, gegen dem Neüenburgischen gelegen, seines handwerks ein schneyder, zur Zeit aber Diener bey dem Fh. von der Horst, damahl ohngefär 21 Jahre alt“ zum reformierten Bekenntnis übertritt. Er „war zwar von Papistischen Eltern geboren, hatte sich aber eine Zeitlang in unseren Reformierten Religion alhier lassen informieren“. Am 14. August des gleichen Jahres hatte die junge reformierte Gemeinde zum ersten Male einen Toten, das 1½ Jahre alte Töchterlein Gertrud Elisabeth von Hülsmann in Pöppinghausen, das auf dem Hernischen Kirchhof „in beysein vieler männeren und weivern von allen 3 Religionen (d. s. Katholiken, Lutherische und Reformierte), frey und ungehindert nach vorhergegangenem gewöhnlichem geleüth zur erden" bestattet wurde. Erst 1698 folgen weitere Erwähnungen von Katholiken. Am 21. September war als neuer Schloss Prediger Joh. Chr. Loers von Duisburg nach Strünkede gekommen. Am 25. Oktober hielt er „Communion". „Dabey sind das erste mahl zu uns getreten von den Catholischen Anna Elisabeth Hasselmans von olffen...“ Am 25. März 1699 wird wiederum „das abendmahl außgetheilet, und haben sich dabey... Wilhelm Kentrop(er stammte als dem Kirchspiel Nottuln und hatte am 30. 11. 1698 Margarethe Hinderfels, Witwe zu Pöppinghausen, geheiratet), der möller Weishoff von Zurich und margareth pots von den päbstischen zu uns gewendet“. Auf Pfingsten(7. Juni) 1699 wurde wieder Communion gehalten „und sind dabey 1. Weidkemper von pöppinghausen und 2. Spilners frau, die noch papistisch waren, zugelassen worden.“ (Spilner war der reformierte Schullehrer und Organist.) Im Jahre 1700 vermerkt das Kirchenbuch am 11. April: „das abendmahl außgetheilet und haben sich der alte Herentrey und Wilhelm Köster, der erste catholisch der andere lutherisch zu uns gekehret". Am 3. Oktober 1700 wird der Übertritt von Henrich Neuholtz, der katholisch war, zum reformierten Bekenntnis vermerkt, (am 7. November die Heirat der 1699 genannten Margarethe Pots mit Henrich Schulte zu Sodingen). Bei der Kommunion am 3. April 1701 hat das reformierte Glaubensbekenntnis abgelegt Ditmar Wormland itzt Flaschen, der „papistisch“ war. Am 7. Oktober 1703 heiratet die 1698 genannte Anna Elisabeth Hasselmann vor der reformierten Gemeinde den Strünkeder Gärtner Henrich Neuholt, der offenbar mit dem 1700 übergetretenen Henrich Neuholtz identisch ist. Weihnachten 1703 ist unter denen, die das reformierte Glaubensbekenntnis ablegen und zur Communion zugelassen werden, Margareth Lammers „auß dem Pabsthum". Diese wird am 25. 1. 1704 in der Schlosskapelle mit Caspar Cleff, bürtig von Schwelm copuliert, wobei erwähnt wird, dass (Anna) Margar. Lammers von Olfen gebürtig sei. Bei der Ausspendung des Abendmahls am 24. Februar desselben Jahres legt Henrich Hegman „auß dem Pabsthum“ das Glaubensbekenntnis ab und wird zugelassen. Am 1. März heißt es von diesem. „Henrich Hegemann auß hiesigem gericht bürtig U(nd) Elisabeth Spirlings außm gericht Castrop, offentl. i. d. stand der h. Ehe eingesegnet.“ Am 24. 3. 1706 erfährt man auch, wer der vorher genannte Caspar Cleff war, denn an diesem Tage wird „Caspar Clef pfannenbecker zur Dorneburgh sein madgen getauft.“ Die nächste Erwähnung eines Katholiken finden wir 1716[2]. Auf Ostern hat „Hendrich von der Wefelbeck, olim papistischer Religion“ das reform. Glaubensbekenntnis abgelegt und ist zum Abendmahl zugelassen worden. (Dieser Hrch. Wefelbeck hatte am 20. 3. 1713 Anna Maria Dux geheiratet. Er ist im Alter von 84 Jahren 1766 gestorben. Nach der Sterbeeintragung war er „des hiesigen Dorfs Schweinehirte" und war aus „Lüegtern (= Löchter) bey Buhr“ gebürtig.) Viele Jahre hindurch wird dann kein Katholik mehr erwähnt. Erst „Anno 1749 ist ein frantzösischer sprachmeister ex Ecclesia papana zu uns übergetreten nahmens Mantalier de Rochefort, hat sich in der reinen Glaubenslehr hieselbst unterweisen lassen, seine Bekandtnüß vor dem Consistorio abgelegt, und hat darauff am hl. Christage mit uns Communiciret, ist mit einem Kirchenzeugnüß nach Dortmund, allwo er sich 6 Jahr auffgehalten, und einen hertzlichen segenswunsch zum wachsthum in der gnade und erkandtnüß unseres H. Jesu Christi erlassen".

Diese Eintragungen des reformierten Kirchenbuches beweisen, dass in besonderer Weise Bedienstete des Hauses Strünkede (Mägde, Müller, Gärtner, Schullehrersfrau, Sprachmeister), die aus katholischen Gegenden stammten, zum reformierten Bekenntnis übergetreten sind.

Wenn es sich auch in den Auszügen aus den reformierten Kirchenbüchern zumeist um nach hier verschlagene Einzelpersonen handelt - andere sind auch ortsansässig oder werden es - so geben die lutherischen Kirchenbücher doch Aufschluss über katholische Mitglieder in alteingesessenen Kirchspielfamilien. Der erste Katholik, den die lutherischen Kirchenbücher nennen, ist Johann Drevermann, der 1709 begraben wurde und von dem es heißt: „anfangs papistisch, hernach aber lutherisch worden". (Sein gleichnamiger Sohn war Schweinehirte - „hiesiger Schween“ (1708) - in Herne, wahrscheinlich der Vorgänger von Wefelbeck.) Johann Drevermann war - was Taufpateneintragungen nahelegen - offenbar ein Sohn der Familie Oberdrevermann in Grumme. Der erste nicht zu einem anderen Bekenntnis übergetretene Katholik (es wird auch andere gegeben haben, die aber in den reformierten und lutherischen Kirchenbüchern deshalb nicht erscheinen) wird 1716 (6. 1.) erwähnt. Es ist „Schulten zu Sodingen Knecht welcher pontif. rel. und Vom baum erschlagen“, er wurde „nach Castrop gebracht davon mir Dionis. Nöte die Jura gebracht und weil selbiger arm habe es geringer vor 20 st. gelassen". Diese Eintragung ist besonders aufschlussreich, denn aus ihr geht hervor, dass der im Kirchspiel Herne tödlich verunglückte katholische Knecht nach Castrop (nicht nach Eickel) gebracht wurde, dass aber dem Herner evangelischen Pastor das Beerdigungsrecht und damit die Gebühr zustand. Scheinbar handelt es sich bei dem Toten um einen Verwandten des Dionysius Nöthe, der übrigens Schäfer zu Strünkede und in erster Ehe (1702—09) mit einer Elisabeth Jäger aus Altenhöfen verheiratet war. (In dem Vornamen Dionysius wirkt sicherlich das Patronat des hl. Dionysius über die Herner Kirche nach.) Eine ähnliche rechtliche Zuständigkeit behandelt eine Eintragung von 1717, die lautet: „d. 24 jan hat der Rom. pastor zu Castrop Casparus Krumme et Margaretha Büchte copulieret, hat sich bey mir müssen abfinden für 45 st.“ Caspar Krumme wohnte in Altenhöfen, seine Kinder sind in Herne lutherisch getauft worden. Wahrscheinlich war er wie seine Braut, eine Büchte aus Holthausen, ursprünglich katholisch. Die Heirat fand auch vor dem katholischen Pfarrer in Castrop statt, eine Gebühr von 45 Stübern stand aber dem lutherischen Pfarrer in Herne zu. Sehr bemerkenswert ist auch eine Eintragung von 1719. Sie lautet: „d. 8 aug. der papiermacher zu Sodingen Johannes Riegerman aet(atis) 40 alhir Von mir begraben. Serm. Sep. David 10 Gott hat die främbden lieb. Textus Ps. 39. NB. fuit pontif. rel. die frau reformatae, und abgleich einige sich eingebildet, Er solte a Ref. begraben werden, habe Ich doch solches praecaviret und ist ordentlich hergangen.“ Der Sodinger Papiermacher - übrigens der älteste nachweisbare - war also katholisch. Für seine Beerdigung zuständig war der lutherische Pastor von Herne, - die Sodinger Papiermühle (heute Mühle von Widua) gehörte noch zum Herner Kirchspiel -, aber da seine Frau reformiert war, rechnete man damit, dass der reformierte Pastor die Beerdigung vornehmen würde. Mit einem gewissen Gefühl des Triumphes stellt der lutherische Pastor fest, dass trotzdem die Beerdigung durch ihn vorgenommen worden sei und dabei - was öfter vorgekommen ist - keinerlei Störungen und Streitigkeiten vorgefallen seien.

(Schluß folgt.) Dr. L. Reiners.

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Quellen

  1. https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/21238061Vgl. Online Quelle auf Zeitpunkt.NRW f.
  2. Anm: Reiners: Aus dem Jahre 1709 dürfte, nicht zuletzt wegen der adligen Gevatterschaft, die Taufe eines Juden von Interesse sein. Die Eintragung darüber lautet: „Anno 1709 d. 6. oct. habe einen Juden nahmens Gerson getauft. Gevattern sein gewesen die Fraülein Josina von Strünckede, die Freyfrau von Strünckede, die Fraülein Sybilla von Strünckede, die Frau von Asbeck zum Goor, der Freyherr Von und zu Strünckede, der Herr Major von Strünckede Bey der tauffe ist er genannt worden Jobst, Jan, Willem.“