Aus Hernes kirchlicher Vergangenheit - Pastor Udo, der älteste bekannte Herner Pastor (Reiners 1937)
Am 12. Juni 1937 veröffentlichte Leo Reiners im Herner Anzeiger ein umfangreichen Artikel über die Herner Kirchengeschichte. [1]
Aus Hernes kirchlicher Vergangenheit
Pastor Udo, der älteste bekannte Herner Pastor. Die Jahresrechnungen des Offizialats Gerichts in Werl. Herne oder Heeren?
Zum 75jährigen Bestehen der St. Bonifatius Pfarrei ist bekanntlich eine Festschrift erschienen, die auch eine Abhandlung über die Geschichte der mittelalterlichen Dionysiuspfarrei enthält. Zu dieser Abhandlung wollen wir im folgenden einige Ergänzungen geben, um teils einen weiteren Beitrag zur alten Herner Kirchengeschichte zu liefern, teils Irrtümer zu berichtigen, bevor sie sich festsetzen.
Zunächst sei die Frage nach dem ältesten bekannten Herner Pfarrer aufgeworfen. In einer früheren Abhandlung über die Herner Geistlichen des Mittelalters, die auch vom Verfasser der Geschichte der mittelalterlichen Dionysiuspfarrei benutzt wurde, hatten wir als ältesten bekannten Herner Pfarrer den Pastor Wessel (Wesselus plebanus in Herne) bezeichnet, der in einer Urkunde Bernhards von Strünkede vom Jahre 1277 genannt wird. (Westfälisches Urkundenbuch [dieses hat übrigens nichts mit Seibertz zu tun] Bd. 3 Nr. 1034.) Inzwischen haben wir einen noch älteren Herner Pfarrer festgestellt. Es ist der Pastor Udo, der 1238 als Zeuge in einer die Goslarer Stiftsgüter Mengede und Vallendar betreffenden Urkunde als Zeuge genannt wird. Das im Jahre 1050 gegründete Domstift zu Goslar hatte von den sächsischen Kaisern sehr wertvolle Schenkungen erhalten, darunter im Rheinland das wertvolle Weingut Vallendar und im Westfalengau das Gut Mengede. Kaiser Heinrich III. hatte sein Eigengut Mengede im Jahre 1052 dem Domstift geschenkt (Bode, Goslarer Urkundenbuch I, 52). Von diesem Gut waren (nach einem Güterverzeichnis von 1181) 12½ Mark Dortmunder Münze zu zahlen, ein nach damaliger Währung sehr erheblicher Betrag, der darauf hinweist, dass es sich um ein recht stattliches Gut gehandelt hat. Da das Goslarer Stift nicht imstande war, seine teilweise sehr weit entfernt gelegenen Güter selbst zu verwalten, vertraute es sie adligen Verwaltern an. Als solche Verwalter finden wir im 13. Jahrhundert die Strünkeder. Nach einer Urkunde von 1222 (Westf. Üb 7, 225 b) war bis dahin Gerlach von Strünkede Ver walter (villicus) der Stiftsgüter in Mengede, Vallendar und Gielsdorf gewesen. Da er gestorben war, überträgt nun das Stift diese Güter dem Bruder Gerlachs, Bernhard von Strünkede, und der Gemahlin Bernhards, Agnes, gegen einen jährlichen Zins von insgesamt 30 Mark in Silber. Bernhard von Strünkede ist aber später mit der Zinszahlung im Rückstand geblieben. Daher mussten im Jahre 1238 (1. Juni) die Dechanten Hermann von Dortmund und Heinrich von Höxter sowie Graf Konrad von Dortmund als Schiedsrichter einen Spruch fällen zwischen dem Domkapitel in Goslar als Kläger und Ritter Bernhard von Strünkede als Beklagten (Westf. Üb 7, 472 a). Die Verhandlung fand in Dortmund auf dem Kirchhofe St. Nicolai statt. Hier wurde Bernhard von Strünkede verurteilt, 40 Mark Dortmunder Münze Rückstand und fortan jährlich 30 Mark Zins zu zahlen. Dafür hatte sich der Dekan von Goslar für sich und das Domkapitel zu verpflichten, gegen den Edlen Konrad von Mollenark und den Kölner Marschall Goswin von Alvetore, der die Güter in Vallendar und Gielsdorf mit Gewalt besetzt hatte, päpstliche Briefe zu erwirken, beide zu einem Termin nach Strünkede zu bewegen und, wenn sie sich widerspenstig zeigen sollten, nach seinen Kräften für einen Exkommunikationsspruch zu sorgen. Als Zeugen der Verhandlung, deren Urkunde der Goslarer Dekan und Bernhard von Strünkede besiegelten, werden genannt: die Ritter Albert von Hörde und Macharius von Düngelen, der Goslarer Kanonikus Reinhard, „Udo Pastor in Herne“ und der Dortmunder Kleriker Albert von Witstrate.
Dass es sich hier um unser Herne handelt, ist außer Zweifel, da beide Parteien offenbar ihre Zeugen gestellt haben, der Strünkeder u. a. den Herner Pfarrer (wahrscheinlich auch Macharius von Düngelen vom Hause Schadeburg oder Bladenhorst). Übrigens ist es tatsächlich zu der Exkommunikation der Rechtsbrecher, die sich geistliches Gut angemaßt hatten, gekommen, denn am 11. September 1249 wurde von dem Dechanten Rabado und dem Scholaster Johann von Paderborn als vom Papste delegierten Richtern über den Edelherrn Konrad von Molenark sowie über seine Helfer, die Ritter Hering von Dencelake, Menzo von Holthoven, den Meier Heinrich von Hosthoven (Osthof in Mengede?) und über die Brüder Bernhard und Albert von Mengede (danach scheint auch der Hof Mengede beeinträchtigt worden zu sein) die Exkommunikation ausgesprochen (Bode, Goslarer Urkundenbuch I, S. 580).
Einer Richtigstellung bedarf notwendigerweise das, was in der Abhandlung über die Geschichte der mittelalterlichen Dionysiuspfarrei aus den Jahresrechnungen des Offizialatsgerichts in Werl entnommen ist. Obwohl der Verfasser selbst (S. 25 f) vor einer Namensverwechslung mit dem Ort Heeren bei Kamen gewarnt hat, das im Mittelalter ebenfalls Herne (oder Hernen) hieß (die noch ältere Namensform Haranni ist nur von unserem Herne belegt!), ist er bei der Auswertung der Werler Jahresrechnungen dieser Gefahr erlegen. Mit Sicherheit auf unser Herne zu beziehen ist nur die Notiz aus der Jahresrechnung von 1495/96 über die Befreiung von dem Ehehindernis der Verwandtschaft „inter Petrum Overkamp et Cristinam Borgelmans“ in Herne. Dagegen hätte schon die Unbekanntheit des Namens Feldhaus, der unter den alten Herner Familien nicht vorkommt, Bedenken dagegen erregen müssen, die Eheerlaubnis für Gertrud Velthusen u. Ludolph to Hoffstede in Herne (die Zitierung de Hofstede ist ungenau)“ auf unser Herne zu beziehen, trotz des Ortsnamens Hoffstede, denn es gab auch ein Hoffstede (heute Hostedde) im Amte Lünen. Der Name Feldhaus dagegen ist für Herne (Heeren) bei Kamen nachweisbar. Im Märkischen Schatzbuch wird hier 1486, also zur Zeit der Werler Jahresrechnung von 1495/96, ein Hof Velthuyß aufgeführt. Das Brautpaar ist also in dieses Herne bzw. das Hoffstede im Amte Lünen zu versetzen. Auffallend ist auch, dass der Siegeler des Gerichts bei der Niederschrift der Jahresrechnungen bei dem Brautpaare Overkamp Bergelmann Herme, bei den anderen Stellen aber stets Herne geschrieben hat. Er ist sich also scheinbar der Verschiedenheit der beiden Orte bewusst gewesen. Ebenso gehört nicht in unser Herne der junge Geistliche Hermann Pröbsting, von dem es in derselben Jahresrechnung heißt: „D(omini) Hermanni Provestinck ad cantandum praemicias (nicht primicias) in Herne". Auch er ist nach Heeren bei Kamen zu verweisen, wo das Märkische Schatzbuch 1486 einen „Schult van Praistinck“ aufführt. (Noch vor einigen Jahrzehnten war ein Pröbsting Pastor in Kamen, er hat eine Geschichte der Stadt Kamen geschrieben.) Der Verfasser der Abhandlung über die Dionysiuspfarrei neigt dazu, den Primizianten Hermann Pröbsting für einen geborener Herner zu halten, der bei uns seine Primiz feierte, doch lässt er auch die Möglichkeit offen, dass er hier seine erste Stelle als Vikar fand. Die erstere Annahme haben wir widerlegt, aber auch die letztere ist unwahrscheinlich, schon weil der Stellenantritt durch eine Gebühr pro licentiatorio ordinandi bzw. ad officiandum zum Ausdruck kam. Hermann Pröbsting hat einige Zeit nach seiner Primiz eine Stelle in Drechen erhalten, denn in der Jahresrechnung von 1499/1500 steht (was der Verfasser unserer Abhandlung übersehen hat) unter De licentiatoriis:(Pro licentiatorio ordinandi) D. Hermanni Provesticker ad officiandum in Drechen 1 flor 3 s. Drechen liegt bei Osterflierich im Landkreise Hamm. Es besaß eine Kapelle, die zum Kirchspiel Flierich gehörte, und nach der Reformation Pfarrechte bekam.
Zweifel darüber, ob unser Herne oder Heeren bei Kamen gemeint ist, könnte man bei dem Geistlichen Johannes Keysen hegen, von dem es in der Jahresrechnung von 1499 1500 heißt: D(omini) Johannis Keysen ad officiandum in Herne1 flor 3 s. Der Verfasser der genannten Abhandlung folgert daraus, dass dieser Johannes Keysen 1499/1500 bei uns in Herne eine Vikarstelle erhalten habe. Damals müsse Rotger Hildorp, der 1490 als Vikar und 1508 als Pfarrer in Herne nachgewiesen ist, schon Pfarrer von Herne gewesen sein. Dieses ist jedoch nicht der Fall. Nach einer Limburg=Styrumer Urkunde von 1501 (Stadtarchiv Mülheim Nr. 109) waren am 19. Februar (up den ersten Frydach In der vasten „Herr Johann van galen pastor to Herne“, und „Derr Rotger van Hildorpe pastor to Strunckt“ Zeugen bei einer auf Veranlassung Reiner von Strünkedes vor dem Bochumer Richter Hermann Hoppenbrouer vorgenommenen Vernehmung des Bochumer Bürgers Albert Scholemeister, der früher in den Diensten des Junkers von Limburg, Herrn zu Styrum, gestanden hatte. Demnach war 1501 noch Johann van Galen Pastor in Herne und Rotger Hildorp Pastor zu Strünkede. Nun sind aber die Herner Vikarstelle und die Pastorstelle auf Strünkede regelmäßig (bis zur Einführung des reformierten Bekenntnisses auf Strünkede gegen Ende des 17. Jahrhunderts) in einer Hand vereinigt gewesen, zumal beide von den Strünkedern als Patronen vergeben wurden. Daher ist anzunehmen (wenn auch nicht unbedingt schlüssig zu erweisen), dass 1501 noch Rotger Hildorp die Herner Vikarstelle innehatte, also der Geistliche Johannes Keysen ebenfalls nicht nach hier, sondern nach Heeren bei Kamen zu verweisen ist.
Bei dieser Sachlage ist es auch zweifelhaft, ob der letzte Auszug aus den Werler Offizialatsrechnungen, den der Verfasser der Abhandlung über die Dionysiuspfarrei die bemerkenswerteste Notiz nennt, auf unser Herne bezogen werden kann, nämlich die Notiz von der Aufhebung eines in Herne wegen Gewalttätigkeiten gegen einen Priester verhängten Interdikts. Da die bisherigen Erwähnungen Hernes mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit alle Heeren bei Kamen betrafen und unser Herne in der allein zweifelsfrei auf unseren Ort bezüglichen Notiz Herme geschrieben ist, so besteht die Wahrscheinlichkeit, dass auch im Falle des Interdikts nicht unser Herne gemeint ist. Doch lässt sich hier eine Entscheidung nicht fällen. Dr. L. Reiners.
