Das alte Dorf Herne (Herner Anzeiger 1934) III

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Am 1. Dezember 1934 wurde im Herner Anzeiger ein Artikel von Leo Reiners über das alte Dorf Herne im zweiten Teil veröffentlicht. Es ist eines der wichtigsten Werkreihen Reiners zur Dorfgeschichte. Da es sehr umfangreich ist, teilen wir es in mehrere Teile. [1]

Das alte Dorf Herne

Nach Katasterkarten von 1823-1886
Dargestellt von dr. L. Reiners

[Teil 2/III]

Herner-Anzeiger-(24.11.1934)Dorf Herne-1823-1886.jpg

Die Rosenstraße

Verfolgen wir im Anschluss an den Alten Markt den Lauf der Rosenstraße, so müssen wir an der Ecke des Steinweges, wie er vor der Begradigung war, anfangen. Hier lag auf der Ecke Eberhard Grüter. Die Familie Grüter scheint dort schon früh ansässig gewesen zu sein, denn im Feuerstättenbuch von 1664 steht ein Pächter Jost Grüter als Kötter mit zwei Feuerstätten, „deren eine eine Witwe oder Leibzüchterin bewohnt", verzeichnet. Grundherr war die Kirche zu Röllinghausen (Essen). Im Jahre 1877 erscheint der Landwirt Friedrich Rembert, der eine „Settken“ Grüter geheiratet hatte, als Eigentümer, 1910 ist Besitzer der Wirt Wilhelm Rosenkötter, dessen Frau eine Lina Rembert war. - In seinen späteren Jahren hat Küster Trösken, auf den wir noch zurückkommen, in diesem Hause gewohnt.

Die "Reuster" am alten Markt.

Südlich neben Grüter stand ein Haus, das zur „Reuster“ gehörte und 1823 wie diese im Besitz von Conrad Crämer jr. war. (Es lugt auf dem Bilde vom Alten Markt als Fachwerkbau rechts neben der „Reuster“ hervor.) Nach den Karten war es eine Scheune, 1895 wird es aber als Wohnhaus bezeichnet, das Karl Döhmann bzw. später seiner Witwe Bertha geb. Cremer gehört. Es ist 1916 abgebrochen worden.

Dann folgte, zurückspringend, der Kotten von Hentrei. Dieser ist schon 1664 im Feuerstättenbuch aufgeführt und gehörte, wie sein Nachbar Grüter, der Kirche zu Röllinghausen (Essen). Damals wohnte im Backhaus noch eine arme Frau. 1823 war Georg Hentrei, 1877 Wilhelm Lechtape gt. Hentrei, 1895 Landwirt und Brennereibesitzer Heinrich Lechtape gt. Hentrei Eigentümer des Kottens. (Der auf dem Bilde der „Reuster" rechts sichtbare große Fachwerkbau ist der nach 1823 an das Hentreische Wohnhaus, dessen Giebeldreieck ganz rechts oben herausragt, angebaute Gebäudeteil, der auf der Karte gestrichelt gezeichnet ist.) 1910 wurde ein Teil des Besitztums umgebaut, das übrige abgebrochen. 1916 verschwand alles, und es wurde der jetzt dort stehende Neubau der Wirtschaft Lechtape errichtet.

Neben Hentrei bzw. Lechtape lag 1823 das Grundstück von Conrad Crämer jr. Aus diesem Hause stammte der Gemeindevorsteher Fritz Cremer, der auch den Namen „Ecker“ führte. Er hieß allgemein „Eckers Fritz". Daraus kann man entnehmen, dass nicht nur die „Reuster“ und das ihr gegenüberliegende kleine Gebäude, sondern auch dieser Bau einer Familie Ecker, wie sie 1664 im Feuerstättenbuch auftritt, gehörte. Der Bauernhof „Conrad Crämer jr.“ ist, wie die gestrichelten Grundrisse zeigen, zwischen 1823 und 1886 durch Anbauten erheblich vergrößert worden, während oder nachdem die Rosenstraße begradigt wurde. Doch musste das nördliche Ende des Anbaus (auf der Photographie des Alten Marktes ganz rechts als Backsteingebäude zu sehen; es war die Brennerei) abgeschrägt werden, um nicht in die Straße hineinzugeraten. Aus dieser Zeit baulicher Erweiterungen dürfte der geschwungene Deelenbalken stammen, der sich heute im Heimatmuseum befindet und auf dem die Inschrift steht: Ludwig Cremer, Maria Vortmann 1867. Im Jahre 1905 ist fast der ganze Hof abgebrochen und dafür das Haus Rosenstraße 10 (jetzt Kreisfunkleitung und Ortsgruppe Herne=Alt) erbaut worden. Nur im Hinterhof ist die 1901 neu gebaute Brennerei und die schon 1823 vorhanden gewesene alte Cremersche Scheune stehen geblieben. Im Jahre 1910 war der Eigentümer des Grundstücks Landwirt Heinrich Lechtape gt. Hentrei. - Der Gemeindevorsteher Friedrich Cremer, dem der Besitz in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gehörte, ist von 1872—1897 Gemeindevorsteher gewesen.[2]

Nachbar dieses Cremerschen Besitzes war 1823 Georg Köster, dessen Vorfahr unter dem Namen Coster schon 1664 im Feuerstättenbuch als Pächter des damals Strünkede gehörenden Kottens genannt wurde. Wahrscheinlich ist dieser Kotten auch mit dem 1486 im Märkischen Schatzbuch genannten Hause des Hermann Coster gemeint. 1898 ist das mittlerweile durch Anbauten erweiterte Anwesen abgebrannt und durch den jetzt auf dem Grundstück stehenden Kösterschen Bau ersetzt worden.

Auf Köster folgte 1823 das Haus von Heinrich Lackmann. Nach den Katasterkarten muss es dasselbe Haus sein, das jetzt den Erben des Schmiedemeistere Vaerste gehört (auf der Photographie der Rosenstraße das Haus links mit der Treppe). Indes besagt sowohl die Überlieferung als auch eine Balkeninschrift [3] über der Tür zur Hofseite, dass es von den Eheleuten Fritz Frie und Margarete Langhoff im Jahre 1863 erbaut worden ist. Der Schreiner Fritz Frie bat es dann an den Schmiedemeister Friedrich Voerste verkauft, dessen Schmiede noch heute hinter dem Hause steht (von Lähnert benutzt). Das jetzige Haus scheint aber nicht von Grund auf neu zu sein, denn sonst stimmten der Lackmannsche und der Friesche Grundriss in den Größenmaßen nicht so genau überein, anderseits sind in dem jetzigen Bau Balken verwandt, die schon vorher in einem Bau gesessen haben.

Das Nachbarhaus, das ebenfalls auf der Photographie der Rosenstraße im Hintergrunde zu sehen ist, gehörte 1823 Flasche. Es ist in einer Kirchenrechnung von 1793 als Wirtschaft erwähnt. Auch das Feuerstättenbuch von 1664 führt Flasche bereits als Wohnhaus und Braustätte auf und setzt es in Abhängigkeitsbeziehung zu Strünkede. 1877 war es im Besitz von Blaufärber bzw. Bergmann Wilhelm Adolphen, der vom Steinweg stammte (s. später) und dessen Sohn Schuhmachermeister Heinrich Adolphen noch heute Besitzer ist. Er, der noch von seinem Vater Druckmuster und einen Druckstock, fein in Holz geschnitzt, zum Bedrucken des blauen Leinens für Decken, Tücher und dergl. aufbewahrt, vertritt die Auffassung, das Haus, das heute an der Straßenseite mit Holz verschalt ist, stamme sogar aus dem Jahre 1582. Er beruft sich dabei auf Schriftstücke, die sein Vater vor Jahren leider verbrannt hat. Es ist durchaus möglich, dass es sich auf Grund dieser Schriftstücke so weit hat zurückverfolgen lassen, ob es aber als Bauwerk durch 350 Jahre erhalten geblieben ist, erscheint sehr zweifelhaft.

Mit dem Hause Flasche schloss die Bebauung der Rosenstraße auf dieser Seite ab. Nach 1823 ist aber daneben noch das Haus Heisterkamp mit der dahinterliegenden Schmiede entstanden, das 1877 der Witwe Hermann Heisterkamp und 1900 dem Lehrer Hermann Heisterkamp gehörte. 1904 ist es abgebrochen und durch den jetzt dort stehenden Neubau von Heisterkamp ersetzt worden. Das Eckgrundstück daneben gehörte 1877 dem Bergmann Heinrich Goertz, seit 1909 und heute noch dem Malermeister Karl Goertz. Das jetzt dort stehende einstöckige gepflegte Häuschen ist aber nicht das ursprüngliche, sondern in der Zeit vor 1903 neu erbaut. Auf der anderen Seite der Rosenstraße schloss sich an den Alten Markt bzw. das schon besprochene Fachwerkhaus Althoff=Hülsmann das Gebäude von E. Schlünder an. Dieses hat nach 1823 dem noch vorhandenen hohen schmalen Fachwerkhaus Platz gemacht. 1877 gehörte dieses dem Schreiner Bernh. Ikemann, dann den Erben: 1909 dem Rentner Wilhelm Craney in Schönebeck bei Kray, 1918 der Ehefrau August Schwartz geb. Leineweber in Altenessen, 1919 ging es in den Besitz von Kaufmann Heinrich Fingerhut über.

Neben Schlünder, weit von der Straße zurückspringend, lag der Kotten von Heinrich Mumme, der, wie die Karte zeigt, ebenso wie die an der Straße gelegene Scheune, nach 1823 durch einen anderen Bau ersetzt worden ist. Schon im Feuerstättenbuch von 1664 ist der Pächter Heinrich Mumme auf dem Strünkede gehörigen Kotten erwähnt. 1877 ist Dietrich Erfmann gt. Mumme Besitzer des Grundstücks, 1910 der Landwirt Heinrich Erfmann zu Nette bei Mengede und fünf Miteigentümer, 1911 hat der Händler Fingerhut das Haus in Besitz, der einen neuen Stallanbau zur Straße hin errichten lässt. Im vorigen Jahr hat ein nächtlicher Brand das Anwesen heimgesucht und das Wohnhaus teilweise, das Lagerhaus und den Stall ganz zerstört. Es ist dann wieder aufgebaut worden. Der nun auf der Karte folgende Brandteich an Knie der Rosenstraße ist längst verschwunden. An seiner Stelle erhebt sich heute ein 1914 von Fingerhut errichteter moderner Neubau.

Neben dem Brandteich befand sich die Einfahrt zu dem einst Strünkede gehörigen Kotten von Georg Hahn. Er ist schon im Feuerstättenbuch von 1664 unter dem Namen des Pächters Rohane mit Wohnhaus und Malzesche erwähnt. In der Familie des jetzigen Besitzers wird noch eine Urkunde aus dem Jahre 1678 aufbewahrt, die von einem Grundstücksverkauf an Heinrich Kielmann gt. Rodrhan handelt. 1853 wurde Eigentümer der Landwirt Georg Schlünder, gt. Hahne, 1897 der Landwirt Heinrich Trösken, der heute auch wohl noch Trösken Hahne genannt wird. Im Jahre 1902 ist ein neues Wohnhaus an der Straße gebaut worden. Stall und Scheune sind aber bis heute geblieben. Auf dem Deelenbalken stehen noch folgende Inschriften: „Psalm 127: Wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeiten umsonst, die daran bauen, wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.“ „Es ist umsonst, daß ihr früh aufsteht und hernach lange sitzt und eßt euer Brot mit Sorgen, denn seinen Freunden gibt er es schlafend.“ „Col. 4: Haltet an im Gebet und wacht in demselben mit Danksagung und betet zugleich auch für uns, auf daß Gott uns die Tür des Wortes austue, zu reden das Geheimnis Christi.“ Dabei steht die Jahreszahl: Anno 1755, den 26. August. Als also die Scheune im Jahre 1823 in die Karte aufgenommen wurde, stand sie bereits fast 30 Jahre, heute demnach rd. 180 Jahre. Das kleine (gestrichelt gezeichnete) Gebäude südlich des Hahnschen Wohnhauses an der Grundstücksgrenze ist ein nach 1823 entstandenes, heute noch vorhandenes Backhaus, in dem vor allem Obst gedörrt wurde. Noch heute stehen auf dem Grundstück mehrere alte Obstbäume. Das Obstdörren wurde aber auch für andere ausgeführt.

Neven Georg Hahn lag an der Rosenstraße Christian Schlünder. Das Wohnhaus ist nach 1823 durch ein nordwestlich davon gelegenes neues ersetzt worden. Im Jahre 1877 gehörte das Besitztum dem Landwirt Christoph Schlünder, 1895 dem Obersteiger Fritz Philipp, Altenbochum, der eine Anna Elisabeth Schlünder geheiratet hatte. 1901 erhielt es der Nachbar, der Landwirt Heinrich Wilhelm Trösken, der es niederreißen und 1902 den jetzigen Wohnungsneubau errichten ließ. [...]

Fortsetzung folgt..

Dr. Leo Reiners.


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Quellen

  1. [ https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/21234724 Vgl. Online Quelle auf Zeitpunkt.NRW]
  2. *) Bei der Stadtwerdung Hernes im Jahre 1897 wurde er unbesoldeter Beigeordneter. In seinen späteren Jahren hatte er den Hof von Jaspers auf der Bahnhofstraße (jetzt Cremers Hof) in Besitz. Er starb am 24. Februar 1920 im Alter von 84 Jahren. Seine Gattin Alwine war eine geborene Sudkamp. Sie folgte ihm 1930 im Alter von 87 Jahren in den Tod.
  3. *) Das Amt Herne bestand bis zum 1. August 1875 aus 11 Gemeinden: Herne, Baukau, Horsthausen, Pöppinghausen, Bladenhorst, Hiltrop, Bickern (Wanne), Crange, Röhlinghausen, Eickel und Holsterhausen. Die 5 letztgenannten Gemeinden wurden 1875 als Amt Wanne, das sich später in die Ämter Wanne und Eickel schied, abgetrennt. Jede Gemeinde hatte einen Gemeindevorsteher. In Herne bekleideten zuletzt Cremer, in Horsthausen Dr. Kraus (der jetzige Sanitätsrat), in Baukau Sassenhoff dieses Amt. Der Gemeindevorsteher übte seine Tätigkeit unter Aufsicht und Mitwirkung des Amtmanns (zuletzt Schäfer, der bei der Stadtwerdung Bürgermeister wurde) aus.