Noch eine Herner Schreckenschronik (Herner Anzeiger) 1937
Am 16. Januar 1937 wurde im Herner Anzeiger ein Artikel von Leo Reiners über eine weitere Schreckenschronik veröffentlicht.[1]
Noch eine Herner Schreckenschronik
Von Sturmkatastrophen, Viehseuchen und Epidemien 1703-1750.
Herner Pastöre berichten.
Vor längerer Zeit haben wir bereits eine Herner Schreckenschronik gebracht. Es handelte sich um eine Niederschrift, die ein Vorfahr der Familie Masthoff über die Französische Revolution und den Krieg gegen Frankreich sowie über eine verheerende Ruhr Epidemie in Herne im Jahre 1794 „Erben und Nach kommen kund und zu wissen“ angefertigt hatte. Heute können wir eine zweite Herner Schreckenschronik mitteilen, die wir auf der letzten Seite des ältesten Herner Kirchenbuches fanden und die die Pastöre Hüttemann und Davidis zu Verfassern hat. Sie berichten
- 1703 d. 8. IXb (= Novembris, es kann auch nur eine X sein. also Decembris heißen) ist ein erschrecklicher sturmwind gewesen, dadurch allenthalben ohnbeschreiblicher schade geschehen und solch schrecken entstanden daß niemand in Hauser sich fast getrauet, weil da durch sehr Viel umbgeworfen und sonst nicht anderes alß jammer und noth gesehen worden.
- 1711 d 28 octhr ist abermahlß ein großer windsturm entstanden. Dadurch viele Bauhme und gezimmer zerrissen und umbgeworfen worden.
- 1712 d 17 7b (= Septembris) ist wiederumb ein erschrecklicher Sturm nachmittags gar plötzlich entstanden. Dadurch das...nhen (unleserlich. vielleicht Thürmchen) vom Schwartzen Kloster in Dortmundt abgeschlagen item der obst und Eicheln fast alle von den Bauhmen abgewehet und Viele Dacher und Bauhme umdgeworfen worden.
- 1712 d 17 8ct (= octobris) ist die Statt Iserloh nachmittags in 3 stunden Zeit biß auf 40 hauser und Kirche, so stehen blieben, ganz abgebrandt.
- 1717 in Xbr (= Dezember) und 1718 im febr. ist durch Sturm und ungewohnlichen regen und aufflauff des wassers in ostfrießland und biß nach Hamburg zu ein unbeschreiblicher schade geschehen, viel tausend menschen und Vieh ertruncken gange Dorffer und lander weggespuhlet und sonst viel Hauser umbgeworfen worden.
- 1723 ist eine Volle mast dieser gegend weit herumb gewesen sodaß(?) die Schweine den ganzen winter durch gehen Konnen, da es auch nicht gefroren ... hat man Christtag schweine für 5 rt kauffen können (die Stelle „hat man Christtag“ ist nicht ganz sicher, da die Schrift hier unleserlich ist).
- 1724 d 4 Xbr umb 5 nachmittag biß 12 uhr mitternacht ist ein grausamer wind gewesen dadurch Viel hauser und bauhme umbgeworffen und grosser schade geschehen.
(Bis hierhin reichen die Eintragungen des Pastors Hütteman, dem 1729 der Pastor Hoffmann folgte.
Dieser hat die Chronik nicht fortgeführt. Erst der 1745 berufene Pastor Davidis schreibt wieder.)
- 1744 45 und 46 ist eine erschreckliche Seuche unter dem Horn Vieh im Clevischen Hollandischen ja fast durch ganz Europa gewesen dadurch Viele 10.000 stück plötzlich umgefallen. Diese gegenden hat Gott in gnaden bewahret ob gleich das Uebel bis in unsere Nachbahrschafft zu Buer eingedrungen (eine andere Hand hat hier mit anderer Tinte etwas angefugt, das schlecht lesbar ist, aber scheinbar besagen soll, daß Gruemer, Serres u. a. doch von der Seuche hart mitgenommen worden seien).
- Anno 1747 d 12 auf den 13 Decemd erhob sich um 5 Uhr ein schrecklicher Sturm Wind aus Süd Westen an einigen orten hat man eine Art von Erdbeben dabey Bemerket und im Hollandischen ist ein ... Donnerwetter Vorhergegangen hier und allenthalben ist großer Schade an Hausern und Baumen geschehen insonderheit sind Ruhen Sengenhofs und Foertmans Hauser abgeschlagen (der Ruhenkotten lag am Alten Markt, Sengenhoffs Hof an der Shamrockstraße, Vortman an der Schillerstraße).
- Ao 1750 Der Sommer dieses Jahres ist über die Masse heiß gewesen. In der Ernte Zeit sind hin und wieder Viele Menschen Von der Hitze plötzlich umgefallen und ersticket.
- Im August dieses Jahres suchte Gott unser Gericht mit der fast durchgehends herrschenden Seuche der rothen Ruhr heim — Nur wenig Hauser sind übrig blieben, die nicht inficiret gewesen. 87 Personen sind an dieser Krankheit gestorben.
- Kaum hatte sich dieses Uebel in etwas gemindert, so folgte darauf die erschreckliche Viehseuche durch welche Viel hundert Stück Horn Vieh umgefallen.
Es erübrigt sich, näher auf die Angaben dieser Chronik einzugehen. Sie sprechen für sich. Nur über das Epidemienjahr 1750 sei noch etwas gesagt. Man erhält einen Einblick in das furchtbare Wüten der roten Ruhr, wenn man sich das Sterberegister des Jahres 1750 ansieht. Alle Alterskreise wurden von der Seuche betroffen, vorwiegend Kinder und alte Leute. Zuerst setzte die Krankheit in Hiltrop ein, dann erreichte sie über Bergen, Altenhöfen und die Wiescherstraße das Dorf Herne. Von dort griff sie zur Wieschermühle nach Spithaut und Schulte=Sodingen über, wie sie auch noch in einige Familien Holsterhausens (über Rensinghoff und Sengenhoff) und Baukaus getragen wurde. Die Haupternte hielt sie im Dorf Herne selbst. Von Mitte September ab starb jeden Tag mindesten einer oft waren es zwei oder drei, am 30. September sogar sechs, am 14. und 23. Oktober vier. Ende Oktober war die Macht der Seuche gebrochen. Einzelne Familien hatten besonders schmerzliche Verluste erlitten, so hatten die Familien Hiltrop, Schulte zu Bergen und Hesse je drei Tote zu beklagen, die Familien Jacob, Breilmann, Voß am Sengenhofe, Mumme, Ruhe, Kampmann am Hegeler (in Holsterhausen), Wietelmann, Schlenkhoff je zwei Tote, Bei Mumme waren Zwei Kinder, bei Schlenkhoff die alten Eheleute am gleichen Tage der Seuche erlegen.
Dr. Leo Reiners.
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Quellen
- ↑ [ https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/21234724 Vgl. Online Quelle auf Zeitpunkt.NRW]