Aus der Geschichte des Strünkeder Archivs (Reiners 1937)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Dr. Leo Reiners widmete am 25. September 1937 im Herner Anzeiger einen besonderen Artikel über das alte Archiv von Strünkede.[1]

Aus der Geschichte des Strünkeder Archivs

Seine Vernichtung ein Schwerer Verlust für die Heimatforschung

Die Heimatforschung in Herne ist deshalb besonders schwierig, weil alle örtlichen Archive so gut wie vernichtet sind. Die evangelische Kirchengemeinde hat in der Hauptsache nur noch die 1683 beginnenden Kirchenbücher. Es muß aber einmal ein inhaltreiches Kirchenarchiv dagewesen sein, denn im ältesten Kirchenbuch steht unter „Anschreibung derer Prediger in Herne": „Goswin Florens Hoffmann Von der gantzen gemeine berufen und 1729 d 1. Feb. zu Herne Eingekommen und die sämtlichen Acta davon finden sich in dem Kirchen Kuffer sub Titulo Acta und protocolla die prediger wahl und beruff betreffend". Danach wurde das Kirchenarchiv dem Gebrauch der Zeit entsprechend in einer Truhe („Koffer“) aufbewahrt und bestand aus mehreren Abteilungen, von denen die eine die Predigerwahlen betraf (andere werden die Liegenschaften und Einkünfte, Schulfonds, Armenfonds, Ausleihungen von Geldern, Zinszahlungen, Kirchenrechnungen und andere kirchlichen Nachrichten betroffen haben). Von all dem, was in dem Kirchenkoffer war, ist nichts mehr vorhanden. Das heutige Kirchenarchiv enthält nur noch Kirchen= und Armenrechnungen von 1790 an, Lagerbuch u. a.

Auch das Stadtarchiv hat fast nur Sachen aus jüngerer Zeit. Als Grund dafür gibt Oberbürgermeister Schaefer in seiner Geschichte von Herne an: „Die früheren Akten sind um 1870 auf Schloß Strünkede der Vernichtung anheimgefallen.“ Daß sich das Archivmaterial der Gemeinde auf Schloß Strünkede befand, hängt damit zusammen, daß der Herr von Forell von 1851—1868 den Amtsbezirk Herne als Ehrenamtmann verwaltete, bis er 1868 Landrat des Kreises Bochum wurde. Im Jahre 1869 kam Amtmann Uhlenbusch nach Herne, der sein Büro im früheren Hause Nordmann (Ecke Steinweg und Rosenstraße) hatte.

Das Schicksal des Gemeindearchivs, das auf Schloß Strünkede vor 1870 der Vernichtung anheimfiel, hat gleichzeitig offenbar auch das Strünkeder Hausarchiv getroffen. Gerade der Verlust dieses Archivs trifft die Herner Heimatforschung sehr schwer, denn es ist überaus reichhaltig gewesen. Es muß Urkunden=, Brief= und Aktenmaterial in großer Fülle enthalten haben, das uns reichen Aufschluß hätte geben können über die jahrhundertelange Geschichte des Strünkeder Geschlechtes, seine Beziehungen zu Cleve (bzw. Preußen), Werden, Essen, Limburg und den Adelsgeschlechtern ringsum, seine Fehden und Kämpfe, seinen Reichtum und Untergang, seinen umfangreichen Besitz an Höfen und Kotten, den Strünkeder und Castroper Gerichtsbezirk, die Schicksale der Familie, der Burg und des späteren Schlosses, kurz hier wäre die Geschichte Hernes, seiner Familien und Höfe, seines kirchlichen und sozialen Lebens wie auch die Geschichte Strünkedes im westfälischen und niederrheinischen Raum zu erfassen gewesen.

Daß das Strünkeder Archiv sehr umfangreich gewesen ist, geht aus Briefen hervor, die Frhr. Johann Conrad von Strünkede im Jahre 1703 in der Frage der Lehnserneuerung an die Lehnsherrschaft in Styrum gerichtet hat. Am 29. Mai 1703 schreibt er der Gräfin von Limburg=Styrum, „die Vorm jahr auß forcht Vor den frantzosen nach Münster verflüchtete briefschafften“ seien zum Teil wieder zurückgekommen, er habe sie nachsehen lassen, aber keine Nachricht über die Styrumer Lehen darin gefunden. Er mutmaße daher, daß dieses Material sich unter den Briefschaften befinde, die noch zurück seien. Da er aber „bey dieser ungelegenen saet Zeit mit den fährten (Pferden) nicht auffkommen kan, und die Registrirung der brieffe einen gantzen menschen auff etliche wochen erfordert“, so bittet er, den zur Lehserneuerung festgesetzten Termin wenigstens um sechs Wochen zu verschieben. Am 12. Oktober 1703 hat der Frhr. von Strünkede seine „Verflüchtete brieffe wieder zur hand bekommen undt dieselben nachsehen lassen".

Aus diesen Bemerkungen geht klar die Existenz und der Umfang des Strünkeder Archivs hervor. Wenn ein Mann allein etliche Wochen Arbeit damit hat, die vorhandenen Briefe nur zu registrieren, so besagt das genug. Bezeichnend für den hohen Wert des Archivs ist auch die Tatsache, daß man es bei drohender Kriegsgefahr „ins Ausland“ in Sicherheit brachte. (Die hier erwähnte Nähe der Franzosen hängt mit dem Spanischen Erbfolgekrieg zusammen.)

In gleicher Weise wurde das Strünkedische Hausarchiv rd. 60 Jahre später fortgeschafft. Das geht aus einem Briefe hervor, den am 3. Juni 1761 der Hoffiscal und Richter C. R. Frantzen, der nach dem 1750 erfolgten Tode des Frhr. Ludwig von Strünkede über dessen unmündigen Sohn zum Mit=Vormund bestellt worden war. von Hoerde aus an die Lehnskammer in Styrum schrieb. In diesem Briefe heißt es, „Juß bey diesen Kriegeszeiten die in Sicherheit, seyende Strünckedische Hauß=Briefschafften nicht so bald zur Hand gebracht und nachgesehen werden“ könnten.

Die hier wiedergegebenen Nachrichten über das Strünkeder Hausarchiv sind indes nicht die ältesten. Im Jahre 1556 hat in einer Streitsache um die sog. „Arme Jacken Fischerei“ in der Ruhr im Dorf Mülheim bzw. um eine damit in Verbindung stehende Lösesumme, die in der „Gerichtskiste" verwahrt wurde, der Pastor Matheus Bachelman aus Buer vor Notar und Schöffen zu Mülheim auf Ersuchen der Witwe von Limburg und Styrum über „etliche brieff onnd segell hinder dem Strunckeschen enthalten“, sowie „etlicher pennengen halber hinder dem Gericht Mülhem deponirt“ ausgesagt und „van sich gezeuget, das er verruckter Zeit auff dem Huyse Strunckte etliche brief hait helffen examiniren onnd lesen, er eyns Deils onnd die Strunckesche anderteils, dar habe sy onder anderen denselbe Brieff die Jacke fyscherie betreffendt derwegen die pennong deponirt, zue handen bekomen unnd gelesen, das die Somme dairinne benennet onnd specificiret stundt Sechshundert goltg“.

Wir sehen hieraus, daß das Strünkeder Archiv auch Material des Styrumer Hausarchivs enthielt. Ja in einem datumlosen Schriftstück jener Zeit heißt es: „Item seget graff Jorgen das sy landt kundich und offenbaer das sienem alder vater (= Großvater) und vader milden gedacht(nisses) durch die Edel wolgeborn Sophie van Lymbg entfernt sein alle Siegel breue gerechtigkeit in das Huiß stirm und noch van den van Strunckt vurenthalden.

Die Sophie von Limburg war seit 1494 die Gemahlin des ungebärdigen Reiner von Strünkede, der sein Leben als Gefangener auf seiner eigenen Burg beschließen mußte. Wie sie Styrumer Urkundenmaterial nach Strünkede brachte, darüber liegt noch (im Archiv Mülheim) eine Urkunde vom 10. 2. 1497 vor, in der Junker Wilhelm von Limburg, Herr zu Styrum, vor Notar und Zeugen klagt, er habe seiner Tochter Sophie befohlen, etliche Kleinodien und Urkunden nach Essen zu bringen, um sie dort in der Kiste ihres Vaters zu verschließen. Sie habe aber statt dessen die Sachen zu „Reyner von Strunct“ gebracht. Er, der Vater, denke nicht daran, das gutzuheißen, und beschwört das.

So gibt es also eine Reihe nicht uninteressanter Einzelnotizen über das Strünkeder Hausarchiv. Für die Heimatforschung ausgewertet ist es nur einmal und zwar durch den westfälischen Geschichtsforscher von Steinen. In seiner Darstellung der Geschichte der Herrschaft Strünkede sagt er von dem Frh. Ludwig von Strünkede: „Er war ein besonderer Liebhaber der Geschlechtskunde und habe ich seinem unermüdeten Fleiße vieles zu verdanken.“ Auch die vielfachen Nachrichten in den Werken v. Steinens, die die Quellennotiz „Ar. Str.“ tragen, bezeugen, daß wenigstens er um die Mitte des 18. Jahrhunderts das Strünkeder Archiv für die Heimatforschung ausgenutzt hat. Wenn er auch bei weitem nicht erschöpfend sein konnte, sondern sich mit kurzen Nachrichten- und Tatsachenregistrierungen begnügen mußte, so hat er uns doch die einzige größere Nachrichtensammlung über die Strünkeder hinterlassen.

Daß bald nach seinem Studium im Strünkeder Archiv das Archivmaterial wegen der auch unser Gebiet heimsuchenden Wirren des Siebenjährigen Krieges in Sicherheit gebracht wurde, haben wir bereits erwähnt. Im Jahre 1778 ist es wieder auf Schloß Strünkede, denn damals schreibt der Advokat Krane in Recklinghausen für die Schwester Caroline des 1777 ohne Nachkommen verstorbenen Conrad Ludwig Freiherr von Strünkede an die Lehnskammer in Styrum: „Bis hiehin ist zu Strünkede noch alles versiegelt, und deswegen kann die Freyfräulein sich aus dasigen Briefschaften nicht informiren".

Eingehend wird noch einmal über das Strünkeder Hausarchiv gesprochen in dem Testament, das die Eheleute Hauptmann Friedrich von Forell und Adolphine Caroline von Pallandt=Osterveen am 16. September 1837, also vor nunmehr 100 Jahren, dem Gericht übergaben. In ihm heißt es: „Die Familien= Papiere, Familien=Portraits, erstere sofern sie nicht im gesetzlichen Gesinn Pertinenzen von Strünkede sind, erhält nach unserm beiderseitigen Tode unser ältester Sohn, der davon aber jederzeit seinen Brüdern Einsicht verstatten muß. Die als Pertinenz von Strünkede zu betrachtenden Papiere erhält selbstredend der künftige Besitzer dieses Gutes.

Im Jahre 1847 haben die Erblasser das Testament in einigen Punkten abgeändert. Hierbei wurde als Besitznachfolger auf dem Hause Strünkede der älteste Sohn Friedrich Adolph August Wilhelm Gottfried von Forell bestimmt, der noch im selben Jahre, da sein Vater starb, das Erbe antrat. Doch bezüglich des Hausarchivs wird in dem Testamentsnachtrag nichts geändert, es war also noch da.

Wir berichteten schon, daß Oberbürgermeister Schaefer geschrieben hat. die früheren Gemeindeakten seien um 1870 auf Schloß Strünkede der Vernichtung anheimgefallen. Auch Pfarrer Dransfeld schickt seiner 1875 erschienenen Geschichte der evangelischen Gemeinde Herne die Bemerkung voraus, er habe leider nicht viel zu bieten, trotzdem er sich alle erdenkliche Mühe um die Sammlung des Stoffes gegeben habe. Das liege zum Teil daran, „daß eine große Menge von Akten, die auf dem Hause Strünkede mitbewahrt wurden, verloren gegangen ist".

Welcher Art dieses Verlorengehen bzw. Vernichten gewesen ist, ob es durch Brand oder absichtliche Zerstörung geschah, konnte bis heute noch nicht festgestellt werden. Und so müssen wir mühsam in anderen Archiven herumsuchen, ob wir wenigstens dort noch Material über die Strünkeder und Herner Geschichte finden. Erfreulicherweise ist der bisherige Erfolg dieses Suchens nicht gering.

Dr. Reiners.

Anmerkung der Redaktion: Nach aktuellem Wissen ist das Archiv beim Einsturz des alten Turmes (Gerichtsstube) auf Schloss Strünkede der Vernichtung anheim gefallen.

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Quellen