Siedlung Constantin
Die Bergwerksgesellschaft Vereinigte Constantin der Große baute die ehemalige Bergarbeitersiedlung Constantin in zwei Etappen von 1900 bis 1910 und in 1920 mit den Straßen Kronen-, Dora-, Pieper-, Höhenweg, Courrières- und Wiescherstraße . Die Dreieckssiedlung Constantin war umschlossen von den Schachtanlagen IV/V im Westen, II im Norden und X im Süden auf Bochumer Stadtgebiet.
Zur Planung des Regierungsbaumeisters Henken aus Berlin, der 1901 von der Zechenleitung mit der Bebauung an der Pieperstraße beauftragt wurde, gehörte eine 24-klassige Volksschule und ein Kindergarten, der damals "Kleinkinderschule" hieß. Mehrer sozialen Einrichtungen in der Siedlung waren die Konsum-Anstalt, die Waldschule und das Constantin-Stift.
Artikel
Constantin: Beschauliches Wohnen an der Zeche[1]
Herne. Die Siedlung Constantin entstand im Schatten des gleichnamigen Bergwerks.Viele Häuser stehen unter Denkmalschutz.
Eine Zeche war es auch im Herner Süden, an der Grenze zu Bochum, die Ende des 19. Jahrhunderts eine Siedlung entstehen ließ und auch in diesem Fall den gleichen Namen trug: Constantin. Im Laufe von rund 50 Jahren entstanden hier Häuser verschiedener Epochen, wobei die einzigartigen Gebäude an der Pieper- und der Courrièresstraße vom Glanz der Industrialisierung im Ruhrgebiet zeugen. Einer Zeit, als sogar der einfache Hauer in einem schmucken Häuschen wohnen durfte und die besser gestellten Herner Bürger sich Villen mit Jugendstilfassaden leisteten. Zuerst entstanden Häuser für Beamte, später für Arbeiter
1893/1894 wurde die Schachtanlagen 4 und 5 der Zeche Constantin in Sodingen direkt an der Bochumer Stadtgrenze geteuft. Für die Belegschaft entstand die bis heute erhaltene Zechenkolonie. Die Beamtenwohnungen hatten mehr Wohnfläche und lagen direkt neben der Zeche isoliert von den Arbeiterwohnungen. Das Betriebsgelände wurde nach der Stilllegung – 1955 endete der Betrieb als selbstständige Anlage und 1964 die Seilfahrt – renaturiert. Die beiden Schächte liegen am bewaldeten Rand der ehemaligen Halde und sind an den Zuwegungen und den Protegohauben über den Schachtköpfen zu erkennen. Ansonsten sind keine Spuren erhalten, nur der Radweg auf der ehemaligen Bahntrasse gibt einen Hinweis auf die frühere Nutzung.
1894 wurden zunächst nur Beamtenhäuser im Schatten der Zeche gebaut. Erst um 1900 begann der Bau von Arbeiterhäusern an der Wiescher- und der Kronenstraße. Es waren eher einfach gestaltete Häuser, die Fassade wurde durch einen Wechsel zwischen Putz- und Backsteinflächen gestaltet. Um 1901 wurden die Häuser an der Dora- und der Kronenstraße errichtet. In diesem Jahr begann auch die gestalterisch aufwendigere Bebauung der heutigen Pieperstraße. Regierungsbaumeister Henken aus Berlin plante auch gleich eine Volksschule mit und später auch einen Kindergarten.
In den 30er-Jahren entstand die Siedlung um die Hauer- und die Wetterstraße. Gleichzeitig entstanden – und zwar nicht mehr im Auftrag der Bergwerksdirektoren, sondern auf Grund privater Initiative – die Häuser an der nördlichen Seite der Kronenstraße und an der Mülhauser Straße, zum Teil schmucke Mehrfamilienhäuser mit acht bis zehn Wohneinheiten. Für die Nahversorgung sorgte damals u.a. die „Konsumanstalt“, noch heute zu erkennen an der Pieperstraße und das immer noch existierende Haus Voss, der Treffpunkt für alle Hungrigen und Durstigen der Kolonie.
In den 50er-Jahren wurde die neue Constantiner Siedlung am Landwehrweg in unmittelbarer Nähe des Constantiner Bunkers gebaut. 46 Doppelhäuser, in die 92 Familien einzogen, außerdem hunderte von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zwischen Landwehrweg und Hügelstraße. Bis zum Richtfest der Doppelhäuser im August 1954 dauerte es dreieinhalb Jahre, es hatte viel Ärger gegeben, u.a., weil sich die Baugesellschaft von ihrem Architekten getrennt hatte.
In den 1980er-Jahren verkauften die Wohnungsgesellschaften viele Zechenhäuser, so auch in der Siedlung Constantin. Die Gebäude wurden renoviert, mit viel „Kreativität“ an den Fassaden, wie man heute sehen kann. Die Häuser an der Pieper und der Courrièresstraße wurden unter Denkmalschutz gestellt, weshalb sich die Kreativität in Grenzen hielt und möglichst nach historischem Vorbild restauriert wurde.
Martin Tochtrop
Rundgang: Oh, wie schön ist Constantin[2]
Herne. Ein Spaziergang mit Thorsten Brokmann, Leiter der Denkmalbehörde,durch die beschauliche Zechensiedlung im Süden der Stadt.
An einem Frühlingsmorgen auf der Pieperstraße scheint die Welt vor 100 Jahren stehengeblieben zu sein. Unter schattigen Platanen wandeln wir von Haus zu Haus, jedes anders, mit spitzen Giebeln und Erkern, mit überdachten Hauseingängen und gerundeten Sprossenfenstern. Klara Plaga zog 1967 an die denkmalgeschützte Straße und sagt: „Ich fühle mich wohl hier.“ Sie kauft gerade Erdbeeren, Spargel und Kartoffeln am rollenden Lebensmittelladen von Norman Koseler, schon sein Vater belieferte die Siedlung Constantin vor 40 Jahren mit frischem Obst, Gemüse und Eiern.
Hier herrscht Beschaulichkeit und Vertrautheit, wie man sie nicht überall findet. „Das hier ist ein Treff wie früher im Dorfladen“, freut sich auch Marianne Schmitz, deren Kinder und Enkelkinder gegenüber wohnen. Wenn ein Nachbar mal nicht erscheine, klingele der Händler an dessen Haustür und frage, ob alles gut sei. Wir drehen eine Runde durch die Kolonie. Hernes oberster Denkmalschützer begleitet uns durch das älteste Quartier, das durch die Wiescher-, Kronen-, Hügel- uns Steigerstraße eingerahmt wird: „Jedes einzelne Haus an der Pieperstraße und an der Courrièrestraße ist als Einzeldenkmal in die Liste der Baudenkmäler eingetragen“, erklärt Thorsten Brokmann. Die Kolonie sei Anfang des 20. Jahrhunderts südlich der Zeche Constantin entstanden. „Das Gesamterscheinungsbild erinnert an die Gestaltungsmerkmale englischer Siedlungen des 19. Jahrhunderts.“ In architektonischer Hinsicht liege die Bedeutung des Viertels vor allem in der Vielfalt der Fassaden und der interessanten Dachgestaltung.
Völlig im Originalzustand befindet sich keines der Häuser mehr. Das wäre auch kaum möglich. Umbauten waren nötig, und der sich stetig ändernde Zeitgeist spiegelt sich an den Fassaden wider. Aber Veränderungen wie an der Dorastraße mit Riemchen-Verblendung, Eternit oder Kunstschiefer sieht man hier nicht, an der Dorastraße steht aber auch kein Gebäude unter Denkmalschutz.
- Gartenstadt-Bewegung
„Regierungsbaumeister Henken aus Berlin, der das Viertel plante, ließ sich damals von der Gartenstadt-Bewegung inspirieren“, weiß Brokmann. Mehr Grün wollte ein Teil der (Berliner) Bevölkerung damals und keine Wohnkasernen im Einheitslook. Große Gärten wurden entsprechend auch in der Zechensiedlung Constantin angelegt, auch heute sollen sie laut Denkmalschützer optisch zugänglich sein: „Wir halten auch die Durchblicke in die Gärten für wichtig.“ Entsprechend dürfen die Flächen zwischen Häusern nicht mit Garagen und Carports verbarrikadiert werden.
Wer hier einzieht, sollte ein Faible für Historisches haben. Nach und nach – so hat man den Eindruck – werden alle Häuser wieder möglichst nah an den Urzustand zurück versetzt. Natürlich inzwischen mit allen Neuerungen versehen, die es anfangs nicht gab. Als man sein Geschäft beispielsweise noch im Stall verrichtete oder später in einer kleinen Kammer, die nachträglich in den Hausflur eingebaut wurde.
Einfache Leute haben an der Pieperstraße einen für damalige Zeiten großzügigen Wohnraum gefunden. „Dort wohnten Hauer von der Zeche“, erklärt Brokmann. Die Gewerkschaft Constantin der Große habe das als Bauherrin damals – zwischen 1900 und 1910 – so konzipiert. An der Mülhauser Straße steht – gegenüber dem Weltkriegsbunker – ein Mehrfamilienhaus, in dem acht bis zehn Parteien untergebracht waren, auch das war ungewöhnlich. „Es ist bemerkenswert, dass schon um 1900 ein derartiger Haustyp entwickelt wurde“, erläutert Brokmann.
Lebensmittelhändler Norman Koseler ist mittlerweile wieder fort. Jetzt in Wohnortnähe einkaufen? Das war vor 100 Jahren einfacher. In der „Konsumanstalt Konstantin der Grosse“ – so steht es in wieder aufgefrischter Schrift geschrieben – gab es alles, was es damals so gab. Ein bisschen hat sich doch verändert in der Zechensiedlung.
Martin Tochtrop
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