1963 - Statistische Erhebung der EWG

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Version vom 6. April 2018, 10:30 Uhr von Thorsten Schmidt (Diskussion | Beiträge)
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Statistiker der EWG blickten Frau Schulze in den Brotkorb

Nur Nettopreise werden von den Befragern des europäischen statistischen Amtes aufgeschrieben. Hier notieren sie Preise für bestimmte Kleidungs­stücke in einem Herner Textilgeschäft. 1958 weilte das Team schon ein­mal in Herne.
Auf „Gesamteuropa" zugelassen ist dieser Wagen, der gestern im Herner Stadtbild auftauchte. Es ist das Nummernschild der Behörde des Gemein­samen Marktes in Brüssel.

Kaufkraft 1963 im Europa der sechs wird erfragt

Wieviel gibt die Familie Dupon für die täglichen Bedürfnisse des Lebens aus, wieviel die Familie Schulze, die Familie van der Straaten oder die Familie Marcinelli? Dafür interessiert sich nicht allein die Nachbarin, sondern auch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Sie stellt regelmäßig fest, wieviel in den „Warenkorb" einer Durchschnittsfamilie in den einzel­nen Ländern der sechs hineinpaßt. Wie hoch der „Brotkorb" hängt, das richtet sich nach dem Verdienst und den Preisen. Das europäische statistische Amt in Brüssel prüft durch Testumfragen in Zusammen­arbeit mit den einzelnen nationa­len und ausgesuchten örtlichen Ämtern die Lebenshaltungskosten. Gestern weilte eine Gruppe von fünf Damen und Herren, die in Deutschland, Belgien, den Nieder­landen und in Italien zu Hause sind, in Herne, um eine neue Er­hebung für die Europastatistik der EWG durchzuführen. Erfragt wur­den die Preise bestimmter Waren und gleicher Qualität bei Textilien, Lebensmitteln und Hausrat.

Diese Erhebergruppe besucht alle sechs EWG-Länder und sam­melt mehr als 30 000 Preise von 200 Waren und Dienstleistungen.

Da interessieren z. B. die Preise für Butter, Nudeln, Anzüge, Wasch­maschinen, Fernsehapparate, Möbel usw. Etwa vier Monate sind die Interviewer unterwegs. Insgesamt sucht das Team innerhalb der EWG 62 Städte auf, in Nordrhein-West­falen vier. Die ausgesuchten Städte geben den Repräsentativdurch­schnitt des jeweiligen Landes bzw. Staates.

Bevor die Befrager in Europas Lande ihre Befragung begännen, wurden in umfangreichen, teils mit Hilfe von Wissenschaftlern, Vorar­beiten der Fragenkomplexe genau ausgearbeitet. Die Geschäfte in den einzelnen Städten werden vom ört­lichen statistischen Amt benannt. Es sind „normale" Geschäfte, in denen etwa 75 Prozent aller Ar­beitnehmer ihre täglichen Einkäufe erledigen.

In Brüssel werden die gesammel­ten Preise beim europäischen stati­stischen Amt ausgewertet. Das Zahlenrohmaterial aus den einzel­nen Ländern wird nach einem be­stimmten Schlüssel durch Rechen­maschinen gejagt und schließlich auf einen einheitlichen Währungs­nenner gebracht. Daraus ist die Kaufkraft in den einzelnen Ländern abzulesen und zu vergleichen.[1]

Um nur vergleichbare Waren zu erfassen, wird erst die Qualität ge­prüft. Dann notieren die Vertreter des Europäischen Statistischen Am­tes die Preise: Hier in einem Textilhaus an der Bahnhofstraße(WAZ-Bild: Küchler)
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Statistiker erfragen Preise

Erhebung in Herne — Freundliches Entgegenkommen

Seit August sind drei Erhebergruppen des Europäischen Statistischen Amtes unterwegs: Sie erfragen in 62 Städten der Länder der Europäischen Gemeinschaft die Preise für Verbrauchsgüter. Montag weilte die Kom­mission in Herne, besuchte etwa 30 Geschäfte, um die Preise von 200 Waren und Dienstleistungen zu erfahren.

„Wir sind überall zuvorkommend aufgenommen und freundlich be­handelt worden", stellten die Erheber — Damen und Herren aus Belgien, Italien, Holland und Deutschland — vor der Presse fest. Das Statistische Amt der Stadt Her­ne hatte vorgearbeitet: Die Inha­ber der in Frage kommenden Ge­schäfte waren rechtzeitig und aus­führlich über den Sinn dieser Ak­tion unterrichtet worden.

Mit ihr soll die Kaufkraft in den verschiedenen Ländern der Euro­päischen Gemeinschaft ermittelt werden, genügt es bei einem Ein­kommensvergleich doch nicht, nur die Löhne und Gehälter zu be­rücksichtigen. Nur wenn Löhne und Preise gegenübergestellt werden, kann die echte Kaufkraftparität er­kannt werden. Die Erhebung — in Nordrhein­ Westfalen wird sie außerdem noch in Aachen, Bielefeld und Essen durchgeführt — beschränkte sich auf Textilien, Lebensmittel und Hausrat. Dabei wurde natürlich Wert darauf gelegt, qualitätsmäßig vergleichbare Waren zu erfassen. Das ist bei verschiedenen Waren­gruppen — Elektrogeräte zum Bei­spiel — gar nicht schwer, da viel­fach dieselben Marken in den ver­schiedenen Ländern angeboten werden.

„Diese Erhebung ist nur der er­ste Schritt zu einer größeren Ar­beit", erklärten die Experten. „Sie hilft entscheidend mit, eine Über­sicht über das Realeinkommen in den Ländern der Europäischen Ge­meinschaft zu bekommen." [2]

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Quellen

  1. Westfälische Rundschau Nr. 209, Dienstag, 10. September 1963
  2. WAZ Herne, Dienstag, 10. September 1963