Rede zum Abschluss-Ball der Tanzschule Diel am 07.07.1962
Mit dem festlichen Ereignis des Abschlussballes beerdigen wir zwar die Tanzstundenzeit, aber ich möchte dennoch keine Grabrede halten. Im Gegenteil, der festliche Kreislauf der schwach beleuchteten Kellerparties, der Hausbälle mit Sektbefleckten Tüllkleidern, der bierseligen, neueingeführten Tanzkommerse, wird jetzt erst angekurbelt.
Ein wichtiger Lebensabschnitt liegt hinter uns. Wertvolles Rüstzeug fürs ganze Leben ist uns vermittelt worden. Da kann die Schule mit ihren unregelmässigen Verben und quadratischen Gleichungen gar nicht konkuriere: Unter Strömen von Schweiss auf dem Tanzparkett sind wir gesellschaftsfähig geworden. Wir können uns jetzt endlich benehmen, schwerwiegende Probleme wie das Grüssen und Be-Grüssen sind gelöst, dank der Bemühungen unseres Tanzlehrers. Die Menschen können sich von Natur aus nicht riechen und lieben es nicht, wenn der andere Einblick in ihre Gedanken hat. So ist Höflichkeit ein unerlässliches Mittel im Lebenskampf. Wir erhielten sie, rationell, wie man heute ist, in Buchform, damit jede Unklarheit beseitigt ist. Vorbildlich werden uns aber immer die Formulierungen von Herrn Diel vor Augen stehen. Er sagte nie: „Jetzt bezahlt endlich die 50,- DM. Ich warte schon seit Wochen drauf.”, sondern sehr nett: „Es hindert euch jetzt nichts mehr daran, das Honorar zu bezahlen.”
Der zweite wichtige Punkt ist der nun endlich legalisierte, elterlich erlaubte und geförderte Kontakte mit dem um so viel schöneren Geschlecht, was sich ja, will man tanzen, nicht vermeiden lässt. Aber so schlimm war es nun auch wieder nicht, im Gegenteil! Wir haben ja noch so viel Erfreuliches in Erinnerung. Es kommt ja selten vor, dass wir bei einem Ball mit unseren Eltern zusammen sind. Fragen wir sie, was sie aus der so poesiereichen Zeit ihrer Tanzstunde noch in Erinnerung haben, ist es meist dies: „Den, den wir haben wollten, haben wir nicht gekriegt – oder umgekehrt.” Das ist schmerzlich, aber oft unvermeidbar. Man löst das Problem einfach so: Wer nicht die haben kann, die er liebt, muss die lieben, die er hat. Aber bis auf solche Kleinigkeiten kann ich wirklich nur auf eine rosige Vergangenheit zurückblicken und kann unsere Damen wirklich nur mit Komplimenten überschütten. Wie könnte es auch anders sein! Immer sind die Damen Mittelnunkt gesellschaftlicher Ereignisse. Die Herren stehen lieber bescheiden zurück, sie zahlen nur. Aber das nur nebenbei.
So hat bestimmt noch kein Kursus vor uns ein so starkes Gemeinschaftsgefühl entwickelt wie der unsere. Wenn an bestimmten Tagen Paare die Hauptstraße hinab zur Eisdiele gingen, wusste jeder sofort, wer das war. Nur ein paar sparsame Individualisten gingen im Park spazieren. So kommt es eben, wenn sich die Freundin nicht von der Freundin trennen kann, und der Partner, ob er will oder nicht, mitgeschleift wird, wie immer.
Auch die bescheidene, nette Zürückhaltung unserer Damen bei der Damenwahl hat uns entzückt. Das ist ganz anders, als wenn wir mit einem Riesensatz über das glatte Parkett vor den Stuhl von "Ihr" rutschen mit dem Triumpfgefühl, den anderen Überholt zu haben, und dann noch mit letzter Kraft ein „Darf ich bitten” herausstossen. Man zeigt seine Gefühle eben nicht so. Da können wir nur lernen. Es sieht auch nicht gut aus, wenn das Mädchen zum Jungen kommt. Aber im Grunde seid ihr ja – Gott sei Dank – nicht so.
Ein unvergessliches Erlebnis wird uns ein Tanz bleiben: Der Wiener Walzer. Da flog alles: die Röcke, die Absätze, die Paare aufs Parkett. Und so mittendrin im Geschubse, Gestosse fühlte jeder sich erst richtig wohl, so dass man mit Göthe sagen kann: „Hier ist des Volkes wahrer Himmel.” Jedoch, das Reizendste der Tanzstunde ist und bleibt das Nach-Hause-Begleiten. Der Takt verbietet es mir leider darüber zu plaudern.
Zum Schluss möchte ich noch im Namen aller Herrlichkeit danken. Zuerst Ihnen, Herrn und Frau Diel: Wir danken Ihnen, dass Sie uns so mit leichter Hand geführt haben, wenn es uns auch oft schwerfiel. Das war dann immer unser Trost: Die vor uns waren auch nicht intelligenter. Dass die 13 Stunden ein Vergnügen waren können wir nur Ihnen danken. Dann zu den Damen: Sie waren es, die dem Ganzen durch Ihre Anwesenheit seinen Glanz gaben. Wir müssen Euch bewundern und Euch danken, dass Ihr es so still ertragen habt, wenn wir eure Schuhe so brutal misshandelten ohne uns zu entschuldigen. Wir wären ja auch vor lauter Entschuldigen gar nicht zum Tanzen gekommen. Wir danken Euch, dass Ihr uns während der langweiligen Schulzeit unerschöpflichen Gesprächsstoff liefertet mit unzähligen Kombinationen. "Wer kriegt wen!" ist ja schon ein uraltes Spiel.
Nun muss ich aber Ihnen, meine Damen und Herren danken, dass Sie überhaupt noch zugehört haben und habe nun nichts mehr zu sagen, als dem Ball noch einen erfolgreichen, schönen Verlauf zu wünschen. [1]
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Einzelnachweise
- ↑ Ein Artikel der Tanzschule Diel