Auf dem Weg zur Großstadt

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Wolfgang Berke

Der Aufstieg Wanne-Eickels zur Großstadt verlief nicht unbedingt gradlinig. Bevor es den Bindestrich gab, hatte die Bevölkerung rapide zugenommen: In noch nicht einmal 25 Jahren hatte sich die Einwohnerzahl in den Ämtern Wanne und Eickel von knapp 7.000 (1871) auf fast 35.000 (1895) verfünffacht. In den darauf folgenden 20 Jahren ging es noch rasanter weiter: 1915 hatten Wanne und Eickel schon 93.500 Einwohner. Natürlich handelte es sich bei dieser Entwicklung nicht um einen dramatischen Anstieg der Geburtenrate, sondern es kamen unglaublich viele Menschen nach Wanne-Eickel, weil es hier Arbeit, vor allem im Bergbau, gab. Nur die wenigsten der neuen Wanne-Eickeler stammten aus Westfalen. Die meisten kamen aus Ostpreußen, Schlesien und Posen, aus Österreich, Holland und Polen. (Siehe auch Migration (Portal))

1926, im Jahr der Stadtwerdung, war die Einwohnerzahl auf 91.000 zurückgegangen. In den Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg pendelte sie um die 90.000. Der Krieg drückte die Bevölkerungszahl auf weit unter 80.000, von denen die Hälfte während der schweren Bombardements flüchtete. Erst 1950 hatte Wanne-Eickel wieder das zahlenmäßige Vorkriegsniveau erreicht: Über 86.000 Einwohner wurden gezählt.

Die rasant gewachsene Stadt hatte Zeit ihres Bestehens zwei erhebliche Probleme. Zum einen gab es keine vernünftigen urbanen Strukturen, weil die Siedlungen viel zu schnell und zu chaotisch um die Bergwerke herum wucherten. Zum anderen war die Stadt proppenvoll, es gab keinen Platz mehr, da Zechen, Eisenbahn und Industriebetriebe mehr als 70 Prozent des Stadtgebietes beanspruchten. In Wanne-Eickel konnte keine Siedlung und kein Stadtkern in Ruhe wachsen. Straßen wurden angelegt, wo gerade irgendwie Platz war, und nur ab und zu hielt man kurz inne, um wenigstens ein bisschen Grün zu erhalten oder zu pflanzen.

Das rasante Wachstum der kleinen Gemeinden im 19. Jahrhundert und das noch rasantere Wachstum der beiden Ämter Wanne und Eickel bis zur Stadtwerdung wurde dadurch noch erschwert, dass sich die Beteiligten oft nicht grün waren. So stritten sich Bickern und Eickel nicht nur um den Bahnhof (siehe Seite 11), sondern auch um den Platz, an dem das gemeinsame Realgymnasium errichtet werden sollte. Schließlich einigte man sich auf das „Niemandsland“ zwischen den beiden Gemeinden. Auch andere gemeinsame Einrichtungen siedelte man dort an (Stadtwerke, Finanzamt, Amtsgericht, Hallenbad), so dass dieses „Niemandsland“ bald ein richtig ordentlicher Stadtteil wurde.

Mit der frühen Vereinigung zu einem gemeinsamen Amt (1875) und dem späteren Zusammenschluss zu einer Bindestrichstadt (1926) hatte man zumindest gemeinsame Feinde: „die da draußen“. Das war entweder die ferne preußische Regierung oder der fast ebenso ferne Regierungspräsident in Arnsberg. Das gleiche Schicksal schweißte zusammen, und irgendwann wurde dann auch das Kriegsbeil begraben.

Die ersten Chancen zu städtebaulichen Korrekturen, einer Neuordnung und Neuorganisierung der Stadt boten sich nach dem Krieg. Beim Wiederaufbau der erheblich zerstörten Stadt bewiesen die Verantwortlichen allerdings kaum Mut und Phantasie. Nur wenig Neues wurde geschaffen, das meiste ohne große Veränderung wieder hochgezogen. Auch die zweite Chance wurde nicht richtig genutzt. Als Ende der 1960er Jahre das Zechensterben begann und plötzlich wieder Fläche vorhanden war, hat man ebenfalls wenig planerisches Geschick bewiesen. Was aber zumindest dafür sorgte, dass Wanne-Eickel seinen merkwürdig schrägen Charme nie verlieren konnte.


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