Aus der Geschichte der Bahnhofstraße XII
Originaltext aus dem Herner Anzeiger vom 8. Februar 1936. Abgeschrieben und mit neuen Überschriften versehen von Andreas Janik.
Aus der Geschichte der Bahnhofstraße
XII.
Bahnhofstraße 26
Relativ früh war schon die südliche Ecke der Marienstraße bebaut. Hier war eins der ersten Häuser auf der östlichen Seite der Bahnhofstraße. Das Grundstück hatte nicht, wie so viele an dieser Seite der alten Chaussee, zum Hofe Schlenkhoff gehört (der Schlenkhoffsche Besitz hörte an der Marienstraße auf), sondern es war ein Teil der Gemüsegärten, die sich an den Südrand der Marienstraße anlehnten. Der Garten an der Ecke Marien- und Bahnhofstraße (112 Ruten 70 Fuß groß) gehörte zu Beisemanns Kotten am Alten Markt (es ist das Häuschen zwischen Schulte-Kortnack und dem Gemeindesaal). Die Tochter der Frau Heinrich Beisemann heiratete 1812 in erster Ehe den Kleidermacher Joh. Herm. Overkamp und 1817 in zweiter Ehe Joh. Wilh. Blanke. Die Tochter Anna Cath. aus erster Ehe vermählte sich mit dem Bäcker Friedrich Schulte gt. Kortnack, der durch Kaufvertrag von 1849 Besitzer des Beisemanns Kotten wurde. Von dem Garten an der Ecke Marien- und Bahnhofstraße kamen 1849 35 Ruten an den Kaufmann Ludwig Cremer und 38 Ruten an den Bäcker Schulte gt. Kortnack, der Rest (die Ecke) wurde 1856 an den Polizeidiener Georg Klüsener veräußert. Auf das von Klüsener erworbene Stück war 1850 eine Abfindung von 317 Talern, welche der Besitzer seinem Stiefsohn Joh. Diedr. Hesse aus dem Teilungsrezess von 1849 schuldete, eingetragen worden. Diese Eintragung erfolgte für das Grundstück "nebst dem darauf erbauten Hause" mit Einschluss der an L. Cremer und Bäcker Schulte gt. Kortnack veräußerten teile. Daraus geht hervor, dass schon 1849 an der Ecke Marien- und Bahnhofstraße ein Haus stand, das allerdings 1823 bei der Katasteraufnahme noch nicht vorhanden war und auch scheinbar nicht sehr lange vor 1849 erbaut worden ist. Dass ein Haus zum Kaufobjekt gehörte, beweist auch der von Klüsener bezahlte Kaufpreis von 1450 Talern.
Im Jahre 1868 wurde die Witwe Klüsener Eigentümerin, 1895 der Grubendirektor Heinrich Klüsener zu Bochum. Kurz vorher muss das Haus durch Neu- und oder Umbauten auf die jetzige Größe (einschl. Cafe Feldkämper) gebracht worden sein. Im Jahre 1899 wurde ein Backhaus angebaut. Nachdem der Besitz 1906 auf die Witwe und die sechs Kinder des Grubendirektors Klüsener übergegangen war, wurden 1910 die Witwe des Lokomotivführers Anton Ehrhardt, Marie geb. Klüsener, und der Restaurateur Eduard Klüsener als Besitzer eingetragen, 1923 die Ehefrau des Bürovorstehers Karl Hackländer, Luise geb. Ehrhardt. Im Jahre 1924 erwarb der Bäckermeister Karl Feldkämper das Besitztum, der es 1929 im Erdgeschoß zu dem jetzigen Cafe umbauen ließ.
Die nun folgenden drei Häuser haben eine eng miteinander verknüpfte Geschichte. es waren nämlich Splissteile des von Schulte gt. Kortnack aus dem alten Gartengrundstück des Beisemanns Kottens erworbenen Parzelle, die die Bauplätze lieferten.
Bahnhofstraße 24
Das erste Grundstück (Bahnhofstraße 24) wurde 1876 an den Kaufmann Sally Weinberg aufgelassen, der darauf das jetzt noch stehende Haus errichtete. Im Jahre 1921 erwarb es von dem damals in Poppeldorf lebenden Besitzer der Kaufmann Karl Schray, der heute darin ein Hut- und Schirmgeschäft unterhält.
Bahnhofstraße 22
Das zweite Grundstück wurde 1876 von Schulte gt. Kortnack an den Bauunternehmer Wilhelm Frackmann verkauft, der darauf das Haus Bahnhofstraße 22 erbaute. Im Jahre 1882 kam es an den Kaufmann Simon Wolfstein[1] in Bochum, 1885 an den Bäckermeister Ludwig Jansen in Herne, 1894 an den Postassistenten Friedrich Wünnenberg (damals in Gelsenkirchen) und 1902 an den Kaufmann Friedrich Köller, der das Haus 1910 einem Um- und Aufbau unterzogen hat und dessen Witwe heute noch das Köllersche Schuhgeschäft darin betreibt. Um 1885 muss übrigens ein Metzger in dem Hause gewohnt haben, denn damals wurde ein Schlachthaus erwähnt.
Bahnhofstraße 20
Das dritte Grundstück bestand hauptsächlich aus dem dritten Kortnackschen Spliss teil und wurde 1876 von dem Kaufmann Karl Pitsch gekauft, der darauf das Haus Bahnhofstraße 20 errichtete. Im Jahre 1889 wurde noch ein Hintergebäude mit Schuppenanbau, später ein Lageranbau hinzugefügt. In die zum Nachbarhause Fahnenstich bestehende Lücke wurde 1900 von Pitsch eine Verlängerung seines Hauses (Lederhandlung Droste) eingefügt, während Fahnenstich den Rest durch die Anfügung der Erkerpartie an sein Haus ausfüllte. Im Jahre 1914 wurde das Ehepaar Friedrich Badenhorst Eigentümer, 1930 der Kaufmann Ernst Pitsch.
Eine besondere Rolle hat noch für die drei Häuser Bahnhofstraße 24, 22 und 20 eine Grundgerechtigkeit gespielt. Diese wurde 1881 auf alle drei Grundstücke jeweils zugunsten der beiden anderen eingetragen. Danach standen dem jeweiligen Eigentümer bestimmte Befugnisse, insbesondere das Recht zu, eine an die zu allen Gebäuden gehörige, von den Berechtigten und Verpflichteten gemeinschaftliche zu unterhaltende Durchfahrt anstoßende, 12 Fuß breite Fläche als Weg zum Gehen, Fahren und Viehtreiben zu benutzen. Diese Grundgerechtigkeit ist im November 1935 gelöscht worden. Sie besteht nur noch zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Köller. Die Durchfahrt geht auf die Grenze unter den Häusern Köller und Pitsch gemeinsam her.
Bahnhofstraße 18
Das bereits erwähnte Haus Fahnenstich hat zuerst der Anstreicher Hermann Stemmrich besessen. Dieser kaufte die Parzelle im Jahre 1869 von dem Landwirt Friedrich Cremer für 1150 Taler. Sie gehörte zu dem oben schon erwähnten Teil des Beisemannschen Gartens, den Ludwig Cremer 1849 erworben hatte, und umfasst einen Teil des in der ganzen Länge östlich neben dem Beisemannschen Garten gelegenen Cremerschen Gartens. Cremer muss, wie der Kaufpreis von 1150 Talern nahelegt, schon das Haus erbaut gehabt haben. Es wurde auch erst 1885 auf Grund einer Verhandlung von 1883 von seinem Namen auf den Namen Stemmrich übertragen. Zu dem Hause gehörte ein hinterer Anbau, zu dem ein Backhaus, ein Keller und ein Stall kamen. Das ist aber schon zu der Zeit gewesen, wo der Uhrmacher Hermann Fahnenstich, der 1886 in der Zwangsversteigerung den Zuschlag erhalten hatte, Eigentümer geworden war. Im Jahre 1898 erwarb dieser von seinem Nachbarn Pitsch noch ein Stückchen und unterzog im gleichen Jahre sein Besitztum einem Um- und Aufbau. Der bereits erwähnte Anbau der Erkerpartie fällt in diese Zeit.
Das Grundstück, das jetzt folgt, hat wieder eine besondere Geschichte. Es ist ein Stück
Geschichte des Herner kath. Schulwesens
Als die Zahl der Katholiken so groß geworden war, dass man in Herne 1858 einen eigenen katholischen Gottesdienst einrichtete, war auch die Schaffung eines katholischen Schulwesens erforderlich. Dies geschah zunächst auf privater Grundlage, wozu der damals schon blühende Bonifatiusverein Mittel zur Verfügung stellte. Zuerst benutzte man für den Gottesdienst den Mittelbau des Hauses Wagner (später Leushacke, jetzt Flake) in der Von-der-Heydt-Straße, von dem ein Zimmer als Chor, ein anderes als Betsaal diente. Dieser Betsaal war dann auch die erste katholische Schule. erteilt wurde der Unterricht von dem im Juni 1859 nach Herne gekommenen Missions- und Schulvikar Gustav Schmelzer, der im September 1959 auf demselben Grundstück die Notkirche in Gebrauch nehmen konnte. Außer dieser ist dicht dabei auch eine kleine Schule, bestehend aus einem Schulsaal und einigen Wohnräumen, errichtet worden. Schmelzer musste aus Gesundheitsrücksichten schon 1860 die Schultätigkeit aufgeben. Dafür kam der Schulamtsbewerber Joseph Berglar nach hier, dem auf Anordnung der Arnsberger Regierung am 1. Dezember 1861 der Schulamtsbewerber JohannesTigges aus Selbeck, Krs. Olpe, folgte. (Dieser hat 44 Jahre lang - bis 1905 - von schwierigsten Anfängen an mit rührender Treue im Herner kath. Schulwesen gewirkt und ist 1927 gestorben).
Nach seinen Aufzeichnungen, die Rektor Knust in seiner schon erwähnten 1908/09 erschienenen Artikelserie über die Geschichte der kath. Gemeinde Herne benutzt hat, war der ersten Schule an allen Ecken und Enden der Stempel der Armseligkeit aufgedrückt. Leichte Bauart, Feuchtigkeit und unzulängliche Höhenverhältnisse des Klassenraumes zeichneten den Bau aus, der hygienische Anforderungen ganz außer Acht ließ und die unterrichtliche Arbeit bei der stetig wachsenden Schülerzahl denkbar schwierig machte. Eröffnet war diese Privatschule mit etwa 40 Kindern, die zum Teil recht weite Schulwege hatten, kamen sie doch nicht nur aus Herne, sondern auch aus Baukau, Horsthausen, Pöppinghausen, Crange, Holsterhausen, Hiltrop un Sodingen, nur 19 Kinder gehörten der Missionsgemeinde selbst an. Das Gehalt des Lehrers Tigges war denkbar karg. Er erhielt für das ganze Jahr 480 M. Besser wurde es mit der Schule, als sie am 16. November 1862 ihres privaten Charakters entkleidet und zu einer öffentlichen Schule erhoben wurde, deren Trägerin bis zur Kommunalisierung des Volksschulwesens am 1. April 1908 die kath. Schulgemeinde war. Diese wurde vertreten durch Schulvorstand und Repräsentanten. Präses des Schulvorstandes war der Amtmann. Das Lehrergehalt stieg auf 600 M. Die Schülerzahl nahm ständig zu. 1861 waren es 68, 1862 70, 1864 83, 1865 95, 1866 114 Kinder. Schon durch diese Überfüllung war das Schulgebäude völlig unhaltbar geworden. Vornehmlich aus dem Ertrage einer Kollekte kam daher die neue Schule an der Bahnhofstraße zustande.
Schulgebäude Bahnhofstraße 18
Das Grundstück wurde durch Kaufvertrag vom 9. Mai 1865 erworben. Es gehört dem Ökonomen Friedrich Cremer und ist erst 1885 von diesem für die katholische Schulgemeinde aufgelassen worden. Die Schule, ein einstöckiges Gebäude mit Lehrerwohnung, lag etwas von der Straße zurück. Später ist der Zwischenraum zwischen Schulfront und Baufluchtlinie durch einen mehrstöckigen Bau, die heutigen Geschäfte Brück und Wahl, ausgefüllt worden. Hinter diesen befindet sich noch heute die erste größere katholische Schule Hernes.
Auch die Schule an der Bahnhofstraße entsprach bald nicht mehr den Anforderungen. deshalb wurde 1878 die Schule an der Franz-Selbte-Straße (Neustraße) erbaut, die später mehrfach erweitert wurde.[2] Ihr folgte 1885 die kath. Schule an der Cranger Straße (das Gebäude wurde später an Harpen verkauft), 1889 an der Schulstraße, 1890 an der Forellstraße und 1893 an der Kaiser-Wilhelm-Straße.
Inzwischen hatte das Schulgebäude an der Bahnhofstraße ausgedient. Der Schulvorstand, bestehend aus Amtmann Schaefer, Pfarrer Strickmann, Meimberg und Rocholl, und die Repräsentanten W. Albring, Fr. Biermann und H. Fischer, bevollmächtigten am 12. Juli 1889 den Amtmann Schaefer, in ihrem Namens das Schulgrundstück an der Bahnhofstraße an den Uhrmacher Hermann Kortenhaus unter gleichzeitiger Eintragung einer erststelligen Hypothek von 23 000 M. zugunsten der Sparkasse der Ämter Herne und Wanne aufzulassen. Bei der Besitzumschreibung wurde der Wert des Besitzes auf 26 000 M. angegeben. In den nächsten Jahren hat Kortenhaus das Vorderhaus vorgesetzt und nach hinten Stall-, Werkstatt- und Lageranbauten angefügt. als er 1902 starb und seiner Witwe, Emilie geb. Rosenkaimer mit ihren 6 Kindern das Besitztum übernahm, wurde es auf 100 000 M angegeben. 1920 wurde es für 300 000 M. an die Ehefrau Berthold Wollstein, Franziska geb. Brück verkauft.
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Quellen
- ↑ 1829-1902 Vgl.: [1]
- ↑ Unter dem Vorsitz des Präses Amtmann Schaefer fand z.B. am 16. April 1884 eine Sitzung des Schulvorstandes statt. Anwesend waren Kpl. Strickmann (Lokalschulinsprektor), Schulvorsteher Waldemar Rocholl, Repräsentant Heiermann, Repr. Biermann; es fehlten Schulvorsteher Stücke, Schulvorsteher Herrgott und die Repräsentanten Albring und Fischer. In dieser Sitzung war man der Überzeugung, dass sich ein Schulneubau nicht länger umgehen lasse, und beschloss daher, an der Schule Neustraße 2 Klassensäle anbauen zu lassen und das benötigte Grundstück von Schulte gt. Bergelmann für 2001,72 M. zu erwerben.