Schuhe im Backofen

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Friedhelm Wessel [1]

Trotz Deputat, den Kohlen, die ein Bergmann als „billige Zugabe“ vom Pütt erhielt, wurde mit dem Brennmaterial sehr vorsichtig umgegangen, denn manchmal wurden die Kohlen – jedenfalls ein kleiner Teil davon – an Verwandte oder Bekannte verkauft oder gegen Obst und Gemüse getauscht. Der Mittelpunkt der Wohnungen bildete in den meisten Fällen der Herd, der morgens ab 5 Uhr brannte, denn zur Frühschicht musste ja das Kaffeewasser gekocht werden. Hildegard Bosbach erinnert sich: „Wir hatten immer einen Herner-Herd. Vater brachte vom Pütt ein sogenanntes Mutterklötzchen mit. Unser Vater hatte es zuvor auf der Zeche aus einem Holzstempel gesägt. Es war ein etwa 20 Zentimeter langes Holzstück, das aber schon gehackt war, eine Spezialität der Bergleute. Zu Hause brauchte man nur den Draht, der das Mutterklötzchen zusammenhielt entfernen, dann hatte Mutter feines, trockenes Anmachholz“.

In der Küche wurden auch die Mahlzeiten eingenommen. Nur an Sonn- und Feiertagen saß die Familie damals in der „guten Stube“. Aber auch hier gab es einen Herd, meist einen Kohleofen, der im Stil der Zeit aus braunen, glasierten Kacheln bestand, aber auch mit der Deputatkohle befeuert wurde.

An eine Ofengeschichte erinnert sich die gebürtige Sodingerin Hildegard noch ganz genau: „Einmal bekam ich ein paar neue Schuhe und war richtig stolz. Auf dem Nachhauseweg trat ich einige Tages später unbeabsichtigt in eine große Pfütze auf dem in jener Zeit noch unbefestigten Gehsteig in der Nähe unseres Hauses. Die Schuhe waren jedenfalls pitschnass. Davon durfte Mutter und Vater natürlich nichts merken. Wie sollte ich nun die völlig nassen Schuhe wieder schnell trocken bekommen? Da fiel mir der Küchenofen, unser Herd, ein. Heimlich stellte ich daher am Abend meine völlig durchnässten Schuhe in den Backofen, denn der Herd war immer im Winter bis spät in die Nacht an. Mutter sollte aber von meinem Missgeschick nichts merken. Am nächsten Morgen wurde ich früh wach, im Haus roch es nun komisch…

Da erinnerte ich mich plötzlich an meine guten, neuen Schuhe im Backofen. Schnell rannte ich in die Küche, riss die Backofentür des Herdes auf, da sah ich sie: meine Schuhe – sie waren zwar trocken, aber nicht mehr tragbare, weil sie fast vollständig verkohlt waren. Mutter schüttelte später nur den Kopf. Nun musste ich wieder auf meine fast ausgelatschten Treter zurückgreifen, bis wir im Schuhhaus Köller in der City ein neues Paar kaufen konnten. Schuhe habe ich aber seit damals nie mehr zum Trocknen in den Backofen gestellt“. [2]


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Einzelnachweise

  1. Dieser Text wurde von Friedhelm Wessel zur Verfügung gestellt. Der Text darf nicht ohne Genehmigung verändert oder weitergegeben werden.
  2. Ein Artikel von Friedhelm Wessel