Hof Schumacher (Baukau)
Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 17. August 2002
- Kotten erwacht zu neuem Leben
- Peter Schütte erfüllt sich mit Denkmal-Restaurierung den Traum vom Wohnen
Von Gabriele Heimeier
Auf der einen Seite das Zentrallager von Pieper, auf der anderen ein Hof, in dem sich hunderte Euro-Paletten stapeln, dahinter das Gebäude eines Ingenieurbüros: Inmitten dieses Ensembles praktisch-nüchterner Gewerbeanlagen an der Baukauer Straße duckt sich unter einer riesigen Kastanie der alte „Kotten Schumacher".
„Kommen Sie herein": Einladend winkt Peter Schütte von der Haustür des Kottens, den er seit Februar gemietet hat. „Ich habe mir oben schon ein kleines Zimmer eingerichtet. Da können Sie bequemer schreiben."
Der Weg nach oben: unter dem Balken her, der mit der Inschrift "Unser Ausgandt segen Gott, unser Eingandt gleigermase" Bewohner und Besucher.
- Massive Eichenbalken und niedrige Decken
begrüßt, durch die Diele mit ihren massiven Eichenbalken, die schon von den Zeichen der Zeit gereinigt sind, vorbei an geöffneten Holztüren, die den Blick frei geben auf kleine Zimmer mit niedrigen Decken und Holzböden, in denen an einigen Stellen Löcher klaffen, dann eine schmale Holztreppe hinauf, eigentlich nur eine Stiege, steil wie eine Hühnerleiter - „Vorsicht, da ist ein Balken" - weiter in zwei kleine Räume mit noch niedrigeren Decken.
Peter Schütte zieht unwillkürlich den Kopf etwas ein: Seine 1,90 Meter scheinen die Räume noch weiter schrumpfen zu lassen. Doch dass er dort besser keine Freudensprünge machen sollte, stört den 36-Jährigen nicht weiter. Die hat er schon gemacht, als er das Haus mieten konnte. „Zu sehr günstigen Konditionen", sagt Schütte. Dafür will er im Gegenzug das älteste noch erhaltene Gebäude aus Baukaus vorindustrieller Zeit von Grund auf restaurieren - was auch dringend Not tut.
Jahrelang stand das Kötterhaus leer, niemand kümmerte sich so recht darum. Die Stadt nicht, die das Haus im Oktober 1989 von der letzten Besitzerin und deren Tochter kaufte, und zunächst auch der neue Eigentümer nicht, der das Grundstück samt des vorhandenen Gebäudes erwarb, als dort das Industriegebiet ausgewiesen wurde. Wirtschaftlich sei der Erhalt des 1991 unter Denkmalschutz gestellten Kottens unsinnig, hatte ein Gutachter befunden. So war der Kotten, von
- „Johan Henrich Schaumacher
und Anna Maria Dupp zu B[au]k[au]
Anna/[o] 1790 D 30 N[o)V[em]B[e]R M[it] H[ilfe] G[ottes]"
erbaut und bezogen und 200 Jahre von deren Nachkommen bewohnt, über zehn Jahre sich selbst überlassen.
Das Schicksal des Backhauses, das einst neben dem Kotten im Garten gestanden hatte und so verfallen war, dass es abgerissen wurde, bleibt dem Wohnhaus nun aber erspart. Denn in Peter Schütte fand sich ein Partner, der mit Unterstützung des Eigentümers, Dr. Friedhelm Albrecht, darangegangen ist, das Haus in liebevoller Kleinarbeit zu restaurieren. In diesem Jahr von innen, im nächsten von außen.
„Es ist für mich der Traum vom Haus hat eine wahnsinnige Atmosphäre", erklärt Peter Schütte, warum er die mühselige Arbeit der Restaurierung auf sich nimmt, statt gemütlich in seiner bisherigen Wohnung zu sitzen: „Die sieht mich nur noch zum Schlafen und Wäsche waschen."
Jede freie Minute verbringt der Justizvollzugsbeamte der gelernte Schmied in seinem Kotten, en er schon von klein auf kennt. "Das Haus ist mir immer schon ins Auge gestochen. Ich weiß selbst nicht, warum. Fachwerkhäuser faszinieren mich einfach." Und deshalb beschäftigt er sich seit einig Jahren mit deren Restaurierung. So, wie andere liebevoll einen motorisierten Oldtimer wieder herrichten, stets auf Suche nach Originalteilen sind und alles möglichst detailgetreu erhalten wollen, will er es auch mit seinem steinernen Oldtimer machen. Große Veränderungen der Substanz plant er nicht, sind nach seiner Meinung auch nicht nötig.
- Schwalbennester und Hühnerstall
Genug zu tun bleibt allenthalben: im Erdgeschoss Fußböden, ein Edelstahl für den Kamin, ein komplett neues Bad, Anstrich der Fenster und Blendläden, Ausbebessern der Löcher in den Innenwänden, neue Kohlenheizung und und und. Auch außen gibt es einige Arbeit: Die rostrote Farbe, mit der das für Westfalen ungewöhnliche Klinkerwerk leider irgendwann gestrichen wurde, blättert; möchte das Fachwerk nun weiß und die Balken dunkel streichen - wenn das Herner Amt für Denkmalschutz es erlaubt. Das ist dann zwar auch nicht original, „aber die rote Farbe kriege ich einfach aus den Klinkerfugen nicht mehr raus", bedauert Schütte.
Vollkommen original erhalten ist dagegen die Tenne, bis hin zum Heu auf den verlassenen Schwalbennestern, die auf neue Bewohner warten. Im Hühnerstall gibt es sie schon: Dort hält Friedhelm Albrecht einige Hennen samt Nachwuchs.
Und wenn denn alles fertig ist, der letzte Anstrich getan, der letzte Nagel geklopft, die letzte Fliese gelegt? "Dann lebe ich hier", sagt Peter Schütte und lehnt sich gemächlich zurück. Un genießt seinen Traum vom Wohnen.